Astronomische Berechnungen für Amateure/ Druckversion/ Sphärische Astronomie, Positionsastronomie
Orientierung
BearbeitenWir projizieren alle Himmelskörper – Sonne, Planeten, Monde, Kometen, Sterne, Nebel und Galaxien – auf die Himmelskugel. Dabei handelt es sich um eine Kugel mit unendlichem Radius, deren Zentrum entweder der Beobachter auf der Erde (topozentrisch), der Erdmittelpunkt (geozentrisch), der Sonnenmittelpunkt (heliozentrisch) oder der Schwerpunkt eines Systems (baryzentrisch, meist des Systems Erde – Mond oder des Sonnensystems) sein kann.
Die Rotation der Erde um ihre eigene Achse nehmen wir topozentrisch als scheinbare tägliche Drehbewegung aller Himmelskörper auf der Himmelskugel wahr. Dabei beschreiben die Himmelskörper parallele Bahnen. Im Laufe eines Sterntages vollziehen sie einen vollen Umlauf. Die Erdrotation erfolgt im mathematisch positiven Sinne (= Gegenuhrzeigersinn), d. h. von West nach Ost, wenn wir von oben auf den Erdnordpol blicken. Als Folge davon gehen für einen irdischen Beobachter alle Himmelskörper im Osten auf und im Westen unter.
Die Umlaufbewegung der Erde um die Sonne findet ihr Abbild als scheinbarer jährlicher Lauf der Sonne um die Erde entlang den Sternbildern der zwölf Tierkreiszeichen („Zodiak“).
Beide Bewegungen definieren am Himmel ausgezeichnete Punkte und (Gross-)Kreise: projizieren wir den Erdäquator an die Himmelskugel, so erhalten wir als Grosskreis den Himmelsäquator. Der Himmelsäquator schneidet den Horizont eines Beobachters im West- bzw. im Ostpunkt. Projizieren wir die beiden Erdpole an die Himmelskugel, so erhalten wir den Himmels-Nordpol bzw. den Himmels-Südpol. Wie ihr irdisches Gegenstück nehmen sie an der täglichen Drehung nicht teil. In unmittelbarer Nähe des Himmels-Nordpols befindet sich der Polarstern. Äquator und Pole werden üblicherweise topozentrisch oder geozentrisch bzw. baryzentrisch im System Erde – Mond verwendet.
Die scheinbare jährliche Bahn der Sonne definiert den Grosskreis der Ekliptik. Im rechten Winkel dazu befindet sich im Sternbild Drache der nördliche Ekliptikpol bzw. im Sternbild Schwertfisch der südliche Ekliptikpol. Ekliptik und Ekliptikpole werden üblicherweise heliozentrisch, geozentrisch bzw. baryzentrisch im System Erde – Mond und topozentrisch verwendet.
Als drittes Orientierungssystem haben wir das topozentrische System des Beobachters: der mathematische Horizont ist jener ideale Grosskreis, der bei Fehlen sämtlicher Erhebungen und Senken die Sicht auf die Himmelskugel begrenzen würde. Am ehesten realisiert sich ein mathematischer Horizont auf dem ruhigen Meer. Allerdings ist hier zu beachten, dass der Beobachter meist einen erhöhten Stand hat, z. B. auf Deck eines Schiffes. Dann liegt der wahre Horizont um die sog. Kimmtiefe unter dem mathematischen Horizont. Im rechten Winkel zur Horizontlinie liegt direkt über dem Scheitel des Beobachters der Zenitpunkt oder kurz der Zenit, direkt unter seinen Füssen der Nadir.
Übungen
- Beschreiben Sie die Bahn, die ein Stern im Laufe eines Tages a) am Äquator; b) am Nordpol; c) in mittleren geografischen Breiten (z. B. Mitteleuropa) an der Himmelskugel vollführt!
- Beschreiben Sie die Bahn, die die Sonne oder der Mond im Laufe eines Tages a) am Äquator; b) am Nordpol; c) in mittleren geografischen Breiten (z. B. Mitteleuropa) an der Himmelskugel vollführt!
- Durch welche Sternbilder verläuft die Ekliptik?
Horizont
BearbeitenIm folgenden werden wir explizit oder implizit immer wieder vom Sehwinkel eines Objektes sprechen. Darunter verstehen wir den Öffnungswinkel desjenigen Kegels, den die Sehstrahlen vom Auge des Beobachters zum Objekt bilden. Dabei liegt die Kegelspitze im Auge des Beobachters.
Beispiel:
Ein Beobachter, dessen Augen sich in 1.7 m über dem Erdboden befinden, betrachtet einen 4.5 m hohen Apfelbaum in 10 m Entfernung. Der Baumteil oberhalb seiner Augen ist 2.8 m hoch, was bei einer Entfernung von 10 m einem Sehwinkel von arctan 0.28 = 15.64° entspricht. Der untere Teil entspricht einem Sehwinkel von arctan 0.17 = 9.65°. Insgesamt entspricht dies folglich einem Sehwinkel von 25.29°.
