Atommodelle: Wellenmechanisches Atommodell
Dieses Atommodell beschreibt den Atomzustand durch mathematische Funktionen quantitativ. Die Elektronen stellen sich in dem Modell als Verteilungsfunktionen dar, die erst einmal wenig mit klassisch anschaulichen Größen wie Ort und Geschwindigkeit zu tun haben. Die Funktionen eignen sich dazu, Wahrscheinlichkeitsaussagen zu machen, wo man etwa ein Elektron finden würde, wenn man eine Messung durchführen würde, wenn das Atom eine bestimmte Energie hat, es sich in einem bestimmten Energieniveau befindet. Das Atom kann sich in verschiedenen Energieniveaus befinden, woraus sich dann jeweils eine andere Verteilung der Elektronen ergibt. Der Zustand mit niedrigster Energie ist der Grundzustand. Daraus ergeben sich dann anschauliche Vorstellungen von sogenannten Orbitalen für die jeweiligen Energieniveaus, Bereiche mit der größten Aufenthaltswahrscheinlichkeit.
Das Modell entstand durch Forschungsergebnisse von Heisenberg, Born, Schrödinger und anderen. Experimentelle Grundlage ist die Wellennatur des Elektrons und der Welle-Teilchen-Dualismus. Das Modell ist in der Lage, Beobachtungen aus dem Bereich der Spektroskopie von Atomen und Molekülen und der Physik atomarer und molekularer Stoßprozesse und der Chemie präzise zu beschreiben.
Um quantitative Aussagen über Atome oder Moleküle zu machen, wird dabei von der Schrödingergleichung ausgegangen, welche im Rahmen der Quantenmechanik ode allgemeiner Quantentheorie das Verhalten von Elektronen und Kernen eines Atoms oder Moleküls einschließlich der Wechselwirkung mit Licht korrekt beschreibt, in dem Sinne, daß Meßergebnisse korrekt vorhergesagt werden können.
Die Schrödingergleichung kann im Bedarfsfalle auch durch Störungsrechnung relativistische Effekte berücksichtigen, so daß in der Praxis damit sehr genaue Ergebnisse erzielt werden können. Ein übergeordnetes Modell, welches Quantenmechanik und Relativitätstheorie gemeinsam korrekt beschreibt, ist seit Jahrzehnten Gegenstand der Forschung in der Physik. Während es Modelle gibt, die die Spezielle Relativitätstheorie berücksichtigen können, konnte ein vereinheitlichtes Modell von Quantentheorie und Allgemeiner Relativitätstheorie bislang noch nicht realisiert werden, weswegen die Quantentheorie (mit Störungsrechnung) die bislang präziseste Beschreibung von Atomen und Molekülen ermöglicht. Effekte der Speziellen Relativitätstheorie sind relevant bei schweren Kernen, sehr präziser Berechnung von Eigenenergien oder auch bei relativistischen Geschwindigkeiten von mehreren Teilchen zueinander. Die Berücksichtigung der Allgemeinen Relativitätstheorie zusammen mit der Quantentheorie ist hingegen nur bei extremen Ereignissen in der Astrophysik relevant, etwa bei Schwarzen Löchern oder bei Modellen für die ersten Momente des Urknalls. Für heute gängige Umgebungen wie die Physik und Chemie in kosmischen Gasnebeln, Sternen oder Planeten ist hingegen die Schödingergleichung ein hinreichend gutes Modell.
Zur Bestimmung von Eigenzuständen und Eigenenergien (letzteres sind zumeist die relevanten Meßgrößen im Experiment, die ein Atom oder Molekül beschreiben) ist entsprechend die Verteilung der Elektronenhülle um den oder die Kerne zu lösen. Dies ergibt bekannte, meist schwierig analytisch zu lösende Differentialgleichungen, die daher zumeist numerisch gelöst werden.
Weil bei einem Molekül mindestens zwei sich meist langsam gegeneinander bewegende Kerne beteiligt sind, ist das Problem komplizierter als bei einem Atom mit nur einem Kern und der Elektronenhülle. Die Bewegung der Kerne relativ zueinander ist meist langsam verglichen mit der Bewegung Elektronen, daher wird meist mit der Born-Oppenheimer-Näherung gerechnet, bei der das Problem der Elektronenverteilung bei festgehaltenen Kernkonstellationen numerisch gelöst wird. So ergeben sich dann Potentialkurven oder -flächen, welche die Eigenenergien des Systems mit Variation der Kernkonstellation darstellen. Mit diesem Themenbereich beschäftigt sich die Quantenchemie.
