Benutzer:Yomomo/ Propaganda
Fürs Buch über Propaganda wird eine Arbeit, die ich für ein Seminar gemacht habe, auch benutzt. Ich stelle diese Arbeit hier erst einmal und werde die überarbeitete Teile ins Buch hinzufügen.
Zusammenfassung
Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Bereich, wo sich zumindest vier Begriffe treffen: Propaganda, Mathematik (und Wissenschaftstheorie), (offizielle und Basis-) Bildung und Demokratie. Erst wird auf die Frage eingegangen, ob Propaganda in bzw. mit Mathematik überhaupt möglich ist. Dann werden die Teilbegriffe (Propaganda, Mathematik und Wissenschaftstheorie, Bildung und Demokratie) präsentiert, wobei dem Begriff „Propaganda“ der größte Teil gewidmet wird. Anhand von Beispielen wird gezeigt, dass für eine funktionierende Demokratie vor allem die Bildung im Bereich der Propaganda und der Wissenschaftstheorie aber auch eine ethische Bildung absolut notwendig sind. Es wird dementsprechend auch in Frage gestellt, ob Ziel des heutigen Staates tatsächlich die Demokratie (in welcher Auffassung auch immer) ist. Beispiele (teils aus der Literatur) für eine Propaganda-sensible Mathematikbasisbildung werden auch gegeben.
Abstract
This text concerns the meeting point of four fields: propaganda, mathematics (and philosophy of science), (official and basic) education und democracy. At first we will handle the question of the relationship between propaganda and mathematics. Then we will present the four mentioned fields with more weight on the concept «propaganda». Using various examples we will show that a functioning democracy needs an extensive education and practice on the fields of propaganda and epistemology and last but not least on ethics. We will also question the proposition that the purpose of west democracies is actually demodracy. At the end we will give examples of a mathematical education tha considers issues of propaganda in higher but also in basic education (which is the actual theme of this work).
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung 1
Abstract 1
Einleitung 3
Mathematik und Propaganda 3
Propaganda 4
Methoden der Propaganda 6
Psychologische Methoden 12
Wissenschaftstheorie und Mathematik 14
Bildung 17
Demokratie 19
Propaganda und Mathematik 20
Propaganda und Lehrpersonal 22
Propaganda, Mathematik und Basisbildung 24
Bibliographie 29
Appendix I 34
Appendix II 37
Einleitung
In der deutschen Sprache ist der Begriff „Propaganda“ stark mit Nationalsozialismus und etwas weniger „Real“-Kommunismus verbunden [1]. Auch wenn Propaganda in beiden diesen totalitären Regimen, die einander in Gräueltaten und Absurdität konkurrierten [2], ein entscheidendes Merkmal war, wird durch die Betonung ihrer Anwendung in diesen Regimen ihre Rolle in unseren „westlichen“ Gesellschaften vernachlässigt. Wie wir in dieser Arbeit sehen werden, ist Propaganda bei uns nicht nur in der Werbung aktiv, sondern auch als Teil eines für unsere politischen Systemen unerheblichen Konsens-Mechanismus. Die in einer freien demokratischen Gesellschaft teilnehmenden Personen sollen lernen, sich vor diesem Mechanismus zu schützen und dass Bildung allein zu diesem Zweck nicht ausreichend. Es wird auch argumentiert, dass Mathematik als Teil sogar der Basisbildung dazu beitragen kann, zu lernen, manche Methoden der Propaganda durchblicken zu können und dadurch zu einer tatsächlich funktionierenden Demokratie eine Rolle spielen kann. Da die Frage der Demokratiebildung in der Basisbildung offiziell möglicherweise nicht ausreichend angesprochen wird, könnte diese Arbeit ein Anlass für eine weitere Diskussion in dieser Richtung sein.
Mathematik und Propaganda
„Für viele Menschen gilt Mathematik als Muster einer unpolitischen, sachlichen und neutralen Wissenschaft. ‚2+2=4‘ gilt in jedem Staat und unabhängig vom politischen System… Was soll dann im Mathematikunterricht politisch bildend sein? … Zusammenfassend formuliere ich die These, dass guter Mathematikunterricht viel zur politischen Bildung beitragen kann, wenn er die SchülerInnen dazu befähigt, Manipulation durch Mathematik und Statistik zu durchschauen… Mathematische Modelle bilden nicht einfach die Wirklichkeit objektiv ab, sie hängen stark von der Auswahl der Daten und der (Nicht-) Berücksichtigung verschiedener Aspekte der Wirklichkeit ab.“ [3]
In diesen Aussagen können wir schon einen Bereich finden, wo sich Mathematik, Propaganda und Bildung treffen: Statistik und mathematische Modellbildung. Es gibt allredings weitere Bereiche, wo Mathematik auch propagandistisch funktionieren kann. Die Auswahl der Textaufgaben ist einer davon. Im deutschsprachigen Raum wird oft mit der NS-Zeit auseinandergesetzt, manchmal auch mit Ostdeutschland und kommunistischer Propaganda. Zur Auswahl der Textaufgaben in der NS-Zeit gibt es zumindest zwei Quellen [4, 5].
„Die Auseinandersetzung lohnt sich, denn wer Lehren und Lernen von Mathematik untersucht, weiß, dass Textaufgaben das Potential der Wertevermittlung und damit auch der Instrumentalisierung beherbergen. Und jeder, der Mathematik lehrt, sollte sich mit der Frage auseinandersetzen, welche Werte vermittelt werden und ob diese bewusst oder unbewusst transportiert werden und ob sie erwünscht oder unerwünscht sind – damals wie heute.“ [5]
Zum letzteren Thema (welche Werte werden heute bewusst oder unbewusst durch die Mathematik-Bücher vermittelt) wurde keine Bibliographie gefunden. Es gibt allerdings allgemeine Bibliographie, die diese Frage etwas erläutern könnte. Frauen bspw. werden manchen Analysen nach [6] schon in relativ frühem Alter indoktriniert, in dem sie unsicher über ihr Körper und ihr Aussehen durch Artikel in Mädchenmagazinen gemacht werden. Dadurch werden sie „Schönheitsprodukten“-Konsumenten und (auch durch ihr geschwächtes Selbstbewusstsein) unterstützen sie das herrschende wirtschaftliche System.
Der letzter Bereich des Treffens zwischen Mathematik und Propaganda, der hier erwähnt wird, betrifft eher psychologische Eigenschaften und könnte uns an die (soziale) Theorie des Strukturalismus erinnern. [7] Es geht um die sogenannte „Deutsche Mathematik“, in der die NS-Ideologie mit Aussagen über („arische“) „Typen“ des mathematischen Denkens den mathematisch-theoretischen Diskurs besetzt hatte. [8] Laut NS-Ideologie sollte die Mathematik etwa keine abstrakte formalistische Struktur sein, sondern intuitiv und mit dem konkreten beschäftigt. In dieser Diskussion können wir gleich eine Methode der Propaganda gleich erkennen, das ad-Hominem „Argument“: Nicht die Aussage sondern die aussagende Person wird kritisiert. Diese und weitere Methoden werden im Teil über Propaganda erörtert. In diesem konkreten Beispiel: Gegen NS-Ideologie zu sein (was absolut sinnvoll ist), bedeutet nicht gleich für Formalismus und gegen Intuitionismus zu sein. Dies wäre ähnlich mit der Aussage, dass wir glauben müssen, dass die Erde flach ist, allein weil das NS-Regime besagt hatte, dass die Erde doch rund sei. In unserem Beispiel: Die Diskussion zwischen Formalismus und Intuitionismus hat sich teils vor der NS-Zeit erledigt und das Ergebnis war ein ergiebiger Kompromiss. [9]
Propaganda
Laut Duden ist Propaganda die „systematische Verbreitung politischer, weltanschaulicher o. ä. Ideen und Meinungen mit dem Ziel, das allgemeine Bewusstsein in bestimmter Weise zu beeinflussen.“ [10] Werbung ist demnach auch eine Art von Propaganda. Allerdings fehlt in dieser Definition (warum auch immer) ein überhaupt nicht irrelevante Grammatikelement: Das Subjekt. Wer versucht „das allgemeine Bewusstsein in bestimmter Weise zu beeinflussen“? Diese Frage wird uns später beschäftigen.
Propaganda fängt mit der Feststellung an, dass bei Menschenmassen andere „psychologische“ Regeln als bei einzelnen Personen beobachtet werden. [11] Es wird davon ausgegangen (ggf. tatsächlich beobachtet), dass die Kritikfähigkeit einzelner Personen in der Masse reduziert wird und die Masse als Einheit reagiert. Auch wenn Propaganda auch für den Einfluss von einzelnen Personen benutzt wird (bspw. in der Werbung), ihr Ziel ist i.d.R. große Teile der Gesellschaft (evtl. die ganze Gesellschaft) dazu zu bringen, den Interessen (was auch immer mit „Interessen“ gemeint werden kann) der Gruppen, die die Mittel für eine erfolgreiche Propaganda besitzen, zu dienen. Dabei wird keine physische Gewalt benutzt, wie es im Gegensatz oft der Fall in verschiedenen unterdrückenden Regimen war (und ist). Propaganda ist daher für totalitäre Systeme auch deshalb vorzuziehen, weil sie viel günstiger (auch finanziell gemeint) ist. [11] In diesem Sinne ist die Internalisierung von Werten und Glaubenssätzen, die u.A. von Paulo Freire beschrieben wird, auch das erwünschte Ergebnis der Propaganda. [12] Diese Internalisierung dient in seiner Beschreibung der Unterdrückung und der Vorbeugung von Widerstand. Diese Werte können jeden Bereich des Lebens betreffen. Daher wird in manchen Quellen [11, 13] vermerkt, auch wenn dies für manche als übertreibend erscheinen mag: Alles kann Propaganda sein, von der Information, die berichtet oder nicht berichtet wird, bis zur Art, wie diese Information verbreitet wird, vom Wortwahl und damit verbundenen Metaphern [14] bis zum Alltagsverhalten und was als selbstverständlich in einer Gesellschaft gilt (bspw. Konsumismus und Wegwerfgesellschaft, vgl. bspw. [6]). Wichtig ist allerdings hier, zwischen der Möglichkeit und der Tatsache zu unterscheiden. Alles kann Propaganda sein, bedeutet nicht, dass auch alles Propaganda ist. Dieser Satz führt zu einem Grundproblem unserer Zeiten: Wir können nicht wissen, was Propaganda ist (und was nicht Propaganda ist). Wie wir sehen werden, eine mögliche Reaktion zu dieser Problematik ist den epistemologischen Sätzen von Popper zu folgen. Ein weiterer Ausweg ist, immer die Grundfrage der Propaganda-Problematik zu stellen: Wem dient die Nachricht (oder die Sache allgemein)? Auf der anderen Seite bedeutet dies wieder nicht, dass die Interessen, die von der Nachricht (und allgemein der Sache) bedient werden, diese Nachricht tatsächlich absichtlich verbreitet haben. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist extrem schwer zu wissen, wenn nicht sogar unmöglich.