Betrachten Sie die nebenstehende Figur. Befindet sich ein Beobachter im Punkt B direkt auf der Erdoberfläche, so bildet die Tangentialebene nBs an den Erdkörper seinen mathematischen Horizont. Befindet er sich im Punkt B1 in der Höhe H über dem Niveau des Erdkörpers – beispielsweise auf einem Gebäude, auf einem Berg oder in einem Flugzeug –, so wird seine Horizontebene vom Erdmittelpunkt parallel weg verschoben auf die Ebene n1B1s1. Mit anderen Worten: der Winkel zwischen Zenit Z und mathematischem Horizont beträgt immer 90°. Bei Objekten des erdnahen Raums oder des Sonnensystems macht sich die Parallelverschiebung in einem zusätzlichen Beitrag in der täglichen Parallaxe bemerkbar. Sterne und Galaxien sind so weit entfernt, dass die tägliche Parallaxe insgesamt vernachlässigt werden kann. Durch den erhöhten Standpunkt kann der Beobachter aber sozusagen unter seinen mathematischen Horizont blicken. Der Winkel, um den in diesem Fall der wahre Horizont tiefer liegt als der mathematische, heisst Kimmtiefe κ. Oder anders formuliert: bei einem erhöhten Standort bildet die wahre Horizontlinie einen Kreis (Erde als Kugel) bzw. eine Ellipse (Erde als Ellipsoid) auf der Erdoberfläche, und die Sehlinien vom Horizont zum Beobachter bilden einen Kegel, dessen Spitze in seinem Auge ruht. Für den vereinfachten Fall der Kugelgestalt der Erde lässt sich die Kimmtiefe sehr leicht berechnen (M ist der Erdmittelpunkt):
Auf der kugelförmigen Erde entspricht dies einer Entfernung u, der sog. Kimmentfernung, von
Wird der wahre Horizont als Grenzlinie zwischen Erde und Himmel von Erhebungen (Gebäude, Hügel oder Berge) gebildet, so sind zwei Effekte zu beachten:
- Je weiter entfernt vom Beobachter sich die Erhebung befindet, desto stärker ist ihr Fusspunkt infolge der Erdkrümmung bezogen auf die Horizontebene des Beobachters „abgesunken“. Dieser Effekt ist seit dem Altertum bekannt und wird immer wieder als Beweis für die Kugelgestalt der Erde angeführt: von einem sich nähernden Schiff sieht man zuerst die Mast- oder Antennenspitzen, dann eine allfällige Takelage, die Kamine, die Aufbauten, das Deck und erst zum Schluss den Rumpf.
- Die nebenstehende Foto zeigt den Effekt am Beispiel einer Bergfoto. Die Aufnahme wurde in Cham (CH; LV03-Koordinaten RW = 676 572, HW = 228 011; H = 430 m) gemacht und zeigt den Pilatus bei Luzern (LV03-Koordinaten RW = 662 200, HW = 203 450; h = 2118.7 m) sowie das „Dreigestirn“ Eiger, Mönch und Jungfrau, dessen Koordinaten Sie im Kapitel „Geografische Karten“ schon bestimmt haben. Der höchste der vier abgebildeten Gipfel ist mit 4158 m (LV03) die Jungfrau. Da sie mit rund 82½ km aber die grösste Entfernung vom Standort des Fotografen aufweist, ragt sie am wenigsten weit in den Himmel hinauf. Umgekehrt ist der Pilatus mit nur 28½ km Distanz der nächste und macht darum den Eindruck, der höchste Gipfel zu sein. In Wirklichkeit hat aber der Pilatus von allen vier Gipfeln die geringste Höhe. Dies hat in erster Linie mit dem Sehwinkel allgemein und mit dem Absinken des Fusspunktes zu tun.
- Jede Erhebung steht senkrecht auf ihrer Horizontebene. Dadurch erscheint sie für den Beobachter nach „hinten“ gekippt und deshalb verkürzt. Für den Beobachter ist der Sehwinkel senkrecht zum Sehstrahl massgebend.
Die beiden Effekte sollen nun berechnet werden, zuerst das „Absinken“ des Fusspunktes. Betrachten Sie dazu die nebenstehende Grafik. Wir nehmen einmal an, der Fusspunkt E der Erhebung befinde sich jenseits der Kimmlinie (bzw. des Kimmpunktes) K. Ist t der auf der Erdoberfläche gemessene Abstand zwischen dem Fusspunkt E der Erhebung und dem Kimmpunkt K, d der Abstand zwischen E und dem Fusspunkt B des Beobachters, so gilt:
Zum Bogenstück t gehört im Erdmittelpunkt der Winkel τ, der sich im Winkelmass einfach berechnen lässt:
Damit findet man den Anteil , um den der Fusspunkt der Erhebung aus Sicht des Beobachters unter der Sehlinie zum Kimmpunkt liegt, zu
Man erkennt nun: liegt E zwischen B und K, dann wird t < 0 und damit auch τ < 0. Da aber cos x = cos(−x) ist, ändert sich nichts am Resultat.
