Astronomische Berechnungen für Amateure/ Kalender/ Historische Anmerkungen

Altertum

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Die Beschäftigung mit Astronomie und die Berechnung astronomischer Ereignisse war lange Zeit kein Selbstzweck, sondern Grundlage für Religion und Kalenderwesen. In alten Kulturen waren die Priester oft Astronomen und damit auch die Kalendermacher. In der Kombination dieser Ämter erreichten sie grossen gesellschaftlich-politischen Einfluss, denn die Ereignisse am Himmel beeinflussten sowohl das Leben des Einzelnen als auch das Schicksal der Gemeinschaft. Die Astrologie, die das Geschick auf der Erde mit den Ereignissen am Himmel in Verbindung brachte, wurde in Mesopotamien geboren. Durch lange Beobachtungsreihen erreichten die mesopotamischen Astronomen eine auch heute noch überraschend genaue Kenntnis verschiedener Perioden. So sollen sie z.B. im 4. Jahrhundert v. Chr. die Länge des synodischen Monats mit 29.530594 d angegeben haben – wir rechnen heute mit dem Wert 29.530589 d, was einem Unterschied von etwa 0.4 Sekunden entspricht! Die Einteilung des Tierkreises in die zwölf bekannten Sternbilder geht ebenfalls auf sie zurück.

Viele Errungenschaften des Kalenders gehen auf die Mesopotamier zurück, sind aber über den Umweg über die Juden oder Griechen, von da zu den Römern und schliesslich zu uns überliefert worden. Dazu gehört u.a. die 12(24)- sowie die 60(3600)-Einteilung und die Zusammenfassung von 7 Tagen zu einer Woche. Immer wieder kann man lesen, diese Einteilung habe mit den Mondphasen zu tun: jeweils von Neumond bis Erstes Viertel, dann bis Vollmond, bis Letztes Viertel, und wieder bis Neumond sind es 29.5 Tage / 4 = 7.375 Tage. Bedenkt man allerdings, mit welcher Genauigkeit sie den dem kalendarischen Monat zugrunde liegenden synodischen Monat gekannt haben, dann ist diese Erklärung wenig überzeugend: bereits die Mesopotamier kannten den Ausgleich von 29 und 30 Tagen, um die Monatslänge den Mondphasen anzupassen, sowie die Schaltung ganzer Monate, um Mond- und Sonnenjahr anzugleichen. Kurz: wo es ihnen darauf ankam, konnten sie sehr wohl eine Anpassung ihrer Kalendervorschriften an die himmlischen Gegebenheiten vornehmen. Anfänglich geschahen diese Anpassungen pragmatisch, aufgrund von Beobachtungen. Später waren sie sogar in der Lage, die Anpassungen zum voraus zu berechnen. Sie nahmen Anpassungen vor, wo die Abweichungen sehr viel geringer waren. Es ist aber nicht bekannt, dass bei der Wocheneinteilung je Schalttage eingeführt worden wären, um sie dem Mondlauf anzupassen.

Diese Feststellungen lassen den Schluss zu, dass nicht die periodisch wiederkehrenden Mondphasen, die nur sehr grob 7 Tage dauern, am Ursprung der Wocheneinteilung liegen. Eine wahrscheinlichere Lösung zeigen die Namen der Wochentage. Sie stammen zwar aus römischer Zeit und sind im Deutschen zusätzlich germanisiert, aber das zugrunde liegende Bezeichnungssystem ist älter und stammt aus Mesopotamien:

Wochentagsbezeichnungen in verschiedenen Sprachen
Sprache Sonntag Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag
lat. dies Solis (Dominica) dies Lunae dies Martis dies Mercurii dies Iovis dies Veneris dies Saturni
ital. domenica lunedì martedì mercoledì giovedì venerdì sabato
franz. dimanche lundi mardi mercredi jeudi vendredi samedi
engl. sunday monday tuesday wednesday thursday friday saturday
dt. Sonntag Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag
hebr. (Tag) 1 (Tag) 2 (Tag) 3 (Tag) 4 (Tag) 5 (Tag) 6 Sabbat
islam. (Tag) 1 (Tag) 2 (Tag) 3 (Tag) 4 (Tag) 5 Tag der Versammlung Sabat