Bei der Propaganda spielt der Wahrheitsgehalt einer Nachricht/Sache geringere Rolle. Entscheidend ist die Wirkung. Wenn bspw. eine negative Nachricht über eine (aus welchem Grund auch immer) unerwünschte Person (oder Situation) verbreitet wird, ist es ziemlich egal, wenn diese Nachricht eine glatte Lüge ist. Die Wirksamkeit ist schon vorhanden und es ist extrem schwer, den schon vorhandenen (negativen) Eindruck wieder gut zu machen (vgl. [11]). Noch dazu: Wenn diese Lüge oft wiederholt wird, wird sie zu einem fast (ggf. ganz) unerschütterlichen Glaubenssatz (vgl. [11, 15]).
Wiederholung ist einer der Mechanismen, die auch in einem Buch [16] von Noam Chomsky beschrieben wird. Allerdings ist das Hauptthema dieses Buches nicht die Methoden der Propaganda sondern die Strukturen der Medien, die eben den Einfluss von bestimmten Gruppen oder Personen erlauben.
„Das Propagandamodell stellt fünf Filter dar, die in den modernen Massenmedien wirksam werden. Sie verändern das ursprüngliche Ereignis. Dazu gehört der Einfluss der marktbeherrschenden Medienkonzerne mit ihrem Profitinteresse, die Rücksicht auf Geschäftsinteressen der Werbekunden, die Nachrichtenagenturen, die politische und private Einflussnahme von außen auf die Medien, und die
ideologischen Scheuklappen wie etwa der Antikommunismus.“ [17]
Nach diesem Modell gibt es also Medienkonzerne, die den Markt beherrschen und die ggf. in enger Kontakt mit weiteren wirtschaftlichen Interessen sind, zumindest durch die Abhängigkeit von Werbung (wenn nicht auch durch gemeinsamen Eigentumsverhältnissen). Ähnliche Bedingungen und Verflechtungen gelten für die Nachrichtenagenturen (z.B. Reuters). Dazu gibt es eine Wechselwirkung mit den politischen staatlichen Strukturen: Politische Strukturen werden stark von Lobbyismus beeinflusst, manchmal stehen Personen in der Politik in engem Kontakt zu wirtschaftlichen Interessen; und die Journalisten sind von staatlichen Quellen stark abhängig.
Der Antikommunismus kommt hier vor, da die Analyse von Chomsky eben in der „anderen“ (vom „Kommunismus“) Seite gemacht wurde. In „Ostblock-“ („kommunistischen“) Staaten könnte dieses Wort gleich von „Antikapitalismus“ ersetzt werden (vgl. [11]).
Chomsky belegt seine Theorie mit zahlreichen tatsächlichen Beispielen, die seine Theorie bestätigen. Um andere Quellen zu benutzen, könnte man bspw. einen Bericht der österreichischen Arbeiterkammer über den Lobbyismus in EU lesen (bspw. [18]).
Die Analyse von Chomsky ist nicht neu. Chomsky arbeitet mit den Begriffen, die im Buch „Public Opinion“ (Deutsch: „Öffentliche Meinung“) von W. Lippmann 1922 [19] erschienen sind. Seitdem haben sich die Mechanismen der Propaganda weiter entwickelt, wie wir gleich sehen werden.
Methoden der Propaganda
In einem Buch von Henry Conserva werden mehr als 50 solche Methoden aufgelistet , die aus dem Buch von Henry Conserva „Propaganda Techniques“ stammen. Hier werden wir nur wenige davon etwas genauer und mit Beispielen beschreiben ([20] vgl. auch [11, 13] und jeweilige Bibliographie). Alle diese Methoden tragen auch zur von Paulo Freire analysierte Internalisierung der Unterdrückungs-Ideologie bei. [12]
Ad hominem. Die Person (statt der Inhalt des Arguments) wird kritisiert bzw. berücksichtigt. Ein harmloses, wenn nicht auch ganz genaues, Beispiel können wir im kleinen Prinz [21] finden: Der Wissenschaftler, der den Asteroid des Prinzen entdeckt hat, wird nicht geglaubt, wenn er einen traditionellen, sondern nur wenn er einen vornehmen westlichen Anzug an hat. Nicht also das Argument (die Entdeckung des Asteroiden, die Bilder, die Himmelskoordinaten usw.) sondern die Person (in diesem Fall sein Aussehen) wird berücksichtigt. Diese Technik wird heutzutage nicht gerade selten benutzt: Eine Person wird gesucht, die das Argument unterstützt und zu einer unerwünschte Gruppe gehört. Die unerwünschte Gruppe variiert je nach Ziel der Propaganda: für „linken“ sind dies bspw. die „rechten“ und die „Nazis“, für die „rechten“ die „Kommunisten“ und die „Gutmenschen“, für Christen die Muslime, für Muslime die Juden, für bestimmten Frauengruppen die Männer (allgemein oder insbesondere die „Machos“) und für bestimmten Männergruppen die Frauen, für alten die jungen und für jungen die Alten usw. ohne Ende… Wie absurd diese Art der Pseudoargumentation ist, kann folgendes Beispiel verdeutlichen: In der sogenannten „Korona-Zeit“ wurde immer wieder betont, dass gegen die Maßnahmen Drecksäcke wie Bolsonaro sind.1 Daher sollten wir für die Maßnahmen sein. Also wenn Bolsonaro besagt, dass die Erde rund ist (und dies besagt er meines Wissens tatsächlich), sollten wir behaupten, dass die Erde doch flach ist! Zu betonen: hier wird nicht die Richtigkeit der Maßnahmen eruiert, sondern die Art der Argumentation. Ein weiteres interessantes Beispiel, wie verdreht diese Methode sein kann, gibt es in der Sendung von der „Anstalt“ in ZDF am 3.2.2015 (eine Sendung, die kurz nach dem mörderischen Angriff auf Charlie-Hebdo veröffentlicht wurde). Dort wird gezeigt, dass völlig Menschenrechte-unterstützende Meinungen als „rechts-extreme“ abgestempelt werden: Ein AfD Abgeordnete hat damals gepostet, dass man eine ganze Religionsgemeinschaft (in diesem Fall Islam) nicht negativ bewerten kann, allein weil manche ihrer Mitglieder (die Hebdo Attentäter) Mörder (in diesem Fall) sind. Dieser ist ein logischer und vernünftiger Satz, der für Menschenrechte steht. Nun, jede politische Person, die diesem Satz zugestimmt hatte, wurde damals als AfD Unterstützer abgestempelt, allein weil ein AfD-ler dies gesagt hatte.
Eine psychologische Erklärung für den Erfolg dieser Methode könnte die Projektion der Angst sein. Es gibt Theorien, die Homophobie durch so eine Projektion erklären. Eine homophobe Person projiziert auf homosexuelle Personen ihre eigene Angst davor, selbst „homosexuelle“ oder „weibliche“ Merkmale aufzuzeigen, und versucht durch ihren Hass gegen solche Personen mit ihrer eigenen Angst umzugehen.[22] Genauso könnte es auch nicht nur mit „rechten“ oder „Machos“, die Homophobie oder Rassismus zeigen, sondern auch mit „linken“ sein, die möglicherweise Angst vor dem eigenen Rassismus (Faschismus usw.) haben und daher rassistische (usw.) Personen stark ausgrenzen und den Dialog (also einen der Grundsteine von Menschenrechten) ausschließen.
Unter- bzw. Übertreibung. Beide Phänomene können ohne große Bemühungen eines Propaganda-Mechanismus in der Alltag vorkommen. Oft werden bspw. in alltäglichen Diskussionen die Nebenwirkungen von Medikamenten sowohl unter- als auch übertrieben (je nach Haltung). Das ideale Verhalten in solchen Fällen ist, den Schaden-Nutzen Vergleich abzuwägen. Besonders Übertreibung ist Teil der Berichterstattung, da sie das Interesse an die Nachricht erhöhen kann. Ein relativ harmloses Beispiel: Es wird nicht berichtet, dass z.B. ein Schauspieler etwas gesagt hat, sondern dass er etwas aufgedeckt hat. Übertreibung hat also mit den sogenannten Sensansionalismus zu tun.
Wiederholung. Oft wird hier das in Deutschland sehr beliebtes Beispiel des Nationalsozialismus zitiert (in diesem Fall Goebbels, auch wenn er in diesem Fall evtl. falsch zitiert wird): Auch die ärgste Lüge wird glaubhaft, wenn sie oft genug wiederholt wird. Dieses ist auch ein Grundprinzip und eine Alltagserfahrung in der Werbung, die auch eine Form der Propaganda ist (vgl. [11, 13, 20]).
Agenda Setting. Die „herrschenden“ Medien entscheiden, worüber diskutiert wird. Chomsky gibt Beispiele aus der Einmischung (z.B. mit Diktaturen) von USA in der Politik von anderen Staaten. Ein Beispiel ist die Berichterstattung über Menschenrechtsverletzungen von zwei Gruppen während des „Bürgerkrieges“ in Nikaragua, Sadinistas und Contras. [23] Die Menschenrechtsverletzungen von Sadinistas (z.B. Ermordung von etwa 200 indigenen Zivilisten) wurde in den USA Medien stark betont, die von den Contras (von der CIA, also von USA, unterstützte Gruppe), also Ermordung und Folter von mehreren Tausenden Menschen, kaum erwähnt. Bei Agenda Setting ist oft sehr wichtig, was eben nicht erwähnt wird.