Um den Sehwinkel , um den der Fusspunkt unter der Kimmlinie liegt, berechnen zu können, setzen wir die Abstände einander gleich. Dann finden wir für υ:
Die Verkürzung durch die bezüglich der Sehlinie B1KE5 gekippte Stellung der Erhebung ist leicht zu berechnen: es ist EE1 = h die wahre Höhe der Erhebung und . Die gesuchte Höhe ist , für die wir finden:
Davon liegt – wie weiter oben berechnet – unter der Sehlinie. Darüber hinaus ragt der Teil . Er bildet die reale Horizontlinie des Beobachters in B1. Die Höhe h´´ entspricht für den Beobachter einem Sehwinkel ω, der sich wie folgt berechnen lässt (wir machen die gleiche Vereinfachung wie bei der Berechnung von υ):
Die reale Horizontlinie liegt also für den in B1 stehenden Beobachter um den Winkel |κ − ω| unter (ω < κ) bzw. über (ω > κ) dem mathematischen Horizont.
Übungen
- Sie haben im Kap. 3 die Koordinaten der Höchi Flue ob Egerkingen (Jurahöhe; 7° 47' 33.32“ /47° 20' 9.09“ / 1014 m); vom Eiger (8° 0' 19.58“ / 46° 34' 38.97“ / 4020 m); vom Mönch (7° 59' 50.41“ / 46° 33' 30.43“ / 4157 m) und von der Jungfrau (7° 57' 45.38“ / 46° 32' 12.24“ / 4208 m) berechnet. Von der Jurahöhe aus können Sie das Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau schön sehen. Berechnen Sie für den Fall, dass Sie dort oben stehen: a) den Sehwinkel der drei Berge, falls die Erde flach wäre; b) die Kimmtiefe und die Kimmentfernung für den Standort Höchi Flue; c) den Wert, um den der Fusspunkt der drei Berge infolge der Erdkrümmung „absinkt“ (die Entfernungen messen 85.9 km [zum Eiger]; 87.8 km [zum Mönch] und 88.8 km [zur Jungfrau]); d) die Verkürzung der Höhe infolge des „Kippens“ der drei Berge; e) die effektive Lage des wahren Horizonts, dh. den tatsächlichen Sehwinkel der drei Berge.
- In der Navigation gibt man für die Kimmtiefe κ die Näherung . Leiten Sie diese Formel her!
Räumliche Koordinatensysteme
BearbeitenIm Raum können wir auf zwei verschiedene Arten Koordinatensysteme einführen:
- Räumliche kartesische Koordinaten, indem wir einen festen Punkt O, den Ursprung des Koordinatensystems, und drei zueinander senkrecht stehende Richtungen wählen. Die drei Richtungsvektoren können ein rechts- oder ein linkshändiges System definieren. Dass die drei Richtungsvektoren senkrecht zueinander stehen und Länge 1 haben, ist eine praktische Forderung, die aber mathematisch nicht zwingend wäre. Wir zerlegen den Richtungsvektor vom Ursprung O zu einem Punkt P in seine Komponenten in Richtung der drei Koordinatenachsen und schreiben: . Ob die Achsen nummeriert werden oder mit den Indizes x, y oder z charakterisiert werden, spielt keine Rolle. Die Länge des Vektors – seinen Betrag – bezeichnen wir mit . Die Grössen r1, r2, r3 bzw. X, Y, Z heissen die Komponenten des Vektors . Sie sind positiv, wenn sie in die gleiche Richtung weisen wie die Einheitsvektoren , sonst negativ.
- Räumliche Polarkoordinaten oder Kugelkoordinaten, indem wir einen festen Punkt O, den Ursprung des Koordinatensystems, und drei zueinander senkrecht stehende Richtungen wählen. Wir beschreiben die Lage eines Punktes P im Raum mittels dreier Grössen: dem Abstand r vom Ursprung O des Koordinatensystems mit ; dem Winkel λ zwischen der Richtung von und der Projektion von auf die Ebene, die von den Einheitsvektoren aufgespannt wird; dem Winkel ϕ zwischen der Richtung von und dem Vektor . Wahlweise – und in der Astronomie verbreitet – kann man statt ϕ auch den Winkel angeben. Es gilt: r ≥ 0 (r = 0 nur für den Ursprung; in diesem Fall sind λ und ϕ nicht definiert); 0 ≤ λ < 360° (bzw. 0 ≤ λ < 2π im Bogenmass) oder −180° < λ ≤ +180° mit positiver Zählung in mathematisch positiver Richtung von aus, negativer Zählung in negativer Richtung: 0 ≤ ϕ ≤ 180° bzw. .
Beispiele:
Rechtwinklige Raumkoordinaten sind vor allem in der Himmelsmechanik sehr gebräuchlich. In der Regel steht die Sonne im Koordinatenursprung. Die x-Achse weist zum Frühlingspunkt; die y-Achse rechtwinklig dazu zum Sommerpunkt; die z-Achse zum nördlichen Ekliptikpol (heliozentrische, rechtwinklige Ekliptikkoordinaten). Bei der Behandlung des Erdkörpers als Rotationsellipsoid wurde darauf hingewiesen, dass gelegentlich für einen Punkt auf der Erde auch rechtwinklige, räumliche Koordinaten angegeben werden.
Räumliche Polarkoordinaten bzw. Kugelkoordinaten sind in der Astronomie bzw. Geografie sehr verbreitet. Die geografische Länge und Breite, die besprochen wurden, sind dafür ein Beispiel.