Bewegen sich die Kerne relativ zueinander, etwa bei Schwingungen oder Stößen, so liegt ein zeitabhängiges Problem vor. Entweder ist dann die zeitabhängige Schrödingergleichung zu lösen oder die aus der Quantenchemie resultierenden Potentiale werden verwendet, um Dynamikrechnungen durchzuführen. Dabei muß die Dynamikrechnung für präzise Ergebnisse die in der Quantenchemie vorgenommene Born-Oppenheimer-Näherung rückgängig machen. Auch die Wechselwirkung mit Licht, etwa die Anregung der Elektronenhülle in einen anderen Zustand erfordert weitere Berechnungen, bei denen zumeist solche Potentiale verwendet werden. Je nachdem, ob es sich um kontinuierliches oder gepulstes Licht handelt, kann es dann verschiedene Verfahren geben, um innerhalb des Modelles ein Problem numerisch zu lösen.
Ausgehend von diesem quantitativ korrekten Modell kann es neben der Born-Oppenheimer-Näherung weitere Näherungen geben, die das Verhalten von Atomen und Molekülen anschaulicher machen, welche dann aber quantitativ weniger präzise sind oder auch nur qualitative Schätzungen zulassen, die dann letztlich durch genauere Rechnungen und Experimente geleitet werden müssen.
Zum Beispiel kann es bei einfachen Stoßprozessen reichen, für die Bewegung der Kerne klassische Bahnen anzunehmen. Im Rahmen der Chemie sind auch anschauliche Modelle üblich, die qualitativ brauchbar erklären können, wie sich in Molekülen die Atome anordnen. Diese einfachen anschaulichen Modelle reichen allerdings nicht, um das Verhalten von unbekannten Molekülen vorherzusagen. Selbst die quantitativen Rechnungen auf Basis der Born-Oppenheimer-Näherung reichen meist nicht aus, um Stoßprozesse oder chemische Reaktionen präzise zu beschreiben. Zumeist sind dafür die mit der Quantenchemie gewonnenen Potentialkurven noch an experimentelle Beobachtungen anzupassen. Aufgrund der Komplexität von Stoßprozessen oder gar chemischen Reaktionen, bei denen mehr als zwei Kerne beteiligt sind, sind auch dort die quantenmechanischen Dynamikrechnungen nicht einfach, weswegen auch dabei weitere Näherungen notwendig sind, um das Problem mit den Möglichkeiten heutiger Computer zu berechnen, was wiederum Ungenauigkeiten verursacht, welche meist wieder eine Anpassung an experimentelle Beobachtungen erfordert.
Trotz der praktischen Probleme, kompliziertere Systeme von Atomen numerisch mit dem Computer zu lösen, kann die Schrödingergleichung, die das Problem korrekt beschreibt, immer exakt hingeschrieben werden. Das Problem besteht also mehr in der praktischen mathematischen/numerischen Lösung der Gleichung für das jeweilige System und ist kein Problem des Modelles oder der Schrödingergleichung selbst.
Oft zu sehen sind Orbitale des Wasserstoffes - ein Proton als Kern und ein Elektron in verschiedenen Zuständen (Orbitalen). Daraus wird ein Orbitalmodell entwickelt. Zu beachten dabei ist, daß diese Orbitale so nur für exakt dieses Problem so aussehen, als ein Kern und ein Elektron drumherum und sonst nichts. Die Anwesenheit anderer Elektronen oder gar anderer Atome in der näheren Umgebung wird natürlich Einfluß auf den Zustand oder das Orbital haben, denn die geladenen Elektronen üben ja Kräfte aufeinander aus. Strenggenommen ist für solch eine Kombination also eine andere, kompliziertere Schrödingergleichung zu lösen, um auf die korrekten Orbitale zu kommen. Die Orbitale für ein einzelnes Elektron sind in solchen Modellen von größeren Atomen oder gar Molekülen also nur für die Anschauung und qualitative Abschätzungen brauchbar und ersetzen keine quantitative Berechnung des eigentlichen Atoms oder Moleküls.