Kontextualisierung (Framing) und Cherry Picking. Framing bedeutet, eine bestimmte Information innerhalb eines so ausgewählten Rahmens zu präsentieren, dass eine von der Propaganda erwünschte Meinung ausgebildet wird. Ein einfaches Beispiel außerhalb des Propaganda-Bereichs ist die unterschiedliche Wahrnehmung der gleichen Farbe je nach Lichtquelle oder Hintergrund. Ein fiktives Beispiel aus dem Bereich der Propaganda wäre bspw., bei einer Umfrage über die Akzeptanz von Ausländern in Österreich erst eine Beschreibung der Kosten ihrer Aufenthalt zu präsentieren (und nicht etwa ihre Teilnahme in der Wirtschaft, besonders in Berufen, die von Österreicher*innen möglicherweise nicht als erstrebenswert gelten). Cherry Picking ist dem Framing sehr ähnlich, wenn nicht identisch. Es bedeutet, von einer Anzahl von Argumenten, diese zu wählen, die den Zielen der Propaganda dienen. Ein tatsächliches Beispiel ist die Auswahl und die Betonung (durch Einfluss der Tabakindustrie) auch in wissenschaftlichen Fachzeitschriften von Artikeln, die (teils angebliche) positive Wirkungen des Rauchens aufzeigten. [24] Weiteres (fiktive) Beispiele: An einer Demonstration, die aus welchem propagandistischen Grund auch immer unter „linken“ denunziert werden sollte, von den 10000 Demonstranten genau die 500 zu zeigen, die rechts-extreme sind; Um die Ausländer aus welchem Grund auch immer zu denunzieren, genau die Verbrechen zu zeigen, die von Ausländer begangen sind, ohne dabei den relativen Anteil (sowohl unter den Verbrechen als auch unten den Ausländer) zu erwähnen.
Dekontextualisierung. Dies ist etwa das Gegenteil von Framing. Bspw. wird ein Satz aus dem Kontext raus gerissen oder ein Teil eines Satzes ausgelassen, was zu sogar gegensätzliche Interpretation des Satzes führen kann. Ein einfaches (fiktives) Beispiel: Aus dem Satz „Ich finde nicht, dass Männer dumm sind“, das Wort „nicht“ bei einer Nachricht auslassen. Das klingt vielleicht übertrieben, das passiert.
Eine Kombination von Kontextualisierung und Dekontextualisierung kann auch in Umfragen problematisch sein. Wenn bspw. gefragt wird „Wie bewerten Sie die Dringlichkeit des Klimawandels?“, wird das Thema Klimawandel außer seinem Kontext gerissen (Wirtschaftssystem, das auf ewiges Wachstum orientiert ist, egal ob Kapitalismus, Kommunismus oder sonstiges) und wird die Umfrage innerhalb eines politischen Kontextes gebracht (für bestimmte Gruppen ist Klimawandel DAS Thema schlechthin, alle Meinungen, die nicht mit der Meinung dieser Gruppe übereinstimmen, werden als „Klimaleugnung“ kontextualisiert).
Appell an die Autorität. Eine Erklärung der Wirkung dieser Methode könnte sein, dass Menschen schon als Kinder sehr stark von Autoritätspersonen ( also i.d.R. den Eltern) abhängig sind und diesen vertrauen müssen. Ein Beispiel in dieser Richtung ist, dass Stalin oft als Vaterfigur dargestellt wurde. Der Appell an die Autorität, als Aussage von (angeblichen oder tatsächlichen) Experten, kommt auch bspw. in Werbungen vor.
Im Milgram-Experiment wurde gezeigt, dass auch ein relativ geringer Autoritätsdruck Personen dazu führen kann, andere Personen zu foltern (etwa in 100% der Personen) oder sogar zu töten (etwa 40% bis 100% der Personen, je nach Art des Experiments). [25] Im Experiment wird einer Versuchsperson V zwei andere Personen vorgestellt: die versuchsleitende Person L und eine weitere Person S, die zwar in der Wirklichkeit ein Schauspieler ist aber der Versuchsperson V als eine weitere Versuchsperson dargestellt wird. Also V glaubt, dass S auch eine Versuchsperson ist, genau wie V. Daher können wir sagen, dass Ausschluss-Mechanismen (also Rassismus-ähnliche Mechanismen), wie im Abschnitt „ad hominem“ beschrieben, keine Rolle spielen. Dem Verfasser dieser Arbeit ist es unbekannt, ob Experimente, wo V rassistisch (oder mit sonstigen Ausschluss-Mechanismen) gegenüber S angelegt ist, gemacht wurden. In etwa 100% der Fälle war V bereit einen (ziemlich schmerzhaften) Elektroschock der S auszuüben, angeblich um S beim Lernen von ein paar Wörter zu helfen (was das angebliche Ziel des Experiments war).
Ähnlich wie die Autorität wirkt auch der Gruppen-Druck. [26] Das Experiment von Solomon Asch hat gezeigt, dass mehr als 60% der Personen eine ganz offensichtliche Tatsache verneinen, wenn die Gruppe das gleiche macht. In diesem Experiment wurden 3 Striche gezeigt, wobei bspw. Strich B länger als A und C waren. Die Versuchsperson saß mit mehreren weiteren Personen W, die ihr Verhalten mit dem Versuchsleiter abgemacht hatten. Unter bestimmten Bedingungen haben mehr als 60% gesagt, dass A länger wäre, wenn die Personen W dies gemacht haben.
Verleumdung. In der Propaganda spielt es keine Rolle, ob die negative Nachricht über eine Person tatsächlich stimmt oder nicht. Die Wirkung ist das Wichtigste. Solang eine Person verleumdet bzw. denunziert wird, ist eine Wiedergutmachung nur teils, wenn überhaupt, möglich. Dies (auch in Kombination mit Agenda Setting) ist auch der Grund, warum das Beispiel in der Dekontextualisierung (Auslassen des Wortes „nicht“) erfolgreich sein kann: Es spielt keine Rolle, wie glatt die Lüge der verleumdenden Propaganda ist. Solang der Ruf der verleumdeten Person (auch gering) ruiniert wird, ist das Ziel erreicht und eine Umkehrung des Effekts nur teils oder gar nicht möglich. Agenda Setting kann hier auch eine Rolle spielen: Die Reaktion der verleumdeten Person und die Aufdeckung der Lüge der Propaganda gegen diese Person bekommt wenig bis gar nicht Aufmerksamkeit in der Medien.
Passivitäts-Erzeugung. Es gibt verschiedene Methoden, um die Empfänger passiv zu machen. Eine davon ist die Informationsüberflutung. Es ist zwar so, dass in unseren globalisierten Gesellschaften eine Informationsüberflutung fast unvermeidlich ist, es gibt allerdings auch Fälle, wo diese gezielt von Propaganda eingesetzt wird. Eine andere Methode, Empfänger zu zermürben, ist die Verbreitung irrationaler und widersprüchlicher Information und das Durchsetzen solcher Regeln in der Gesellschaft. Es gab vermutlich in dieser Richtung Experimente von Pawlow (vgl. [11]). Pawlow wurde wegen seines Experiments über die klassische Konditionierung bekannt: Wenn bei einem Hund z.B. eine Glocke vor der Gabe vom Futter läutet, wird nach eine Weile beim Hund Speichelfluss ausgelost allein mit der Glocke, auch wenn dann kein Futter kommt. Das Experiment hat man auch bei Menschen ausprobiert und festgestellt, dass Konditionierung auch bei Menschen funktionieren kann. Diese ist auch eine Methode der Propaganda. Hier aber geht es um die Passivitäts-Erzeugnung. Pawlow hat vermutlich auch weitere Experimente durchgeführt, und festgestellt, dass, wenn man bei einem konditionierten Hund, verwirrende Reize benutzt, der Hund nach einer Weile „gleichgültig“ wird und auf Reize gar nicht mehr reagiert. Vermutlich wurden solche Experimente auch bei Menschen mit ähnlichen Ergebnissen ausprobiert.
Sprachliche Verzerrung. Ein Beispiel ist, den Mord von Zivilisten als „Kollateralschaden“ (z.B. im Fall des US-Militär Angriffs in Afghanistan, Pakistan und Iran, vgl. [27]) und die Zerstückelung von Tausenden von Kindern unter 10 als „Recht auf Selbstschutz“ (im Fall des monatelangen Gegenangriffs von Israel auf Gaza, nach dem eintägigen Angriff von Hamas auf Israel) zu bezeichnen. Im letzten Fall können wir eine noch tiefere Verzerrung beobachten: Jede Person, die eben die Zerstückelung von Kindern als, sagen wir es so, problematisch bezeichnet, wird von der israelische Regierung als „antisemitisch“ bezeichnet. Dies betrifft sogar den Präsident von den Vereinten Nationen. [28]
Die Sprache allerdings funktioniert oft mit Metaphern und ein Verzerrung ist manchmal nicht mal notwendig, um ein propagandistisches Ziel zu erreichen. [14] Wenn wir für mehr nach oben zeigen und das viel mit positiven Konnotationen wahrnehmen, kann dies bspw. damit zu tun haben, dass, wenn wir durstig sind ein Glas mit Wasser ausfüllen, der Pegel des Wasser im Glas immer höher wir und wir schon genügend Wasser brauchen. Allerdings ist bspw. der Luftdruck weniger je höher wir sind und es gibt ja auch eine Grenze an der Menge des Wassers, das wir trinken können. Oben → mehr → gut ist also nicht unbedingt eine gültige Metapher. Ein anderes Beispiel: Wenn wir sagen „ich habe Recht“, konnotiert diese Aussage, dass eine Diskussion eher wie eine Konkurrenz angesehen wird und es darum geht, wer Recht hat. „Ich stimme zu“ zeigt hingegen eher, dass es um die Richtigkeit der Aussage geht. Ein Beispiel aus Propaganda: Einen militärischen Angriff als Sturm zu bezeichnen, gibt dem Angriff eine Natur-Nuance. Also der Angriff ist daher etwas „natürliches“. Besonders aufmerksam macht Susan Sontag auf die Gegenmetapher (die Kriegsmetapher bei anderer Bereichen anwenden, in diesem Fall bei Krankheiten anwenden, wie es bei AIDS gemacht wurde). [29] Die Krankheit wird in diesem Fall als „Feind“ bezeichnet und alle Mittel können dagegen benutzt werden, auch wenn diese letztendlich die Zerstörung des eigenen Volkes bedeuten könnte.