Unter einem rechtshändigen System ist folgendes gemeint: werden Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger der rechten Hand so abgespreizt, dass sie jeweils gegeneinander einen rechten Winkel bilden, und lässt man dann den Daumen in die Richtung des Einheitsvektors , den Zeigefinger in Richtung von zeigen, dann muss der Mittelfinger in Richtung von zeigen. Zeigt er in die entgegen gesetzte Richtung, dann handelt es sich um ein linkshändiges System.
Die Umrechnung von Kugelkoordinaten in kartesische Koordinaten mit gemeinsamem Ursprung und Einheitsvektoren (i = 1, 2, 3) ist nicht schwierig. Sie gelingt mit den Mitteln der Trigonometrie. Dazu wird der Vektor auf die drei Achsen projiziert. In einem rechtshändigen System ergibt dies:
Die umgekehrte Transformation gelingt ebenso einfach (benutzt man statt des Winkels ϕ den Winkel , dann muss in der letzten Gleichung die Funktion arccos durch die Funktion arcsin ersetzt werden):
Übung
- Die Sonne habe zu einem bestimmten Zeitpunkt die geozentrischen, ekliptikalen, kartesischen Koordinaten X⊙ = +0.783 7432; Y⊙ = +0.632 4494; Z⊙ = −0.000 0007. Berechnen Sie daraus die geozentrische ekliptikale Länge λ, die ekliptikale Breite β (entspricht ) und die Entfernung Δ von der Erde!
Astronomische Koordinatensysteme
BearbeitenWie dargelegt wurde, ist eine Orientierung mittels rechtwinkliger kartesischer Raumkoordinaten oder mittels Kugelkoordinaten möglich. Die daraus resultierenden Orientierungssysteme der Astronomie sollen nun kurz vorgestellt werden.
Räumliche kartesische Koordinaten werden in der Praxis nur für Bewegungen im Sonnensystem gebraucht. Dabei handelt es sich um das System der kartesischen Ekliptikkoordinaten [X, Y, Z]. Der Ursprung liegt entweder in der Sonne bzw. genauer im Schwerpunkt des Sonnensystems (der praktisch mit dem Sonnenzentrum zusammenfällt: heliozentrische Koordinaten) oder im Erdmittelpunkt (geozentrische Koordinaten). Die X-Achse zeigt in Richtung auf den Frühlingspunkt ♈, die Y-Achse im rechten Winkel dazu in Richtung des Sommerpunktes, und die Z-Achse zum nördlichen Ekliptikpol.
Kommen stattdessen ekliptikale Kugelkoordinaten zum Einsatz, so handelt es sich den heliozentrischen Abstand r des Objektes vom Sonnenmittelpunkt bzw. um den geozentrischen Abstand Δ vom Erdmittelpunkt oder vom Schwerpunkt des Systems Erde – Mond; um die vom Frühlingspunkt aus gemessene ekliptikale Länge l (heliozentrisch) bzw. λ (geozentrisch); um die von der Ekliptik aus gemessene ekliptikale Breite b (heliozentrisch) bzw. β (geozentrisch) – positiv in Richtung des nördlichen Ekliptikpols, negativ in Richtung des südlichen Ekliptikpols.
Das bewegliche oder rotierende Äquatorsystem ist wie folgt definiert: der Ursprung ruht im Erdmittelpunkt. Die erste Achse zeigt in Richtung auf den Frühlingspunkt ♈; die zweite Achse im rechten Winkel dazu in Richtung eines Punktes im Sternbild Orion, östlich der Gürtelsterne; die dritte Achse zum Himmelsnordpol. Für Objekte im Sonnensystem ist der Abstand die geozentrische Entfernung Δ vom Ursprung, für alle übrigen Objekte interessiert in der Regel nur die Richtung. Diese wird durch die beiden Winkel α (bzw. RA[1]) und δ bestimmt: α ist die Rektaszension, wird auf dem Himmelsäquator vom Frühlingspunkt aus gemessen als Winkel zwischen dem Grosskreis durch den Frühlingspunkt und den Himmelsnordpol und dem Grosskreis durch das Objekt und den Himmelsnordpol. Als Besonderheit wird die Rektaszension in der Regel nicht in Grad, sondern in Stunden angegeben. Dabei gilt: 360° ≙ 24h, 15° ≙ 1h, 1° ≙ 4m, 15' ≙ 1m, 1' ≙ 4s, 15" ≙ 1s und 1" ≙ 1/15s. δ ist die Deklination und wird vom Himmelsäquator aus gemessen, positiv in Richtung zum Himmelsnordpol, negativ in Richtung zum Himmelssüdpol.
