Bogenbau/ Holz/ Holzanatomie

Wie wachsen Bäume eigentlich? Der Querschnitt durch einen Stamm lässt sich in drei wichtige Schichten unterteilen: Die Rinde ganz aussen, das Kambium dazwischen und das Holz innen.

Kirschholz (Prunus avium)

Das eigentliche Wachstum findet im Kambium, das nur eine Zellschicht dick ist, statt. Durch Zellteilung bildet sich nach aussen die Rinde und nach innen das Holz. Kleinere Verletzungen des Kambiums wachsen wieder zu.

In der Rinde werden bei der Photosynthese gebildete Nährstoffe ( Assimilate) zurückgeleitet. Aus diesem Grund ist sie reich an Nährstoffen, bei einigen Bäumen sollte sie deshalb nach dem Fällen entfernt werden, um Schädlingsbefall vorzubeugen – Insekten legen sonst gerne Eier in die weiche Rinde, und die daraus schlüpfenden Maden fressen sich am Bogenholz satt.

Im Holz wird Wasser in die Krone geleitet, ausserdem dient es der Stabilisation des Baumes. Die Gefässe (Wasserleitungen) in Laubhölzern sind bei vielen Hölzern von Auge erkennbar. Ausserdem sichtbar sind Jahresringe (vor allem bei Bäumen aus Gebieten mit Jahreszeiten) und, je nach Baumart die Unterteilung in Kern- und Splintholz. Alle davon sind für den Bogenbau von Bedeutung.

Die Jahresringe entstehen dadurch, dass im Frühling Frühholz und im späteren Sommer Spätholz gebildet wird; Frühholz ist meist viel weniger fest durch die höhere Anzahl an Gefässen, Spätholz ist stärker belastbar und hebt sich oft auch farblich ab vom Frühholz. Wegen der erhöhten Stabilität wird als Bogenrücken normalerweise ein fertig ausgebildeter Jahresring gewählt (also Spätholz). Wenn der Baum nach der Wachtumsperiode gefällt wird, ist dies beim äussersten Ring unter der Rinde automatisch der Fall.

Zelltypen

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Im zellulären Aufbau unterscheiden sich Nadel- und Laubhölzer: Die (ursprünglicheren) Nadelhölzer bestehen überwiegend aus einem Zelltyp, den Tracheiden, Laubbäume aus verschiedenen spezialisierten Zelltypen.

Nadelholz

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Abies alba (Weisstanne)

Die Tracheiden dienen sowohl zur Leitung von Wasser als auch zur Festigung. Im Frühholz sind die Tracheiden dünnwandig und weit, im meist dunkleren Spätholz, wo kaum mehr Wasser transportiert und der Baum stabilisiert wird, sind sie eng und dickwandig. Die Härteunterschiede zwischen Früh- und Spätholz können betrachtlich gross werden, etwa bei der Lärche.

Die Dicke des Spätholzringes ist bei Nadelholz tendenziell konstant, während die Frühholzdicke variiert; es wird vermutet, dass ein gutes Vorjahr einen breiten Frühholzring zur Folge hat. Für den Bogenbau (Eibe, Lärche) wird Holz mit feinen Jahresringen und somit verhältnismässig viel Spätholz verbaut, allerdings kann die Anzahl Jahresringe pro Zentimeter nicht als Massstab verwendet werden, da beispielsweise Holz aus Gebirgslagen sehr feine Jahresringe, aber aufgrund der kürzeren Vegetationsperiode auch weniger Spätholz aufweist und somit eine eher geringere Dichte besitzt. (Dieses Holz wird gerne für den Bau von Geigenböden und für andere Instrumenten verwendet.)

Laubholz

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Ringporiges Holz der Esche (Fraxinus excelsior)

Im Laubholz sind unter anderem Gefässe zur Wasserleitung und Fasern zur Stabilisierung vorhanden. Für die Festigkeit ausschlaggebend ist die Zellwanddicke der Fasern und ausserdem der Gesamtanteil Fasern im Holz; dieser ist im Frühholz meist geringer als im Spätholz.

Bei der Anordnung der Gefässe wird grob unterschieden zwischen ring- und zerstreutporig. Ringporige Hölzer wie Esche und Eiche bilden im Frühling zuerst eine Schicht Holz mit vielen grossen Gefässen (Frühholz), im Verlauf des Sommers entsteht dann das Spätholz mit wenigen und etwa 10-fach kleineren Gefässen. Während das Frühholz nicht sehr stabil und ziemlich leicht ist, ist Spätholz sehr fest und ideal für den Bogenbau geeignet. Je nach Standort und Umweltbedingungen wird mehr oder weniger Spätholz gebildet, die Frühholzdichte bleibt mehr oder weniger konstant. Beim Bogenbau wird deshalb bevorzugt Holz mit breiten Jahresringen (und somit mit im Verhältnis viel Spätholz) verbaut.