Angst erzeugen. In der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) [1] in Deutschland wird schon die Angst als Propagandamethode (in diesem Fall der Kriegspropaganda) erwähnt. Selbstverständlich ist diese Institution (genau so wie diese Arbeit hier und wie jede Information) kritisch zu betrachten, die Rolle der Angst in der Propaganda wird allerdings von mehreren Quellen bestätigt.
Die „Angst kann sich schnell in Wut wandeln und in Hass auf den vermeintlichen Feind umschlagen. Daher ist es äußerst wirksam, einen Zustand zu schaffen, in dem die Bedrohung von außen allgegenwärtig erscheint. Dies geschieht zum Beispiel durch die ständige Wiederholung der Größe der Gefahr und der Bedrohung durch den Feind.“
In der Seite von BPB wird auch ein Plakat der (was sonst) Nazi Zeit dargestellt, die vor der Gefahr des Bolschewismus warnt und die für die Kriegspropaganda der Nazis damals benutzt wurde. Wenn wir die Seite der BPB kritisch betrachten wollen, können wir uns nur fragen, wieso in der Seite nicht erwähnt wir, dass der Bolschewismus, genau wie der Nationalsozialismus, eine der ärgsten Formen der Diktatur war und daher tatsächlich (in dieser Form und nicht in der Form einer „idealen“ sozialistischen Gesellschaft, was das auch immer sein soll) eine Gefahr darstellte (wenn evtl. auch nicht so groß wie der Nationalsozialismus selbst). Genauso (aber in die Gegenrichtung) gab es vermutlich ein Propaganda gegen die Nazis in der Sowjetunion. Interessant ist auch, dass der Satz in der Einleitung („die einander in Gräueltaten und Absurdität konkurrierten“) hier von manchen Gruppen als „Gleichstellung“ von Nationalsozialismus und Stalinismus abgetan werden kann, weil ein Vergleich zwischen den beiden vorkommt und laut Meinung dieser Gruppen die Gräueltaten der Nazis mit keinen anderen verglichen werden darf. In diesem Sinne ist die Vergewaltigung und die Ermordung durch das Schlitzen der Bauch von schwangeren Frauen das absolute Böse, wenn dies von Nazis gemacht wird, aber ein „relatives“ Böse, wenn bspw. Kinder von Organhändler ermordet werden. [30] Solche Haltungen sind aus der Propaganda-Sicht auch problematisch, bspw. im Rahmen der Agenda-Setting. Eine Haltung, die möglicherweise in diesem Fall gegen Propaganda funktionieren könnte: Grausam ist grausam. Wer jetzt „grausamer“ ist, bei solchen Ausmaßen wie bei Nationalsozialismus und Stalinismus, ist irrelevant. Wenn man zwischen zwei oder mehrere grausamen Mörder den einen wählt, hat man immer noch einen grausamen Mörder gewählt. Wenn man den einen als das nicht mehr vergleichbare absolute Böse definiert, hat man die Grausamkeit des anderen schon relativiert. Ist das wirklich gut so? Menschen, die darauf aufmerksam machen, vorzuwerfen, dass sie die Verbrechen des Nationalsozialismus relativieren, und daher diese Menschen als rechts-extreme zu bezeichnet, könnte eben die Verbrechen von anderen relativieren. Um es aus propagandistischen Sicht auszudrücken: Rufmord, Cancel Culture, Bashing und Shitstorm können eindeutig angsterzeugende Mittel der Propaganda sein. Sie gehören eindeutig nicht zu einer sachlichen Diskussion, weil sie eben jede Diskussion ausschließen.
Angsterzeugung fehlt von der „gewöhnlichen“ Werbung auch nicht. Schockierende Bilder sind Thema von verschiedenen Werbekampagnen. Ein Beispiel könnte das Zeigen von sterbenden Kindern bei der Werbung von einem Produkt sein, wenn die Firma dieses Produktes ein (auch wenn so kleinen) Beitrag zu sogenannten „Hilfsprojekten“ in sogenannten „Entwicklungsländern“ leistet. [31]
Psychologische Methoden
Zu den Methoden der Propaganda trägt Wissen aus der Psychologie bei. Subliminale oder unbewusste Einflüsse wurden in Studien schon untersucht. Hier werden nur zwei Beispiele von mehr als 100 verschiedene Wege des Einflusses beschrieben.
Einfluss der Voreingenommenheit. Dieser kann sich in verschiedenen Wegen ausdrücken. Im hier konkret dargestellten Beispiel geht es um die nicht Beachtung des Fehlens einer Information, die für die Nachricht allerdings entscheidend ist. Als Amnesty International in Ukraine die dortige Regierung des Kriegsverbrechens schuldig gemacht hat, weil es mehrmals beobachtet wurde, dass die ukrainische Armee aus Krankenhäuser und andere Zivilgebäude Raketen geschossen hatte, konnte man in den deutschen Medien die Antwort des Präsidenten von Ukraine (Hr. Selenskyi) finden, der Amnesty International Verrat und Mitarbeit mit dem Gegner (mit der russischen Armee) vorgeworfen hatte. Die deutsche Regierung unterstützt die Aktionen von Hrn. Selenskyi. Die Titel der Zeitungen (vgl. [32]) waren etwa „Selenskyi ist wütend auf Amnesty“ oder ähnliches. In den Artikeln wurden die (nicht begründeten) Vorwürfe in der Antwort des Präsidenten vorgeführt. Es wurde allerdings nicht darauf hingewiesen, dass es keine Nachweise für diese Vorwürfe gab. Es wurde auch nicht darauf hingewiesen, dass der Präsident in seiner Antwort an keiner Stelle die Angaben von Amnesty verneint hatte. Leser*innen allerdings, die gegen die russische Armee voreingenommen waren, haben möglicherweise diese einfache Tatsache ignoriert. Sie haben möglicherweise nur gelesen, dass Amnesty International für Russland arbeitet und dass Ukraine kein Kriegsverbrechen begangen hat. Wir können selbstverständlich nicht wissen, ob dies Teil einer gezielte Propaganda ist. Mit objektiver Berichterstattung hat das allerdings eindeutig gar nichts zu tun.
Diese Art von Voreingenommenheit hat mit Doppelmoral zu tun. Diese Doppelmoral könnte man in einem Satz zusammenfassen: „Alles, was wir tun, ist gut, weil wir gut sind. Wenn unsere Gegner genau das Gleiche tun, dann ist das etwas Böses, weil unsere Gegner böse sind.“ In letztem Beispiel sollte man betonen, dass Amnesty mehrmals die Kriegsverbrechen der russischen Armee auch angeklagt hat.
Gruppenzuschreibung. Wir tendieren, die Merkmale eines Mitglieds einer Gruppe auf die ganze Gruppe zu übertragen und umgekehrt, die Entscheidungen einer Gruppe als Entscheidung jeden Mitglieds zu interpretieren. Ein Beispiel fürs Erstere haben wir schon im Teil „ad hominem“ gesehen. Wenn manche (ganz wenige) Muslime aus (nach diesen Muslimen so interpretierten) religiösen Gründen Menschen ermorden, tendieren wir die ganze muslimische Religion als mörderisch zu bezeichnen. Ein fiktives Beispiel fürs Zweite ist, wenn in einer Partei eine Entscheidung für Abkürzung der Pensionen mit 60% der Mitglieder entschieden wird, und dann gedacht wird, dass alle Mitglieder der Partei für Abkürzungen sind.
In diesem Bild können wir sehen, wie viele kognitive Verzerrungen es gibt. Das Bild kann man auf Englisch in Wikipedia finden:2
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_kognitiver_Verzerrungen
Wissenschaftstheorie und Mathematik
Im Teil „Appell an die Autorität“ haben wir gesehen, dass oft die Meinung von (von wem auch immer so ernannten oder tatsächlichen) Experten als Methode der Propaganda benutzt wird, auch bei wissenschaftlichen Themen. Hier werden wir sehen, dass dies die Grundlagen der Wissenschaft völlig widerspricht. Der Großteil dieses Kapitel basiert auf die Arbeiten von Karl Popper. [33]
Die Wissenschaft zu definieren ist kein leichtes Unterfangen. Zu sagen, dass die Wissenschaft Regelmäßigkeiten in der wahrgenommenen Welt zu finden versucht und ggf. (besonders, aber nicht nur, in der Physik) diese durch mathematische Gesetze zu beschreiben, ist relativ treffend. Diese Definition lässt die (evtl. unlösbare) Problematik der Definition der Wahrheit zumindest teils aus.3
In der so definierten Wissenschaft gehen wir von der wahrgenommenen Welt aus. Wir wissen letztendlich nicht, ob diese wahrgenommene Welt die „Wahre“ Welt ist. Wir lassen die Aussagen von manchen philosophischen Theorien oder Religionen oder von der mystischen Richtung grundsätzlich aller heutigen weit verbreiteten Religionen über die „Unwahrheit“ dieser Welt aus.
Die Grundlage der wissenschaftlichen Arbeit besteht nach der Wissenschaftstheorie von K. Popper aus drei Schritten: Beobachtung der Welt, Erklärungsversuch des Beobachteten und Experimentieren, Letzteres mit dem ausdrücklichen Ziel, den Erklärungsversuch zu widerlegen. Solang der Erklärungsversuch die Experimente durchsteht und von denen nicht widerlegt wird, akzeptieren wir ihn. Falls die Experimente ihn widerlegen, sollten wir erst überprüfen, ob die Experimente richtig durchgeführt wurden und, wenn dies der Fall ist, versuchen wir eine neue Erklärung zu formulieren.
Ein einfaches Beispiel dieses Vorgangs fängt mit der Beobachtung des freien Falls. Wenn wir ein Blatt Papier und einen Kugelschreiber gleichzeitig fallen lassen, fällt der Kugelschreiber schneller. Diese und ähnliche Beobachtungen führen zum ersten Erklärungsversuch, der fast bei allen Menschen immer der Gleiche ist: Der Kugelschreiber fällt schneller, weil er schwerer ist. Der dritter Schritt soll dann ein Experiment sein, mit dem ausgesprochen Ziel, diese Erklärung zu widerlegen. Was wäre das Gegenteil von unserer Erklärung? Dass leichtere Gegenstände schneller fallen. Können wir ein Experiment durchführen, bei dem dies tatsächlich geschieht? Tatsächlich ist dies möglich und in diesem Fall relativ leicht: Wir schneiden aus dem Blatt Papier ein kleines Stückchen ab, knüllen wir das Stückchen zusammen und lassen wir das große Papierblatt (nicht zusammengeknüllt) und das zusammengeknüllte Stückchen gleichzeitig fallen. Das Papierstückchen fällt schneller. Damit haben wir unseren Erklärungsversuch widerlegt.