Das feste Äquatorsystem ist auf den Beobachter bezogen: der Ursprung liegt im Erdmittelpunkt (selten) oder im Ort, in dem sich der Beobachter befindet (Topozentrum; die Regel). Wenn der Abstand interessiert, dann handelt es sich um die topozentrische Entfernung Δ'. Im folgenden beschränken wir uns auf die Beschreibung der Situation auf der Nordhalbkugel der Erde. Die erste Achse zeigt zu jenem Punkt am Himmelsgewölbe, wo der Himmelsäquator den Meridian des Beobachters schneidet, also in südlicher Richtung. Die zweite Achse zeigt im rechten Winkel dazu auf den Westpunkt am Horizont, und die dritte auf den Himmelsnordpol. Im Gegensatz zu den bisher vorgestellten Koordinatensystemen handelt es sich hier um ein linkshändiges System. Die eine Richtungskoordinate ist wie im rotierenden Äquatorsystem die Deklination δ, die vom Himmelsäquator aus gemessen wird. Die zweite Richtungskoordinate ist der Stundenwinkel τ. Es ist der Winkel zwischen dem Meridian, also dem Grosskreis vom Südpunkt über den Zenit und den Himmelsnordpol zum Nordpunkt, und jenem Grosskreis, der durch den Himmelsnordpol und das Objekt geht, gemessen auf dem Himmelsäquator vom Meridian aus westwärts. Wie die Rektaszension wird der Stundenwinkel üblicherweise in Zeiteinheiten angegeben. Der Stundenwinkel spiegelt direkt die scheinbare tägliche Bewegung der Himmelskörper als Folge der täglichen Rotation wieder. Hat ein Körper den Stundenwinkel τ = 0h, so sagt man, er kulminiere im oberen Kulminationspunkt auf dem Meridian. Ist der Körper die wahre (bzw. mittlere) Sonne, so entspricht dies dem wahren (bzw. mittleren) Mittag. Ist τ = 12h, so sagt man, der Körper kulminiere im unteren Kulminationspunkt auf dem Meridian. Im Laufe eines Tages wächst der Stundenwinkel abgesehen von der Eigenbewegung des Körpers um 24h.
Im Horizontsystem liegt der Ursprung beim Beobachter. Die erste Achse zeigt zum Südpunkt am Horizont, die zweite Achse im rechten Winkel dazu zum Westpunkt am Horizont, und die dritte Achse senkrecht nach oben zum Zenit. Auch das Horizontsystem ist ein linkshändiges System. Normalerweise werden nur die beiden Richtungskoordinaten betrachtet: die Höhe h wird vom Horizont aus gemessen, positiv in Richtung des Zenits, negativ in Richtung des Nadir. Wegen der praktischen Schwierigkeit, die Lage des (mathematischen) Horizonts genau bestimmen zu können, gibt man stattdessen oft den vom Zenit aus gemessenen Winkel z = 90° − h an, die sog. Zenitdistanz. z = 90° definiert den mathematischen Horizont, bei z > 90° befindet sich ein Objekt unterhalb des mathematischen Horizonts. Als zweite Richtungskoordinate wird das Azimut A angegeben. Es handelt sich hierbei um den Winkel zwischen dem Meridian und dem Grosskreis durch das Objekt und den Zenit, gemessen auf dem Horizont von Süd über West, Nord nach Ost[2]. Die obere Kulmination erfolgt im allgemeinen bei A = 0°, die untere bei A = 180°. Sterne, die zwischen dem Zenit und dem Himmelsnordpol durch die obere Konjunktion gehen, haben sowohl für die obere wie für die untere Kulmination A = 180°. Sterne, die zwischen dem Nadir und dem Himmelssüdpol durch die untere Konjunktion gehen, haben sowohl für die obere wie für die untere wie für die obere Konjunktion A = 0°.
Gelegentlich wird auch das galaktische Koordinatensystem benutzt. Es wurde erst 1958 von der IAU festgelegt. Sein Zentrum liegt im Sonnenmittelpunkt. Die erste Achse zeigt in Richtung zum Zentrum der Milchstrasse mit den äquatorealen Koordinaten α = 17h 42.4m, δ = −28.92°. Dieser Punkt liegt im Sternbild Schütze nahe der Radioquelle Sagittarius A. Die zweite Achse zeigt im rechten Winkel dazu in die Gegend zum Sternbild Schwan; die Drehung erfolgt entlang dem galaktischen Äquator. Die dritte Achse zeigt zum galaktischen Nordpol, mit den Koordinaten α = 12h 49m, δ = +27.40° im Sternbild Haar der Berenike (Coma Berenices) gelegen. Die angegebenen Koordinaten beziehen sich auf die Epoche B1950.0. Die beiden Richtungskoordinaten des galaktischen Koordinatensystems sind die galaktische Länge l (0° ≤ l < 360°), gemessen von der ersten Achse aus entlang des galaktischen Äquators, und die galaktische Breite b vom galaktischen Äquator aus positiv in Richtung zum galaktischen Nordpol, negativ zum galaktischen Südpol (−90° ≤ b ≤ +90°). Im Internet kann ein Programm heruntergeladen werden, das für galaktische Objekte direkt die galaktischen Koordinaten und damit die Lage in der Milchstrasse direkt visualisiert. Das englischsprachige Tool kann hier gefunden werden.
