Astronomische Berechnungen für Amateure/ Himmelsmechanik/ Keplergleichung

Die Position eines Planeten P bezüglich der Sonne S auf seiner Bahnellipse NPC wird durch den Abstand r und den Winkel v bezogen auf die Perihelrichtung SN beschrieben. Der Winkel v heisst wahre Anomalie. Der Abstand r berechnet sich nach dem voranstehenden Kapitel mit einer der folgenden Formeln[1]:


Wenn es gelingt, die wahre Anomalie v als Funktion der Zeit zu bestimmen, dann ist die Aufgabe der Positionsbestimmung für die Planeten gelöst. Prinzipiell liegt der Schlüssel zur Lösung im zweiten Keplergesetz. Doch ist es nicht so einfach, dies konkret in eine Rechnung umzusetzen. Man behilft sich wie folgt mit einer Hilfskonstruktion:

Zur Herleitung der Keplergleichung

In der nebenstehenden Abbildung bezeichnet S die Lage der Sonne im einen Brennpunkt der Bahnellipse NPC (blau); P den Ort des Planeten auf seiner Bahn zu einem bestimmten Zeitpunkt; N ist die Lage des Perihels; v die wahre Anomalie zum Zeitpunkt t; ist die grosse und ist die kleine Halbachse der Bahnellipse, ist die Periheldistanz. Man konstruiert nun einen Hilfskreis NHGD mit Zentrum Z und Radius a. Auf diesem Kreis läuft ein virtueller Planet gleichmässig, seine Umlaufzeit ist gleich gross wie diejenige des Planeten. Wenn beide Körper gleichzeitig im Perihel N starten, erreichen sie es nach der Umlaufzeit T auch wieder gleichzeitig. Wie man leicht überlegt, gehen beide Körper auch gleichzeitig durch das Aphel. Zwischen Perihel und Aphel eilt der Planet P dem Hilfskörper H voraus, zwischen Aphel und Perihel eilt der Hilfskörper H dem Planeten voraus. Die Position des Planeten P wird durch die wahre Anomalie v beschrieben, diejenige des Hilfskörpers H durch die mittlere Anomalie M. Wegen der gleichförmigen Bewegung von H gilt für M im Bogenmass:


t0 bezeichnet den Zeitpunkt des Periheldurchganges. Die Ellipsenfläche AEll verhält sich zur Kreisfläche AK wie folgt


Wird die Position von P parallel zur Nebenachse auf den Hilfskreis projiziert, so erhält man die Position G. Seine Lage wird bezüglich des Zentrums Z durch die exzentrische Anomalie E beschrieben. Wegen der Affinität gilt


Dieses Verhältnis weisen auch die Teilflächen PSN bzw. GSN auf:


Das projizierte Hilfsobjekt G und das mittlere Hilfsobjekt H überstreichen nach Konstruktion in gleichen Zeiträumen die gleichen Flächen:


Für die Fläche AHZN (sie ist der Teil an der gesamten Kreisfläche, der proportional zu M ist) gilt, analog für AGZN:



Die Fläche AGZN zerlegen wir:


AGZS ist eine Dreiecksfläche und berechnet sich zu ½ mal Grundlinie mal Höhe. Damit finden wir:


Und daraus schliesslich:

 


Diese Gleichung nennt man die Keplergleichung. Achtung: in der Herleitung haben wir vorausgesetzt, dass die Winkel im Bogenmass gegeben sind. Ist M bekannt, so lässt sich mit der Keplergleichung E berechnen. Ist E berechnet, findet man damit die wahre Anomalie v über folgende Beziehung:


Die Keplergleichung ist eine transzendente Gleichung, ihre Lösung daher nicht in geschlossener Form möglich. Im nächsten Kapitel werden wir auf Lösungsverfahren eingehen. Zu beachten ist, dass wir die Keplergleichung unmittelbar aus dem zweiten Keplergesetz und den Eigenschaften von Ellipsen hergeleitet haben.


Übungen


  • Die obenstehende Grafik wurde mit folgenden Daten gezeichnet: a = 17 cm, b = 9.5 cm; . Berechnen Sie daraus (sozusagen „rückwärts“) alle weiteren Elemente der Abbildung: e, yP, , q, yG, v, E, M und die Flächeninhalte APSN, AHZN und AGZN.
  • Als Vorbereitung auf weitere Übungen in den folgenden Kapiteln sei diese Übung gedacht: im einfachsten kopernikanischen Modell laufen die Planeten auf Kreisbahnen gleichförmig um die Sonne. Der Merkur braucht für einen Umlauf um die Sonne rund 88 Tage. Berechnen Sie die Position des Planeten in Abständen von 11 Tagen unter dieser vereinfachten kopernikanischen Annahme. Seine grosse Bahnhalbachse misst a = 0.387 AE. Berechnen Sie die Koordinaten in einem rechtwinkligen Koordinatensystem, das seinen Ursprung im Zentrum des Kreises hat.



Nachweis:

  1. Beachten Sie die Anmerkung zu den Symbolen e und ε im vorangehenden Kapitel.