Mit solchen und weiteren ähnlichen Versuchen haben wir das heute geltende Gravitationsgesetz entdeckt. Wir merken, dass zwei Grundmerkmale des Prozesses die Wiederholbarkeit und die Falsifizierbarkeit (die Möglichkeit, etwas zu widerlegen) sind. Es gibt Sachen, die, philosophisch gesehen, nicht widerlegbar sind. Ästhetische Fragen (was ist schön) gehören zu dieser Kategorie, genauso wie weitere philosophische Fragen. In der Wissenschaft sollte davon bewusst sein. Die Wissenschaft hat selbst axiomatische und philosophische Begründung und daher keinen Anspruch auf absolute Wahrheit. Ein Axiom der Wissenschaft ist die Intersubjektivität, also, dass es mehrere Subjekte mit separatem Bewusstsein gibt, die die gleiche (oder zumindest ähnliche) Wahrnehmung einer axiomatisch akzeptierten äußeren Realität aufweisen. Da Wissenschaft selbst axiomatisch ist, kann sie keinen Anspruch auf Fragen der Philosophie (und daher auch der Religion) haben. Was die Wiederholbarkeit betrifft, sollten die Thesen der Wissenschaft auch so ausgedrückt werden, dass für so viele Subjekte (also Personen) wie möglich verständlich und überprüfbar ist. Das Experiment mit der Gravitation kann ein Vorbild sein. Jede Person auf der Erde kann dieses wiederholen und die selben Erkenntnisse davon gewinnen. Wie wir (auch in einem folgenden Absatz) sehen können, ist Glauben an die Autorität mit Wissenschaft nicht vereinbar. Die Referenz auf Experten (als ob sie unfehlbar wären) mag ein erfolgreiche Methode der Propaganda sein, sollte aber in der Wissenschaft keinen Platz haben, auch wenn in ihrem Feld erfahrene Personen voll zu respektieren sind. In diesem Sinne ist es auch Teil der internalisierten Unterdrückung, wenn wir eine Person als überheblich bezeichnen, weil sie behauptet, sie könnte uns etwas erklären, was die (von wem auch immer so ernannten) Experten besagen, und die Experten nicht (weil sie ja sich auskennen). Also die Person, die glaubt, wir können etwas verstehen, weil wir die mentale Fähigkeit dazu haben, sollte überheblich sein, die Personen (die Experten) hingegen, die besagen, wir sollten uns auf sie verlassen, weil wir nicht mental fähig (also dumm) sind und die Sache nicht verstehen werden, sind nicht überheblich. Die Internalisierung der Unterdrückung besteht hier aus zumindest zwei Teile: Erstens ignorieren wir einen Grundsatz der Wissenschaft (sachliche Kritik, die möglichst von allen verständlich sein soll, egal von wem sie kommt) und zweitens unterwerfen wir uns der Autorität.
Propaganda macht die notwendige Überprüfbarkeit der Aussagen oft unmöglich. Nehmen wir ein Beispiel: Es wird behauptet, dass Hollywood Filme oft als Propaganda (für die „Interessen“ von „Eliten“ in USA und der USA Außenpolitik) funktionieren. [34] Diese Aussage könnte gegen Propaganda (von diesen „Eliten“) sein. Sie könnte allerdings auch Propaganda von anderen Gruppen gegen diese „Eliten“ sein. Ist die Aussage wahr oder nicht? Eine „zuverlässige“ Quelle zu zitieren, ist in diesem Fall völlig sinnlos. Ein endgültigen Beweis kann es i.d.R. nicht geben. Vielleicht stimmt sogar beides. Was wir dann machen können, ist die Filme zu beobachten und nachdenken, wem sie dienen. I.d.R. verherrlichen diese Filme tatsächlich die Außenpolitik von USA. Selbstverständlich kann aber diese Aussage als Vorwurf von möglichen fiktiven oder tatsächlichen Gegnern (z.B. Russland oder China) gegen USA ausgenutzt werden. Eine propaganda-bewusste Haltung sollte in diesem Fall beide Seiten beleuchten.
Bei der Ausübung der wissenschaftlichen Tätigkeit ist der Dialog notwendig. Für die Durchführung jeglichen Dialogs sind Grundprinzipien der Logik notwendig. Diese Prinzipien sind Axiome, wir können sie nicht beweisen. Sie sind allerdings absolut notwendig, um jeglichen Dialog durchführen zu können. Wir akzeptieren also diese Axiome intuitiv, aus dem einfachem Grund, dass wir ohne sie nicht kommunizieren können. Wir sehen also, dass, logisch gesehen, die Grundlage der Logik doch intuitiv ist. Tautologie ist ein Beispiel dafür. Wenn wir uns vereinbaren, eine gewisse Wahrnehmung des Auges auf Deutsch als die Farbe grün zu bezeichnen und eine Person die gleiche Wahrnehmung mal grün, mal rot, mal Teppich und mal Liebe bezeichnet, dann ist die Kommunikation nicht mehr möglich. Wir sehen also hier schon ein Merkmal der Wissenschaft, das gegen eine Methode der Propaganda wirkt (genauer gesagt: wirken soll), also gegen die Verzerrung der Sprache. Weitere Merkmale der Wissenschaft sind (genauer gesagt: sollten sein): Sachlichkeit, Kritik, Persistenz, Kreativität.
Sachlichkeit steht eng verbunden mit der kritischen Haltung. Mit Sachlichkeit ist nicht hier eine ruhige Haltung gemeint. Die Dialogen dürfen schon heftig sein. Sie dürfen allerdings nur die Sache selbst und ihre wissenschaftlichen Merkmale betreffen. In der Wissenschaft dürfen Bemerkungen wie „du kennst dich nicht aus“, „das ist faschistisch“, „das ist anarchistisch“, „das ist gegen unser Glauben“ oder ähnlich nicht vorkommen. Es geht nur darum, ob wir ein Experiment oder eine Analyse durchführen können, die zeigt, dass das Argument falsch ist, also von den in der Realität beobachteten Daten und Ereignissen widersprochen wird. Dies ist selbstverständlich auch mit einer ausreichenden Fehlerkultur verbunden. Die Person, die eine wissenschaftliche These präsentiert, sollte nicht nur nicht beleidigt sondern sogar auch froh sein, wenn Fehler in ihrer These aufgedeckt werden. Es geht nicht darum, wer Recht hat, sondern darum, was richtig ist.
In diesem Sinne ist die Haltung der heutigen Wissenschaft in Sache Begründung schon relativ problematisch. Begründung wird oft als „ausreichende“ Unterstützung von „verlässlichen“ Quellen betrachtet. In Wikipedia kann man schon feststellen, wie problematisch dies sein kann. Als „verlässliche“ werden eben die Quellen bezeichnet, die nach der Analyse von Chomsky und anderen Medien-Kritikern als extrem problematisch erwiesen wurden. Des Weiteren zeigt das Beispiel mit Rauchen [24] schon, dass wissenschaftliche Zeitschriften von Propaganda Mechanismen stark beeinflusst werden können (siehe Teil über Framing).
Mathematik könnte in diesem Sinne vorbildlich wirken. Es geht nicht darum, wer etwas gesagt hat. Es geht nur darum, ob wir nach bestimmten Regeln der Logik und auf bestimmten Axiomen basierend etwas ausreichend beweisen können. Das Verständnis der Funktionsweise eines mathematischen Beweises ist die Grundlage fürs Verständnis der Bedeutung der Sachlichkeit in der Wissenschaft. Mathematik ist zwar durch das Rechnen und die Beschäftigung mit geometrischen Figuren entstanden, ihre Hauptaufgabe allerdings bestehen darin, eben logische Beweise durchzuführen. Die Komplexität der Beweise kann von einer einfacheren intuitiven Form bis zu extrem langen und nur nach jahrelangem Studium verständlichen Formen variieren. Um die Funktionsweise eines Beweises zu verstehen, reichen allerdings relativ einfachere Formen durchaus aus. Wer einmal einen relativ einfacheren Beweis des Satzes von Pythagoras verstanden hat, kann schon verstehen, was sachlicher Dialog und Argument bedeutet. Ein Gegenbeispiel ist die Argumentation der katholischen Kirche der Aussage von Galileo gegenüber (das die Erde um die Sonne kreist). Sie bestand nämlich darin, Galileo wegen Beleidigung gegen die Kirche mit Verbrennung zu bedrohen, falls er nicht das Gleiche mit der Kirche besagte. Wer kann ja so einem sachlichen4 Argument widerstehen?
Bildung
Bildung wird oft als einer der Grundsteinen der Demokratie und nur durch die Demokratie ermöglicht beschrieben. „Demgegenüber hat die Demokratietheorie seit ihren Anfängen im 18. Jahrhundert betont, dass keine Demokratie ohne Bildung funktionieren könne.“ [35] Wenn dies tatsächlich so wäre, hätten gebildete Menschen zu autoritären Regimen nicht beigetragen. Grundwissen aus der Geschichte zeigt, dass dies nicht der Fall ist. Gebildete Personen haben zu solchen Regimen nicht nur durch Zwang sondern mit Begeisterung beigetragen. Die Rolle der (in unseren Gesellschaften oft ggf. zurecht so hoch geschätzten) Ärzten und der Krankenpflegerinnen bei der Schoah ist nur ein Beispiel dafür. [36]
Insbesondere im deutschsprachigen Raum können wir feststellen, wie problematisch die Tatsache ist, dass die Entnazifizierung nicht stattgefunden hat (und wie hätte sie stattfinden sollen, wenn so ein großer Teil der Bevölkerung mitgemacht hatte?). Ein Beispiel (zufällig im Internet gefunden) ist Julius Deussen:
„In der Zeit des Nationalsozialismus war er verantwortlich für die Ermordung von behinderten Kindern. … Von 1955 bis 1956 arbeitete er als Regierungsmedizinalrat beim Bayerischen Justizministerium. Von 1956 bis zu seiner Pensionierung 1966 war er als Psychiater bei der Bundeswehr tätig.“ [37, 38]
Auch wenn dies nur ein Beispiel einer gebildete Person ist, die, sagen wir es so, zur Demokratie (auch nach dem 2. Weltkrieg) nicht gerade beigetragen hat, ist es schon aussagekräftig.