Horizontsystem und ruhendes Äquatorsystem werden für die Beobachtung benutzt, da sie dem Beobachter unmittelbar eine Information über den Ort und damit die Sichtbarkeit eines Objektes an seiner Himmelskugel liefern. Für ein parallaktisch montiertes Fernrohr benötigt man den Stundenwinkel und die Deklination. Für die Sichtbarkeit oder ein azimutal montiertes Fernrohr (Typ Dobson!) werden Azimut und Höhe bzw. Zenitdistanz benötigt. Insbesondere muss für die Sichtbarkeit h > 0° bzw. z < 90° sein. Das Ekliptiksystem wird in erster Linie bei himmelsmechanischen Problemen im Sonnensystem eingesetzt. Bewegliches Äquatorsystem und galaktisches System werden für Kataloge, Listen und Karten benutzt.
Übungen
- Wandeln Sie die folgenden Rektaszensionswerte von Stunden in Grad bzw. in rad (Bogenmass) um: a) 18h; b) 3h; c) 5h 30m; d) 12h 45m; e) 7h 20m; f) 21h 12m 27s; g) 9h 44m 12.56s.
- Wandeln Sie die folgenden Winkelwerte in Rektaszension mit Zeiteinheiten um: a) 270°; b) 60°; c) 90° 45'; d) 20° 22'; e) 321° 11' 55"; f) 9° 49' 22.57".
Nachweis:
- ↑ RA ist die Abkürzung für den englischen Ausdruck Right Ascension
- ↑ In der Navigation und in der Meteorologie wird das Azimut oft von Norden aus gemessen.
Sphärische Trigonometrie
BearbeitenHier sollen die wichtigsten Beziehungen der sphärischen Trigonometrie, von denen wir im folgenden Gebrauch machen wollen, zusammengestellt werden. An einem Beispiel soll exemplarisch gezeigt werden, wie sich Formeln der sphärischen Trigonometrie herleiten lassen. Wer tiefere Einsichten in das Thema wünscht, muss sich ein spezialisiertes Werk anschauen. Der Klassiker für Astronomen ist immer noch W. M. Smarts Textbook on Spherical Astronomy[1].
Ein Grosskreis auf einer Kugel ist ein beliebiger Kreis, dessen Mittelpunkt mit dem Kugelmittelpunkt zusammenfällt. Sind auf der Kugeloberfläche zwei beliebige Punkte P und S gegeben, so gibt es einen eindeutig bestimmten Grosskreis durch diese Punkte. Die beiden Punkte P und S teilen die Kreislinie in zwei Stücke, die in der Regel ungleich lange sind. Das kürzere Stück stellt die kürzeste Verbindung zwischen P und S dar. Grosskreise sind auf der Kugeloberfläche das, was Geraden in der Ebene: die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten. Ein grosser Unterschied besteht allerdings zwischen Geraden und Grosskreisen. Wenn in der Ebene zwei Punkte P und S eine Gerade g definieren, und ein Punkt T ausserhalb dieser Geraden liegt, so gibt es eine zweite Gerade h durch T, die die erste Gerade g nicht schneidet, nämlich die Parallele h zu g durch T. Auf der Kugeloberfläche ist die Situation anders. Wenn durch die Punkte P und S ein Grosskreis g definiert wird, und T ein Punkt auf der Kugeloberfläche, aber nicht auf dem Grosskreis g ist, dann schneidet jeder Grosskreis h durch T den Grosskreis g in zwei Punkten.
Beispiele:
Ekliptik, Himmelsäquator und Horizont sind verschiedene Grosskreise auf der Himmelskugel. Sie haben paarweise je zwei Schnittpunkte: Ekliptik und Himmelsäquator schneiden sich im Frühlingspunkt ♈ und im Herbstpunkt ♎ ; Himmelsäquator und Horizont schneiden sich im Ost- und im Westpunkt; Ekliptik und Horizont schneiden sich in zwei Punkten, die keine eigenen Namen haben.
Jedes Bogenstück ST kann wahlweise durch seine Länge A oder durch den Winkel a beschrieben werden, den die Vektoren und vom Kugelmittelpunkt M zu den Punkten S und T bilden. Wenn R der Kugelradius ist und a im Bogenmass gemessen wird, dann besteht zwischen A und a der Zusammenhang:
Wenn wie im Falle der Himmelskugel der Radius belanglos ist, dann ist die Angabe des Winkels a die Möglichkeit, das Bogenstück zu charakterisieren.
Sind auf einer Kugel drei Punkte P, S und T gegeben, so lassen sich immer zwei Punkte mit einem Stück eines Grosskreises verbinden: PS, PT und ST. Die drei Punkte definieren damit ein sphärisches Dreieck Nach den Feststellungen des vorangehenden Absatzes lassen sich die drei Seiten durch drei Winkel a, b, c ausdrücken. Dazu kommen die drei Innenwinkel des sphärischen Dreiecks . Wie in der Ebene wird auch auf der Kugeloberfläche ein Dreieck durch sechs Stücke (drei Seiten und drei Winkel) beschrieben, wobei allerdings nur drei unabhängig sind und die anderen drei sich daraus berechnen lassen. Beim ebenen Dreieck ergibt die Summe der Innenwinkel α + β + γ = 180° = π rad. Beim sphärischen Dreieck ist die Innenwinkelsumme aber immer grösser als 180° bzw. π, jedoch kleiner als 540° bzw. 3π. Man bezeichnet als den (sphärischen) Exzess. Ferner bezeichnet man wie in der Ebene s = a + b + c als den Umfang des sphärischen Dreiecks.