Die lateinischen Bezeichnungen zeigen den Ursprung: es sind die Namen der 7 im antiken, geozentrischen Weltbild bekannten Wandelsterne („Planeten“), die gleichzeitig Gottheiten waren. Bei der Übernahme ins Deutsche bzw. Englische wurden gewisse Gleichsetzungen von römischen mit germanischen Gottheiten vorgenommen: Mars und T(h)iu/Tyr/Ziu[1] wurden gleichgesetzt, Merkur und Wotan (nur engl.), Jupiter und Donar/Thor sowie Venus und Freya/Frigga. Für den Samstag hat sich in den meisten Sprachen die jüdische Bezeichnung Sab(b)at durchgesetzt, auch Samstag und samedi sind davon abgeleitet. Für den Sonntag hat sich bereits in Rom unter dem Einfluss der Christen die Bezeichnung dies Dominica („Tag des Herrn“) durchgesetzt, die (heidnischen) Germanen blieben beim Tag der Sonne. Interessant ist der deutsche Mittwoch, weil er zeigt, dass lange Zeit die Woche mit dem Sonntag begann[2] – nur dann ist der Mittwoch die Mitte der Woche.

 
Die 7 Planetengötter ergeben als Herrscher über die erste Tagesstunde die Tagesnamen

Die Reihenfolge der Wochentage lässt sich wie folgt erklären: in alter Zeit war jeder Tagesstunde eine der 7 Planetengottheiten als „Stundenherrscherin“ zugeordnet, wobei der Reihe nach von aussen nach innen verfahren wurde: die 1. Stunde des 1. Tages wurde von Saturn beherrscht[3], die 2. Stunde von Jupiter, die 3. Stunde von Mars, die 4. von Sol, die 5. von Venus, die 6. von Merkur, und die 7. von Luna. Dann begann es wieder von vorne mit der Regentschaft: die 8., 15. und 22. Stunde des 1. Tages wurden von Saturn beherrscht, die 9., 16. und 23. Stunde von Jupiter, usw. Mit der 25. Stunde begann die Regentschaft von Sol, gleichzeitig aber auch der nächste Tag. Nach diesem Schema findet man die Reihenfolge Saturn – Sol – Luna – Mars – Merkur – Jupiter – Venus für diejenige Gottheit, die jeweils die erste Stunde eines Tages regiert. In der grafischen Darstellung ergibt sich ein siebenzackiger Stern. Danach beginnt die Reihenfolge von vorne. Die Gottheit, die die erste Stunde regiert, ist gleichzeitig die Tagesregentin und leiht ihm so ihren Namen. Das erklärt die ungewöhnliche Reihenfolge der Tagesnamen, aber auch, warum die Abfolge der Wochentage soweit überblickbar nie unterbrochen wurde.

Im Gegensatz zu den Wochentagsnamen haben sich die römischen Monatsnamen gehalten, auch ihre Länge wurde im wesentlichen beibehalten. Caesar führte abwechselnd Monatslängen von 30 und 31 Tagen ein. Eine Ausnahme bildete der Februar, der in Gemeinjahren 29 Tage und in Schaltjahren 30 Tage umfasste. Später wurde der siebte Monat – bisher Quintilis geheissen – zu Ehren Caesars in Iulius (Juli) umbenannt, da er in diesem Monat geboren wurde. Zu Ehren von Kaiser Augustus wurde der achte Monat (bis dato Sextilis geheissen) in August umbenannt. Gleichzeitig wurde er auf 31 Tage verlängert, wobei der benötigte Tag dem Februar weggenommen wurde, und gleichzeitig musste in den folgenden Monaten die Reihenfolge von 30 und 31 Tagen umgestellt werden. Sonst wären plötzlich drei Monate zu 31 Tagen unmittelbar aufeinander gefolgt. Seither hat der Februar in Gemeinjahren nur noch 28 Tage und in Schaltjahren 29 Tage. Als der September nach Kaiser Tiberius, dem Nachfolger von Augustus, umbenannt werden sollte, lehnte dieser mit der Frage ab: „Was ist dann mit dem dreizehnten Caesar?“