Laut Lehrplan des offiziellen Schulsystems (auch in Österreich) ist die demokratische Bildung eine seiner Grundaufgaben ( vgl. [39], z.B. Grundsatz 6). Kritik kommt dann aus mehreren Seiten:
„Verschiedene Regime bzw. Herrschaftsformen haben sich des Geschichtsunterrichts bedient, um die eigene politische Legitimität zu untermauern oder aber, um bestimmte ideologische Wahrnehmungen der Welt bei der jungen Generation aufzubauen.“ [40]
„Der Philosoph Theodor W. Adorno (1903–1969) sprach von Allgemeinwissen als ‚Halbbildung‘, die unvermittelt und oberflächlich bleibe. Eine wirkliche Allgemeinbildung müsse dagegen auch die kritische Reflexion der gesellschaftlichen Zustände und der eigenen Lebenswirklichkeit vermitteln und auf Mündigkeit zielen. Dies ist allerdings auch darauf zurückzuführen, dass das Wissen, welches heutzutage existiert, übermäßig angestiegen ist und immer noch ansteigt, so dass Kapazitäten zuallererst für das für den Beruf nötige Wissen ‚reserviert‘ werden müssen.“ [41] (zitiert aus Wikipedia [42])
„Der US-amerikanische Entwicklungspsychologe Peter Gray bezeichnet die Schule mit ihrem Zwang zur unfreiwilligen Anwesenheit sinngemäß als Gefängnis.“ [43] (Zitiert in Wikipedia [44])
„Nicht Eltern, die gegen die Schulpflicht ihrer Kinder rebellieren, bedrohen unser Bildungssystem. Schule in ihrer jetzigen Form funktioniere einfach nicht mehr. … Ein allgemein akzeptiertes Beziehungsmuster, das andere Menschen zu Objekten degradiert, mache die Gesellschaft kaputt.“ [45]
Es ist allerdings nicht so, dass es nicht Schulsysteme gibt (wenn auch extrem selten), die das unvermittelte Üben der Demokratie als einer ihre Grundsteinen setzt. Summerhill ist eins davon. [46] In der Basisbildung kann man die Versuche von P. Freire [12] erwähnen. In beiden Fällen allerdings fehlt das unvermittelbare Üben gegen Propagandamethoden. Es gab allerdings zumindest einen Versuch, bei denen Wege, um zumindest die Unabhängigkeit der Autorität gegenüber zu entwickeln, untersucht wurden und die von der Arbeit von Freire inspiriert wurden. [47]
Alle Kinder und Jugendliche in Summerhill (die jüngsten sind etwa 6 Jahre alt, die ältesten etwa 18) und auch das Lehrpersonal nehmen mit gleichen Rechten in einem ständigen Prozess des Dialogs teil, der auf das „Konsens“-Prinzip basiert. [46] Die Diskussionen können heftig sein, schreien darf vorkommen, allerdings nicht Anschreien. Wut ist erlaubt, Traurigkeit auch, es wird allerdings gegen Hass und Aggression gearbeitet. Solidarität (echte) wird geübt. Nicht alle Themen werden diskutiert (allerdings vor allem deshalb, weil die Schule auch vom Staat kontrolliert und daher auch geschlossen werden kann, wenn bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllt werden; diese kommen daher nicht in Diskussion in den Versammlungen der Schule).
Es stellt sich die Frage, was das Ziel einer staatlichen Bildung ist, die theoretisches Wissen fordert, das in kürzerer Zeit nach Abschluss der Schule von fast allen Menschen großteils vergessen wird und das nur in den seltensten Fällen am Alltag tatsächlich benutzt wird. Was Informationsüberflutung wirken kann (egal ob absichtigte oder nicht), haben wir im Teil „Passivitäts-Erzeugung“ gesehen.
Demokratie
„Demokratie ist das System, wo das Volk frei wählen darf, was ihm die Eliten vorschreiben.“
„Demokratie ist das System, wo das Volk frei wählen darf, welche Knechte die Elite repräsentieren.“
Diese erfundene Sätze können illustrieren, wie problematisch das politische System in den „westlichen“ Länder sein kann. Sie zeigen die inneren Widersprüche des Systems auf. Dieses politische System ist eindeutig weniger repressiv als andere existierende Systeme. Die Tatsache, dass diese Arbeit geschrieben werden darf, ist ein Beweis dafür. Allerdings gibt es berechtigte Kritik:
„Eine Vorstellung von der Demokratie ist eine, wo das Öffentliche (das ‚Volk‘) die praktische Möglichkeit hat, in irgendeinem sinnvollen Weg bei der Verwaltung seiner eigenen Angelegenheiten und beim Zugang zur und Verbreitung von Information teilnehmen kann. Diese ist die Definition, die wir normalerweise in einem Wörterbuch finden. Eine alternative Beschreibung ist, dass das Volk von dieser Verwaltung von Angelegenheiten und Information ausgeschlossen und das Volk unter strengen Kontrolle (besonders, aber nicht nur, was die Bildung seine Meinung betrifft) gehalten wird. Das mag sich merkwürdig anhören, diese ist allerdings die läufige Form der sogenannten heutigen Demokratie.“
(Übersetzung von N.Chomsky: [48])
Selbstverständlich werden die herrschenden Medien solche Anmerkungen als „Verschwörungstheorien“ abtun. Dies ist eine weitere Methode der Propaganda (vgl. mit dem Teil „Ad Hominem“). Allein dass dieses System überhaupt Demokratie genannt wird und dass es einen „Demokratieindex“ gibt, der eben (als selbsterfüllend Prophezeiung) die „westlichen“ Systeme als (fast vollständig) demokratisch auswertet, könnte als Propagandamethode bezeichnet werden (vgl. mit dem Teil „sprachliche Verzerrung“). [49] Wir können letztendlich nicht wissen, welche Aussage tatsächlich stimmt. In der Tat haben wir in westlichen Systemen mehr Freiheiten und genießen mehr gesetzlichen Schutz. Andererseits ist es zumindest fraglich, ob diese Systeme dieser Definition der Demokratie hier weit genug entsprechen. Was dem Gesetz betrifft: Paulo Freire erwähnt schon, dass ein Grund, warum er sein Jura-Studium verlassen hat, war seine Feststellung, dass das Gesetz- und Justiz-System bestimmten wirtschaftlichen „Eliten“ dient. [12]
Das politische System kann nicht unabhängig vom Wirtschaftssystem betrachtet werden. In einem System (egal ob „Realkommunismus“ oder „Kapitalismus“), wo Ausbeutung (von Menschen und Natur) die Regel (genauer gesagt: ein Grundprinzip) darstellt, ist Demokratie (wie im ersten Teil der Aussage von Chomsky definiert) unvorstellbar. Es geht also nicht darum, „das beste System unter den existierenden“ zu wählen, sondern herauszufinden, wie wir näher zur tatsächlichen Demokratie kommen können, falls Demokratie als System tatsächlich erwünscht ist. Bei der Definition von Chomsky fehlt allerdings ein wichtiges Element: Menschenrechte.
Die verschiedenen Ausprägungen von Menschenrechtskonventionen erwähnen Teilrechte (wie das Recht auf freie Meinung, Religion, Gesundheit, Bildung, Eigentum) und die Unversehrtheit der Person, was bspw. als Verbot von Folter ausgedrückt wird. Zusammengefasst können wir diese Rechte in einem (moralischen) Satz ausdrücken: „Führe ein angenehmes Leben ohne andere (und die Natur) auszubeuten“. Es geht letztendlich um die Liebe zu sich selbst, zu den anderen, zur Natur.
Propaganda und Mathematik
Wie wir schon gesehen haben, kann Propaganda so funktionieren, dass Demokratie nur als Scheinbegriff für autoritäre bzw. totalitäre Regime ausgenutzt werden kann. Wie schon gezeigt, ist Bildung (auch in ihrer jetzigen Form) keine ausreichende Voraussetzung, um gegen Propaganda und für Demokratie und Menschenrechte zu wirken. Hier werden Beispiele gebracht, die diese These untermauern und die die Notwendigkeit der popperianischen Prinzipien der Wissenschaftstheorie für die Demokratie aufzeigen. Für einen Teil davon sind mathematische Kenntnisse der 11.-12. Schulstufe (im deutschsprachigen Raum) notwendig, für den Rest Kenntnisse des Pflichtschulabschlusses (7. Schulstufe).
Es gibt zahlreiche andere Beispiele, um beim Stoff der Basisbildung zu bleiben und eine andere Thematik aufzugreifen. Hier wird noch eins erwähnt (das mit der Herkunft des Schreibenden zu tun hat). Im Jahr 2013 gab es eine Untersuchung über die Vermögensverteilung von einer EU Institution. [58] In den Zeitungen könnte man Titel finden, die besagten, etwa dass „Österreicher“ den „Südländern“ Geld geben, obwohl die „Südländer“ reicher seien. (vgl. bspw. [59]) Eine einfache Kontrolle der Daten (in den Zeitungen) könnte aufzeigen, wie irreführend diese Aussage war. Der Durchschnitt des Vermögens lag in Deutschland und Österreich vergleichbar hoch, wie in den Südländern. Der Median in Österreich (und in Deutschland) allerdings lag in allen Fällen ziemlich niedriger. Mit solchen Daten kann man nicht behaupten, dass die „Südländer“ „reicher“ sind. Sie belegen eher, dass die Vermögensverteilung in Österreich (und in Deutschland) ausgeprägt ungleichmäßig ist (in Vergleich zu den „Südländer“).