Auf einer Kugel seien die drei Punkte P, S, T gegeben, die ein sphärisches Dreieck definieren. Es ist dann: , wo M den Kugelmittelpunkt bezeichnet. Legen wir im Punkt P die Tangentialebene an die Kugel und verlängern MS, bis in U die Tangentialebene geschnitten wird. PU ist dann Tangente an den Grosskreis durch P und S. Analog findet man den Punkt V in der Tangentialebene mit PV als Tangente an den Grosskreis durch P und T. Nun ist der Innenwinkel α im sphärischen Dreieck PST (in der Ecke P, der Seite a gegenüber) per Definition der Winkel zwischen den Tangenten an die Dreieckseiten (dh. Grosskreisbogen) b und c im Punkt P. Es ist , denn bei jedem Kreis bilden Tangente und Radius zum Berührungspunkt einen rechten Winkel. Andererseits ist wie oben schon festgestellt . Das Dreieck MPU ist ein gewöhnliches, ebenes Dreieck. Dort gilt mit der ebenen Trigonometrie (wir erinnern uns der selten gebrauchten Funktion Secans, die ganz einfach den Kehrwert des Cosinus darstellt):
Im ebenen Dreieck PUV gilt der Cosinussatz der ebenen Trigonometrie:
Mit dem ebenen Dreieck MUV finden wir unter nochmaliger Anwendung des Cosinussatzes:
Setzen wir die rechten Seiten der beiden Gleichungen einander gleich und benutzen die aus der ebenen Trigonometrie bekannte Identität (analog für c), dann erhalten wir:
Dies ist eine der wesentlichen Beziehung der sphärischen Trigonometrie. Durch zyklische Vertauschung von a, b, c, α, β und γ erhalten wir ein Set von drei Gleichungen, die als Seiten-Cosinussatz bekannt sind:
Wie eingangs erwähnt wollen wir die weiteren Sätze nicht mehr beweisen, sondern zur Kenntnis nehmen. Als nächstes folgt der sphärische Sinussatz:
Als dritter folgt der Sinus-Cosinussatz:
Als vierter folgt der Kotangenssatz, auch bekannt als „Vier-Elemente-Formeln“:
Zum Abschluss folgen Delambre's Gleichungen (V) und daraus abgeleitet die Neperschen Gleichungen (VI):
Übungen
- Ein Interkontinentalflug führt von Frankfurt am Main (+8° 33' E, +50° 02' N) nach Los Angeles (−118° 24' W; +33° 57' N). Der Pilot fliegt auf der kürzesten Bahn, also auf einem Grosskreisbogen. Die Flugzeit von Frankfurt/M. nach LA International beträgt rund 10 Stunden. Wie lange ist die Flugstrecke, und welche mittlere Geschwindigkeit hat das Flugzeug demnach? Rechnen Sie mit einer mittleren Flughöhe von 10 km.
- Welche geografische Breite und welche geografische Länge hat der nördlichste Punkt der Flugbahn auf dem Weg von Frankfurt/M. nach LA International? Welchen Winkel zur Nordrichtung muss der Pilot beim Starten steuern? Unter welchem Winkel fliegt er LA International an? Nehmen Sie für beide Aufgaben an, die Erde habe eine Kugelgestalt.
Nachweis:
- ↑ Smart W. M.; Green, R. M.. Textbook on Spherical Astronomy. Cambridge University Press, Cambridge/New York/Melbourne, Sixth edition, 1999. ISBN 978-0521291804
Koordinatentransformationen
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Horizontsystem und festes Äquatorsystem
BearbeitenMit den sechs im letzten Kapitel vorgestellten Formelgruppen haben wir das nötige Rüstzeug, um Koordinaten, die in einem bestimmten Koordinatensystem gegeben sind, in ein anderes System umzurechnen. Im folgenden soll diese Umrechnung am Beispiel der Umwandlung vom Horizontsystem ins feste Äquatorsystem exemplarisch durchgeführt werden. Für die übrigen Umrechnungen geben wir nur noch das Ergebnis an. Die Herleitung überlassen wir Ihnen als geneigtem Leser.