Anders wachsen zerstreutporige Hölzer wie Ahorn und Birke. Die Gefässe sind viel gleichmässiger im Holz verteilt, und sie wachsen im Frühholz mit nur unwesentlich grösserem Durchmesser.

Festigkeit

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Für die Festigkeit von Holz sind primär zwei Stoffe von Bedeutung: Lignin und Zellulose. Rotach/Hunziker vergleichen sie mit Stahlbeton: Zellulose, das in Form von Zellulosefasern vor allem in Wachstumsrichtung (axial) wächst, ist flexibel und, was besonders wichtig ist, stark auf Zug belastbar – diese Eigenschaft wird für den Bogenrücken benötigt. Das braune Lignin, der «Beton», ist druckfest und wird am Bogenbauch gebraucht.

In den Zellen befindet sich das Lignin in der Mittellamelle (bis 90 %), der Verbindung zwischen den einzelnen Zellen, und die Zellulose in der Zellwand (bis 94 %). Lignin entsteht bei der Verholzung, davor besteht die Mittellamelle vor allem aus Pektin.

In der Natur haben sich Pilze auf den Abbau einer dieser Stoffe spezialisiert. Der Gemeine Wurzelschwamm (Heterobasidion annosum) zum Beispiel zersetzt Lignin, das Holz wird dadurch weisslich, weshalb die Fäule Weissfäule genannt wird. Das Gegenstück dazu ist die Braunfäule, bei welcher Zellulose abgebaut wird und das braune Lignin übrig bleibt; das Holz wird oft bröcklig. Braunfäule wird unter anderem vom Schwefelporling (Lactiporus sulphureus) verursacht. Die dritte Art von Fäulen ist die deutlich schwieriger erkennbare Moderfäule, hier «bohrt» der Pilz Löcher in die Zellwände und das Holz wird brüchig. Ein häufiger und bekannter Pilz dazu ist die Rötliche Kohlenbeere (Hypoxylon fragiforme), der praktisch auf jedem abgefallenen Buchenast zu finden ist; die Rinde ist dann übersät von harten, kugelförmigen, rötlich bis schwarzen Fruchtkörpern.


Kernholz

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Kernholz und (hell) Splintholz bei der Lärche (Larix decidua)

Zellen leben in vielen Bäumen jeweils nur in den äussersten paar Ringen, danach sterben sie ab, da sie nur noch zur Stabilisierung benötigt werden. Tote Zellen können sich nicht mehr gegen Parasiten wie Pilze wehren, aus diesem Grund bilden viele Bäume Kernholz. Die Gefässe werden verschlossen, so dass kein Wassertransport mehr möglich ist, und in den Zellwänden werden Phenole (farbiges Kernholz entsteht durch eingelagerte Polyphenole) eingelagert. Speicherzellen, die nun nicht mehr benötigt werden, werden lignifiziert (sie verholzen).

Durch das zusätzliche Lignin im Kernholz ist dies etwas weniger dehnbar, dafür stärker auf Druck belastbar. Ausserdem enthält es normalerweise einen grösseren Anteil an Inhaltsstoffen als das Splintholz; Dazu gehören neben den bereits erwähnten Polyphenolen auch zum Beispiel Harze und Öle und Gerbstoffe (Tannine). Kernholz ist deutlich haltbarer als Splintholz – mit ein Grund dafür sind die Gerbstoffe, die den pH-Wert senken – und nimmt aufgrund der verschlossenen Gefässe bzw. Tracheiden viel weniger Wasser auf. Die äussersten Ringe des Kernholzes sind dauerhafter als die inneren.

Einige Hölzer wie Esche bilden gar kein Kernholz, allenfalls einen farblich hervorgehobenen Kern (Falschkern) als Reaktion auf Parasitenbefall; Dieser ist meist nicht klar durch einen Jahresring begrenzt. Andere Bäume wie Fichte und Tannen bilden zwar Kernholz, jedoch behält dies die Farbe des Splintholzes. Bekannte Arten mit farblich unterschiedlichem Kernholz sind zum Beispiel die Eibe, Robinie und Kirsche: Eiben-Langbögen werden gewöhnlicherweise aus Kernholz mit einer Schicht Splintholz am Bogenrücken gebaut, Robinie meist nur aus Kernholz, da sich das Splintholz beim Trocknen gerne löst oder sowieso zur Vermeidung von Trocknungsrissen bereits entfernt wurde. (Aufgrund der verschlossenen Gefässe trocknet Kernholz teils deutlich langsamer.)

Literatur

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