In all diesen Fällen kann man selbstverständlich nicht wissen, ob tatsächlich Propagandamechanismen in Spiel sind. Es gibt keinen eindeutigen Beweis dafür. Von objektiven Journalismus sind allerdings solche Nachrichten weit, wirklich weit entfernt. Sie ähneln Nachrichten, die man zahlreich in „rechts-populistischen“ Zeitungen über Ausländer finden kann und die Ausländerfeindlichkeit unterstützen. Hier wird allerdings das Problem angesprochen, das schon in der Einleitung angesprochen wurde. In Zeiten der Propaganda kann man nicht mehr wissen, was wirklich Propaganda ist und was nicht. Der Wahrheitsgehalt der Aussagen ist in einer Propaganda-Optik von geringerer Bedeutung. Ein Mechanismus der Propaganda ist ja auch, alles was nicht der Propaganda-Narrative passt, als Falschinformation zu bezeichnen und abzutun. Keine Propaganda-Stelle besagt, dass sie Propaganda betreibt. Propaganda-Institutionen behaupten sogar in der Regel, dass ihr Ziel gegen Propaganda zu wirken ist. Bildung hilft in der Regel nicht. Personen, die über die notwendigen Kenntnisse verfügen und die Informationen überprüfen könnten, tun dies i.d.R. schlicht und einfach nicht. Es stellt sich also die Frage, was wir tun können, wenn wir uns für Demokratie und Menschenrechte einsetzen wollen.
Ein paar wegweisenden Beispiele in der Basisbildung werden wir im nächsten Kapitel (Propaganda, Mathematik und Basisbildung) sehen. Hier werden wir kurz das Thema von der Seite „Propaganda und Lehrpersonal“ erörtern.
Propaganda und Lehrpersonal
In dieser Arbeit wurde bisher eine Grundthese zumindest angedeutet: Für eine funktionierende Demokratie sind die Grundthesen der popperianischen Wissenschaftstheorie von entscheidender Bedeutung. Falsifizierbarkeit und Falsifikation sind Teile einer sachlichen kritischen Haltung. Es ist dem Schreibenden unbekannt, ob es Studien über einer verachtenden Haltung des Lehrpersonals gibt. Lehrpersonal, das einen gewissen Bereich studiert hat, spricht (nach persönlicher Erfahrung des Schreibenden) verachtend über Lernenden, die eben in diesem Bereich Lernschwierigkeiten (die manchmal auch mit der fehlenden Motivation zu tun haben) aufweisen, obwohl dieses Personal eben in anderen Bereichen extreme Schwierigkeiten selbst aufweist. Wissenschaftler sprechen manchmal missachtend über Haltungen, die ihrer Kenntnissen nicht passen. Es wird bspw. pauschal negativ über Astrologie gesprochen. In der Tat gibt es Studien, die zeigen, dass astrologische „Voraussagen“ ziemlich unzutreffend sind. [60] Dies aber bedeutet nicht, dass eine Verbindung bspw. zwischen Geburtsdatum und Beziehungen gefunden werden kann (der allerdings vielleicht auch einer anderen Erklärung als die Sternzeichen bedarf). Pauschal etwas zu verwerfen, allein weil es der herrschenden wissenschaftlichen Meinung nicht passt, ist keine wissenschaftliche Haltung.
Ein anderes Beispiel wären Personen, die immer noch besagen, dass die Erde flach sei. Es gibt selbstverständlich ausreichende Argumente dagegen. Die Personen allerdings, die so was glauben, zu verachten, ist keine wissenschaftliche Haltung. Besonders für Lehrpersonen wäre es zielführender sich zu fragen, welche Argumente die Personen mit diesem Glauben benutzen. Es wird bspw. argumentiert, dass die Erde nur flach sein kann, weil sonst die Gegenstände fallen würden. Kann es sein, dass etwas in der Modellbildung bei der Erklärung problematisch ist? Tatsächlich benutzen wir bei der Darstellung der Erde einen Globus, der immer den Norden „oben“ und den Süden „unten“ hat und der keine Zentralkräfte modelliert. Tatsächlich, wird jeder Gegenstand fallen, wenn wir diesen auf den Globus stellen. Anstatt Personen zu verachten, wäre es nicht vielleicht besser, unsere Lehrmethoden zu entwickeln? Anstatt rassistische, sexistische, fundamentalistische usw. Personen zu hassen oder verachten und den für die Demokratie und die Wissenschaft absolut notwendigen sachlichen Dialog auszuschließen -einen Dialog, der auf Glaubenssätze verzichtet, alles in Frage stellt und nie absolut sicher ist-, wäre es nicht besser, wenn wir als Lehrpersonal unsere Haltung ändern und mehr zuhören und argumentieren und diese Haltung auch beibringen? Als Vertreter der Wissenschaft, wäre es nicht besser, die Grenzen unseres Wissens und die philosophischen Grundlagen zu erkennen?
Was den letzten Punkt betrifft:
• Es gibt Personen und Religionen, die die wahrgenommenen Welt als „Scheinwelt“ betrachten. Es gibt dann Wissenschaftler, die besagen, dass dies nicht stimmen kann. Als Argument sagen sie, dass eine Person, die behauptet, dass die wahrgenommene Welt eine Scheinwelt sei, sollte bspw. vom 10. Stock eines Gebäudes springen. Dann wird sie sterben und „feststellen“, dass unsere Welt keine Scheinwelt ist. Dieses Argument ist allerdings logisch gesehen ungültig. Der Tod kann u.A. als der Bereich definiert werden, zu dem wir mit unseren Wahrnehmungen keinen Zugang haben. Wir haben nur Glauben und keine intersubjektive Kenntnisse aus der wahrgenommenen Welt darüber, was nach dem Tod passiert. Wenn wir etwas wüssten, wäre dies nicht mehr Teil von dem, was wir als Tod definieren. Daher können wir nicht wissen, ob die Person, die stirbt, nach dem Tod außerhalb unserer Wahrnehmung weiter existiert. Daher können wir auch nicht wissen, ob die wahrgenommene Welt eine Scheinwelt ist.
• Wie an einer anderen Stelle schon erwähnt: Mathematik und jeglicher Dialog basieren auf Axiome. Diese Axiome akzeptieren wir intuitiv. Intuition steht vor Logik, auch wenn Logik notwendig ist, um einen Dialog durchzuführen.
• Die Aussage „Wissenschaft kann alles erklären“ ist ein Glaubenssatz. Wir wissen nicht, ob Wissenschaft alles erklären kann, auch wenn wir akzeptieren, dass die wahrgenommene Welt die wahre Welt ist. Der heutige Stand bspw., was die Zusammensetzung des Universums betrifft, ist, dass mehr als 70% des „Stoffes“, woraus das Universum besteht, uns unbekannt ist. Auch wenn wir irgendwann herauszufinden, was dunkle Materie und dunkle Energie ist (was durchaus möglich ist), können wir nicht wissen, welche neue Fragen dann wieder entstehen werden. Wissenschaft ist nie (absolut) sicher.
Propaganda, Mathematik und Basisbildung
Wir haben bisher die Problematik analysiert, die am Treffpunkt von Propaganda, Mathematik (und Wissenschaftstheorie), Demokratie und Bildung entsteht. Wir haben auch kurz über Lösungsmöglichkeiten gesprochen, die das Lehrpersonal betreffen. Hier werden wir ein paar Beispiele sehen, die die Basisbildung direkt betreffen.
• Ein Beispiel haben wir schon erwähnt. Es geht um eine Art von Deframing, nämlich den Vergleich von absoluten Zahlen ohne jeglichen Rahmen. Es gibt einen Witz aus der Zeit der griechischen Diktatur zu diesem Thema:
Der Diktator von China (Bevölkerung etwa 800 Millionen damals) und der Diktator von Griechenland (Bevölkerung etwa 8 Millionen damals) sprechen miteinander über die Anzahl der Diktaturgegner in ihren Ländern. „Bei uns sind sie extrem wenig“, sagt der Chinese. „Etwa 8 Millionen“. Und der Grieche: „bei uns sind sie genau so wenig!“
In China wären das etwa 1% der Bevölkerung, in Griechenland etwa die ganze Population (100%). Der Unterschied ist massiv.
• Ähnlich zu diesem Beispiel verhält es sich, wenn wir über Erhöhung oder Verminderung einer Eigenschaft reden (z.B. von Arbeitslosigkeit oder Todesfälle von einer bestimmten Krankheit). Wenn man hört, dass die Arbeitslosigkeit sich verdreifacht hat (oder sich um 200% erhöht hat), klingt dies schon sehr alarmierend. Wenn allerdings nur 1 von 1000 Personen arbeitslos waren und jetzt eben 3 von 1000, klingt es völlig anders. Wenn aber 300 pro 1000 statt 100 pro 1000 arbeitslos sind, dann haben wir ein ernsthaftes Problem. Bei Krankheiten und Todesfälle können wir einen Schritt weiter machen. Wenn von einer Krankheit statt bisher 0,05% der Bevölkerung 0,2% in einem Jahr stirbt, aber die gesamte Mortalität der Bevölkerung und das Todesalter etwa gleich bei 1% bzw. bei 82 Jahre bleiben, dann ist es ziemlich wahrscheinlicher, dass wir schlicht und einfach die Todesursache unbenannt haben.
• Ein weiteres Beispiel, das oft in Büchern über Propaganda und Mathematik erwähnt wird und zu den vorherigen Beispielen relevant ist (vgl. bspw. [61]), ist eine Art von Framing, nämlich die Anpassung von Diagrammen, besonders der y-Achse. Eine 2% bis 5% Änderung sieht viel intensiver aus, wenn wir nur 10% des gesamten Bereichs der y-Achse benutzen (siehe folgende Bilder). Solche Darstellungen sind zwar oft hilfreich, bspw. um Änderung klarer zu machen, werden aber oft misshandelt.