Ursprünglich wurden die Monate im römischen Kalender ab dem März gezählt. Daran erinnern noch heute die Monatsnamen Quintilis (der fünfte), Sextilis (der sechste), September (der siebte), Oktober (der achte), November (der neunte) und Dezember (der zehnte): ab dem fünften, später ab dem siebten Monat wurden sie einfach durchgezählt bis Zehn. Die übrigen Monatsnamen haben einen Bezug zu Göttern oder speziellen Handlungen: Januar zum doppelgesichtigen Gott Janus; März zum Kriegsgott Mars; Mai zum Frühlings- und Wachstumsgott Iupiter Maius; Juni zur Göttermutter Juno. Der Februar leitet sich ab vom lateinischen Verb februare (= reinigen); der Name bezieht sich auf ein römisches Reinigungsfest. Die Herkunft von April ist nicht eindeutig geklärt: es könnte sich vom Verb aperire = öffnen (der Knospen) ableiten, andere postulieren einen Bezug zur griechischen Göttin Aphrodite. Die Verlegung des Jahresanfangs auf den Anfang des Monats Januar geschah bereits im Jahr 153 v. Chr., da am 1. Januar die römischen Konsuln ihr Amt antraten.


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Gregorianische Reform

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Verschiedentlich sind bereits im 15. Jahrhundert Vorschläge für eine Reform des julianischen Kalenders gemacht worden, u.a. durch Nikolaus von Kues (1401 – 1464), Regiomontanus (1436 – 1476) und Nikolaus Kopernikus (1473 – 1543). Diese Vorschläge wurden aber abgelehnt. Papst Gregor XIII. setzte eine Reformkommission ein, in der u.a. der Arzt und Astronom Aloisius Lilius (1510? – 1576) und der Jesuit und Mathematiker Christoph Clavius (1537 oder 1538 – 1612) Einsitz hatten. Die Reformvorschläge stammten im wesentlichen von Lilius, Clavius setzte sie mathematisch um. Obschon Lilius mitten in der Reformarbeit verstarb, konnte Clavius die Reformarbeit zu Ende führen.

Die Kalenderreform von Papst Gregor XIII. kam zum falschen Zeitpunkt oder von der falschen Stelle, obschon unvorstellbar ist, wer denn sonst die Autorität für eine solche Aufgabe hätte haben können. Jedoch kurz nach der Reformation, mitten in der einsetzenden Gegenreformation, waren die evangelischen Länder nicht bereit, sich der Reform aus Rom zu unterwerfen. Nur die Länder Spanien, Portugal, Polen und teilweise Italien setzten die Reform, die der Papst in der Bulle Inter gravissimas am 24. Februar 1582 dekretiert hatte, zum vorgesehenen Zeitpunkt Oktober 1582 um. Diesen Zeitpunkt wählte der Papst übrigens, weil damit der Heiligenkalender am wenigsten gestört wurde. Die meisten katholischen Länder folgten im Laufe von 1583 oder 1584. Die evangelischen Länder folgten erst 1700 oder 1701, England 1752 und Schweden 1753. Die Silvesterkläuse in Appenzell sind noch heute nach dem julianischen Kalender, dh. am 13. Januar, unterwegs. Doch die Jahrzehnte zweier unterschiedlicher, nebeneinander existierender Kalender waren eher mühsam: grenzüberschreitende Dokumente mussten mit zwei Daten versehen werden; der Handel war stark behindert, da im einen oder anderen Teil fast immer ein Feiertag gefeiert wurde. Daten in dieser Zeit müssen immer genau überprüft werden, nach welchem Kalender ihre Angabe erfolgt. Heute ist dieser Kalender aber kaum mehr angefeindet. Das letzte Land, das den gregorianischen Kalender einführte, war im Jahr 1949 China.

In einem Punkt hat die Reform ihr Ziel nicht ganz erreicht: in den kommenden Jahren wird der astronomisch präzise Frühlingsbeginn mehrheitlich nicht wie von der Reform angestrebt am 21. März stattfinden, sondern am 19. oder 20. März.


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Neuere Entwicklungen

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In der Zeit der französischen Revolution gab es mit dem Revolutionskalender den bisher letzten, ernsthaften Versuch, einen anderen als den gregorianischen Kalender zu etablieren. Doch bereits 1806 kehrte das napoleonische Frankreich wieder zum gregorianischen Kalender zurück.

Die orthodoxen Länder – allen voran die slawischen Länder – blieben beim julianischen Kalender. Ende des 19. Jahrhunderts setzte eine intensive Diskussion ein, ob diese Länder auch zum gregorianischen Kalender wechseln sollten. Die Diskussionen wurden durch den Ausbruch des 1. Weltkrieges unterbrochen. So begann die sowjetische Oktoberrevolution in Petrograd nach julianischem Kalender am 25. Oktober 1917, nach gregorianischem Kalender aber am 7. November 1917. Lenin führte 1918 den gregorianischen Kalender ein. Während der Regierungszeit von Stalin wurde von 1929 bis 1940 ein sowjetischer Revolutionskalender eingeführt, doch 1940 kehrte die Sowjetunion zum gregorianischen Kalender zurück. Von da an wurden bis zu ihrem Ende die Feiern zur sowjetischen Oktoberrevolution am 7. November gefeiert.