• Ein weiteres Beispiel aus dem Bereich der Statistik und der Prozentrechnung zeigt die Bedeutung der Auswahl der Themen auf und betrifft die Verteilung von Einkommen, Sprachen usw. auf der ganzen Welt (Appendix II, a und b). Interessanterweise wird dieses Beispiel als Teil des Geographieunterrichts angeboten. Was die Verteilung des Einkommens betrifft, ist der Unterschied zwischen den beiden Versionen schon aussagekräftig: 2008 bekamen 21% der Weltbevölkerung 80% des Einkommens, 2020 nur 10% sogar 90% davon. Die Kombination mit weiterem Material kann verschiedene Themas zum Thema Propaganda zusammenbringen. In diesem Beispiel könnte man auch eine Karikatur zeigen, mit einer reichen Person (die i.d.R. auch die herrschenden Medien kontrolliert), einer armen und einer ausländischen Person an einem Tisch mit 10 Keksen. Die reiche Person nimmt 9 davon und sagt der armen: „Pass auf! Der Ausländer wird deinen Keks wegnehmen!“
• Fast jede Thematik, hier z.B. aus der Globalisierung, der Vermögensverteilung, der globalen Armut usw., kann man in fast jeden Bereich der Mathematik einschließen. Ein paar Beispiele kann man im vom schreibenden erstellten online Buch Mathematrix:
→ In einem Dorf in Indien mit 24 Bewohnern reicht das vorhandene Wasser für noch 14 Tage aus. Eine Familie mit 8 Glieder verlässt das Dorf, um ihr Glück irgendwo anders zu finden. Für wie viele Tage insgesamt reicht dann das vorhandene Wasser aus? [62]
→ In einem Staat mit ca. 9,702 Millionen EinwohnerInnen und 1,32 Milliarden € Vermögen haben
• 99 Menschen 4/15 des Vermögens ("Multimillionäre"),
• noch 2640 Menschen 10/33 des Vermögens ("Millionäre"),
• noch 3,528 Millionen Menschen des Vermögens (Mittelschicht),
• und die restlichen Menschen den Rest des Vermögens ("der Rest").
Wie viel Vermögen hat jede Gruppe? [63]
Die entscheidende Frage ist immer: Welche Werte wollen wir vermitteln?
Hier wurden Beispiele gegeben, die direkt mit dem Mathematik zu tun haben. Solche Beispiele reichen für eine Bildung, die einen Schutz Propaganda-Mechanismen entwickelt, eindeutig nicht. Es bedarf auch einer moralischen Bildung und einer Bildung über die psychologische Mechanismen und die Methoden der Propaganda. Man kann bspw. ein Video zeigen, wo das Experiment von Solomon Ash (siehe Teil „Appell an die Autorität“) angesprochen wird und eine falsche Behauptung über die Länge der Linien als „selbstverständlich richtig“ dargestellt wird. Die erlebte Wirkung der Propaganda und der Psychologie in uns soll ein wesentlicher Teil einer „Propaganda-Schutz-Bildung“ sein. Einen Kompass könnte uns das Netzwerk „Friedenskooperative“ in Deutschland geben [64]:
Was die moralische Bildung betrifft, ist es nach dem Milgram Experiment berechtigt zu fragen, ob es für Menschen überhaupt die Möglichkeit gibt, Autorität und Brutalität zu widerstehen. Auch wenn es zahlreiche Beispiele von Empathie, humanitärem Widerstand und kritischer Haltung aus der Geschichte gibt, sind erst einmal wegweisende Versuche und Kenntnisse notwendig, die uns zeigen würden, wie wir diese Eigenschaften bei Menschen entwickeln können. Auch wenn es einerseits anthropologische Studien gibt, die zeigen, dass Aggression, Mord und Krieg teil der soziale Struktur sind (vgl. [65, 66]), gibt es genauso Hinweise auf den Weg der Zugabe, des Friedens und der Einfühlsamkeit (vgl. [67, 68, 69]). Eine französische Psychoanalytikerin, die sich besonders mit dem Totalitarismus beschäftigt, erwähnt drei persönliche Merkmale, die gegen Totalitarismus wirken können: Bindung zur Natur und zur Handarbeit, Überwindung der Angst vor dem Tod, Erfahrung mit Totalitarismus. [70] Wenn dies stimmt, dann können wir in unserer Bildung diese drei Zielen anstreben (das dritte selbstverständlich nur durch Beispiele). Wie wir so was machen können, übersteigt bei weitem den Rahmen dieser Arbeit und sprengt auch die Rahmen, die in Grundtexten über politische Bildung wie der Beutelsbacher Konsens und die Frankfurter Erklärung vorkommen. [71, 72]
In dieser Arbeit wurden zwei Begriffe erwähnt, die hier in Verbindung gebracht werden können: Empathie und Ungleichmäßigkeit der Vermögensverteilung. Es sieht so aus, dass Menschen, die etwas nicht selbst erlebt haben (oder verdrängt haben), Schwierigkeiten haben, dieses etwas zu verstehen. In der Philosophie geht man so weit, dass man hinterfragt, ob wir überhaupt die anderen wirklich verstehen können. In dieser Hinsicht können wir uns vorstellen, dass reiche Menschen nicht mal verstehen können, was es bedeutet, arm zu sein, Folterer nicht, was es bedeutet, gefoltert zu werden usw. Die Frage also der Empathie ist grundsätzlich, nicht nur für die Basisbildung aber für die ganze Gesellschaft. Es geht hier nicht um Schuldzuweisung (bspw. die Reichen, die Rechten, die Anarchisten, die Extremisten, die Fundamentalisten oder wer auch immer sind die Schuldigen), sondern um eine Systemanalyse die zur Erhöhung des Glücklichseins für alle führen kann. Das ständige Hinterfragen nach dem popperianischen Prinzipien sollte die Basis eines solchen Anstrebens sein. Um die Empathie zu erhöhen wäre die folgende Idee von Debatten vielleicht Zielführend: Gruppen, die unterschiedliche Meinungen vertreten, können ihre Argumente darstellen. Jede Gruppe kann dann ihre Meinung ausdrücken, welche Argumente sie sachlich und welche nicht sachlich findet und dies begründen. Am Ende allerdings sollte jede Gruppe die Argumente der anderen Gruppe zu verteidigen zu versuchen.
Noch eine wichtige Anmerkung:
Viele Institutionen, die auf Propaganda aufmerksam machen, betreiben selbst Propaganda. Ein Beispiel ist das Buch von Georgalas, das hier als Bibliographie benutzt wurde. Dieses Buch macht extreme Propaganda gegen Kommunismus, auf die Erfahrungen von Georgalas eben in kommunistischen Regimen basierend. Viel später wurde Georgalas bewusst, dass die politische Seite, die er in diesem Buch verteidigt hatte, nicht unbedingt weniger grausam ist und nicht unbedingt weniger propagandistisch (vgl. [73]). Auch wenn die Information über Propaganda und auch Gegeninformation vorhanden sind: Totalitarismus nutzt jede Aussage in seinem Sinne aus. Es wird daher gebeten, diese Arbeit hier auch aus propagandistischer Sicht zu betrachten. Die Grundhaltung sollte bleiben: Alles sachlich in Frage zu stellen, also auch diese Arbeit und die ganze darin erwähnten Informationen und sich nach humanitären, demokratischen und dialogfördernden Werte zu orientieren. Es gibt in vielen Werken die Neigung, immer Quellen zu erwähnen und diese als gültig anzuerkennen. In einer wissenschaftstheoretischen Sicht ist so eine Haltung schlicht und einfach daneben. In einer propagandistischen Zeit gibt es keine Quelle, die (absolut oder etwas weniger) vertrauenswürdig ist. Sachliche Kritik, Dialog und Kontemplation sind die Grundsteine für einen Weg zur Demokratie und Menschenrechte. Jegliche Aussage sollte widerlegbar sein und der Kritik offen bleiben.8
Als Abschluss wird hier eine (ironische) Aussage, die vermutlich S. Freud über die Bücherverbrennung während der Nazi-Zeit geäußert hat: „Die Zivilisation macht doch Fortschritte. Früher haben sie ja auch die Schriftsteller verbrannt.“
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Bibliographie
1. Vgl. https://www.bpb.de/themen/medien-journalismus/krieg-in-den-medien/130699/methoden-der-kriegspropaganda/ (2011, abgerufen am 12.07.24)
2. Vgl. Norman M. Naimark: Stalin und der Genozid. Berlin: Suhrkamp; 2010.
3. Jürgen Maaß: Optionen der politischen Bildung in Mathematik. In: Ammerer, H., Krammer, R. & Tanzer, U. (Hrsg.). Politisches Lernen. Innsbruck: Studien Verlag; 2010 (S. 122-3).
4. Herbert Mehrtens: Mathematik als Wissenschaft und Schulfach im NS-Staat. In „Schule und Unterricht im Dritten Reich“ (Hgb. Dithmar, Schmitz)
5. Carolin J. Hinzmann: Mathematikschulbücher im Nationalsozialismus. In: GDM-Mitteilungen 87; 2009.
6. Margarete Stokowski: Untenrum frei. Hamburg: Rowohlt; 2016
7. Gilles Deleuze: Woran erkennt man den Strukturalismus? Berlin: Merve Verlag; 1992
8. Segal S.L.: Mathematics and German Politics: The national Socialist Experience. In: Historia Mathematica 13; 1986, S. 118-135
9. Vgl. Rudolf Carnap - Arend Heyting - John von Neumann: Die logizistische – intuitionistische - formalistische Grundlegung der Mathematik. Erkenntnis 2; 1931. S 91–121
10. https://www.duden.de/rechtschreibung/Propaganda (abgerufen am 8.7.24)
11. Γεώργιος Γεωργαλάς: Προπαγάνδα. Αθήνα: Υπουργείο Δημόσιας Τάξης; 1967 (Offizielles Buch der griechischen Diktatur zwischen 1967-1974 für die Ausbildung von Polizei und Militär in Propaganda Themen)
12. Paulo Freire: Pädagogik der Unterdrückten (Bildung als Praxis der Freiheit). Hamburg: Rowohlt; 1973
13. Άρης Χατζηστεφάνου: Προπαγάνδα και παραπληροφόρηση. Αθήνα: Εκδόσεις Τόπος; 2022
14. George Lakoff, Elisabeth Wehling: Auf leisen Sohlen ins Gehirn (Politische Sprache und ihre heimliche Macht). Heidelberg: Carl-Auer-Verlag; 2014
15. C. Hackett Renner: Validity effect. In: R. F. Pohl (Hrsg.): Cognitive illusions. Hove, UK: Psychology Press, 2004, S. 201–213
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Appendix I
Die erste der folgenden Seiten ist die Version der Aufgabe über Verteilung verschiedener Merkmale auf der Erde aus dem Jahr 2007, die zweite aus dem Jahr 2020.
Links:
V. 2007: https://baustein.dgb-bwt.de/PDF/C9-WeltAlsDorf.pdf (abgerufen am 11.7.24)
V. 2020: https://bne-sachsen.de/app/uploads/2020/04/Die-Welt-als-Dorf_2020.pdf (abgerufen am 11.7.24)