Während also die sowjetische Zivilgesellschaft den gregorianischen Kalender übernahm, blieb die russisch-orthodoxe Kirche bis zum heutigen Tag beim julianischen Kalender. So sind denn zwischen den gregorianischen Daten von Kirchenfesten in der Westkirche und den entsprechenden Daten der russisch-orthodoxen Festen die 13 Tage Differenz (20./21. Jahrhundert) zwischen den beiden Kalendern zu beachten. Das orthodoxe Weihnachtsfest wird beispielsweise in Russland am 7. Januar (= 25. Dezember nach julianischem Kalender) gefeiert. Wichtig ist auch, dass das Osterfest im julianischen Kalender nach den Regeln des Konzils zu Nicäa und den Präzisierungen von Dionysius Exiguus (dh. ohne die Modifikationen der gregorianischen Reform) berechnet wird (vgl. das Kapitel „Festkalender“). Darum weichen orthodoxe und westliche Ostern im allgemeinen voneinander ab.

Die griechisch-orthodoxe Kirche übernahm 1924 einen eigenen, vom serbischen Astronomen und Mathematiker Milutin Milanković (1879 – 1958) entwickelten Kalender, der als neo-julianisch bezeichnet wird. Seine wesentlichen Elemente:

  • im Jahr 1924 wurde durch einen Sprung vom 9. März auf den 23. März der Kalender wie bei der gregorianischen Reform der astronomischen Wirklichkeit angepasst
  • die Schaltregel besteht wie im gregorianischen Kalender aus zwei Teilen:
  • ist die Jahrzahl ohne Rest durch 4 teilbar, aber kein Säkularjahr, dann ist es ein Schaltjahr (Regel analog der gregorianischen Reform)
  • Säkularjahre sind keine Schaltjahre, es sei denn, bei der Division durch 900 ergibt sich der Rest 200 oder 600, dann sind sie doch Schaltjahre

Dieser Kalender umfasst in der Zeit von 900 Jahren 900 ∙ 365 + 225 – 9 + 2 Tage = 328 718 Tage, was eine durchschnittliche Länge von 365.24222 Tage ergibt. Die Abweichung zum tropischen Jahr beträgt nur noch 0.000032 Tage, was sich erst nach etwas mehr als 31 000 Jahren zu einem Tag aufsummieren wird. Bis ins Jahr 2799 stimmen der neo-julianische und der gregorianische Kalender überein: 2000 und 2400 sind in beiden Kalendern Schaltjahre, 2800 nur im gregorianischen, 2900 nur im neo-julianischen Kalender.

Um keine Diskrepanz zwischen griechischer und russischer Kirche beim höchsten Fest der orthodoxen Kirchen, dem Osterfest, zu provozieren, wird aber auch in der griechisch-orthodoxen Kirche Ostern nach dem julianischen Kalender bestimmt.

Immer wieder werden Gespräche geführt, um den östlichen und den westlichen Kalender einander anzugleichen. Diskussionsthemen sind einerseits die Schaltregeln, andererseits die Regel zur Bestimmung des Osterdatums. Bei letzterem sind – damit nicht eine der Religionsgemeinschaften nachgeben muss – im wesentlichen zwei Vorschläge im Gespräch: Festlegung des Osterdatums nach den astronomischen Ereignissen (was allerdings in den meisten Fällen ein Osterdatum nach gregorianischem Kalender bedeuten würde), oder ein halbfixes Datum, z.B. zweiter Sonntag im April. Bei dieser Regel könnte nicht mehr ausgeschlossen werden, dass Ostern und Passah gelegentlich am gleichen Tag gefeiert wird. Nicht alle Kirchenvertreter sind bereit, diesen Umstand zu akzeptieren. Vorläufig ist nicht abzusehen, dass eine Einigung in den divergierenden Punkten erreicht werden könnte.


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Nachweise:

  1. Man beachte: Zischtig im Alemannischen
  2. Die USA beginnen ihre Woche noch heute am Sonntag.
  3. Wir benutzen der Einfachheit halber die lateinischen Namen.