Die beiden Pole von Horizontsystem (Zenit Z) und festem Äquatorsystem (Himmelsnordpol N) bilden zusammen mit dem Objekt O, dessen Koordinaten vom einen ins andere System umgerechnet werden sollen, ein sphärisches Dreieck. Sind [τ; δ] die festen Äquatorkoordinaten Stundenwinkel und Deklination des Objektes; [A; h] bzw. [A; z] die Horizontkoordinaten Azimut und Höhe bzw. Zenitdistanz; ϕ die geografische Breite des Beobachters, dann gilt im sphärischen Dreieck ZNO: ZN = 90° – ϕ; ZO = z = 90° – h; NO = 90° – δ für die drei Seiten. Zwei Winkel hängen mit Koordinaten zusammen: . Wir wenden auf dieses Dreieck den Seiten-Cosinussatz an und erhalten:
Aus der ebenen Trigonometrie ist bekannt, dass sin(90° – x) = cos x und cos(90° – x) = sin x. Damit finden wir:
Sind die Koordinaten [τ; δ] im festen Äquatorsystem und die geografische Breite ϕ bekannt, lässt sich mit dieser Gleichung die Zenitdistanz oder die Höhe berechnen. Zur Berechnung des Azimutes wenden wir den Cotangenssatz auf das Dreieck ZNO an:
Aus der ebenen Trigonometrie ist weiterhin bekannt, dass cot(90° – x) = tan x und cot(180° – x) = –cot x, und dass der Cotangens eines Winkels der Kehrwert des Tangens von eben diesem Winkel ist. Damit finden wir:
Lösen wir nach tan A auf, so erhalten wir eine Gleichung, mit deren Hilfe wir bei Kenntnis der Koordinaten im festen Äquatorsystem und der geografischen Breite das Azimut berechnen können:
Beispiel:
Welche Koordinaten hat der Himmelsnordpol im Horizontsystem, wenn er im festen Äquatorsystem die Koordinaten δ = 90° und τ = 0° hat? Der Stundenwinkel ist willkürlich, denn eigentlich ist er unbestimmt. Setzen wir ein, so finden wir cos z = sin h = sin ϕ, woraus wir h = ϕ bzw. z = 90° – ϕ finden. Für das Azimut erhalten wir , denn . Daraus finden wir A = 180°. Wir erkennen nun auch den Vorteil, dass wir zur Bestimmung des Azimuts eine Formel mit dem Tangens gewählt haben. Betrachten wir jeweils Zähler Z und Nenner N separat, können wir eindeutig festlegen, in welchem Quadranten der Winkel liegt:
- Z > 0, N > 0 : A liegt im ersten Quadranten, d. h. 0° ≤ A ≤ 90°; A = arctan(Z/N)
- Z > 0, N < 0 : A liegt im zweiten Quadranten, d. h. 90° < A ≤ 180°; A = 180° + arctan(Z/N)
- Z < 0, N < 0 : A liegt im dritten Quadranten, d. h. 180° < A ≤ 270°; A = 180° + arctan(Z/N)
- Z < 0, N > 0 : A liegt im vierten Quadranten, d. h. 270° < A < 360° ; A = 360° + arctan(Z/N)
Für die umgekehrte Transformation wählen wir wieder den Seiten-Cosinussatz und den Cotangenssatz, jetzt aber mit einer anderen Kombination der Bestimmungsstücke:
womit wir sofort finden:
Für den Stundenwinkel finden wir mit dem Cotangenssatz:
woraus wir ableiten:
Beispiel:
Welche Koordinaten hat der Zenit (h = 90° bzw. z = 0°; A = 0° – wiederum willkürlich festgelegt). Wir finden sin δ = sin ϕ, also δ = ϕ. Mit analogen Überlegungen wie oben finden wir: τ = 0° = 0h.
Zusammengefasst: Für die Umrechnung zwischen dem Horizontsystem und dem festen Äquatorsystem gelten die Formeln:
Umwandlung von festen Äquatorkoordinaten in Horizontkoordinaten:
Umwandlung von Horizontkoordinaten in Äquatorkoordinaten:
Festes Äquatorsystem und rotierendes Äquatorsystem
BearbeitenDies ist eine einfache Umwandlung, aber eine wichtige: über diese Umwandlung werden astronomische Koordinaten mit den Zeitsystemen verknüpft. Die wichtigsten Aussagen in diesem Zusammenhang:
Der Stundenwinkel τ des Frühlingspunktes ist gleich der lokalen Sternzeit θ. Der um 12 Stunden (180°) erhöhte Stundenwinkel der Sonne ist gleich der Ortszeit.
Handelt es sich um die mittlere Sonne, dann ist es mittlere Ortszeit MOZ. Handelt es sich um die wahre Sonne, dann ist es die wahre Ortszeit WOZ:
Handelt es sich um den mittleren Frühlingspunkt, dann ist es die mittlere Sternzeit. Handelt es sich um den wahren (bzw. scheinbaren) Frühlingspunkt, dann ist es die scheinbare Sternzeit. Damit ist auch der Begriff „Gleichung des Äquinoktiums“ für die Differenz zwischen den beiden verständlicher, handelt es sich beim Frühlingspunkt doch um den Punkt, in dem die Sonne sich zum Zeitpunkt der Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche aufhält.
Die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Systemen wird in der nebenstehenden Figur illustriert. Beachten Sie aber, dass es sich beim geografischen und dem rotierenden Äquatorsystem um rechtshändige Systeme handelt, beim festen Äquatorsystem aber um ein linkshändiges System.
Zusammengefasst gilt für die Beziehung zwischen α und τ (δ ist ohnehin in beiden Systemen gleich).
mit θ der Ortssternzeit und θ0 der Sternzeit in Greenwich; λ der geografischen Länge, positiv nach Osten, negativ nach Westen.
Anders formuliert:
Die Sternzeit entspricht derjenigen Rektaszension, welche gerade kulminiert.
Rotierendes Äquatorsystem und Ekliptiksystem
BearbeitenNicht selten muss man zuerst rechtwinklige Ekliptikkoordinaten in polare Ekliptikkoordinaten umwandeln:
Dann gilt für die Umwandlung der beiden Koordinatensysteme (den Beweis mit Hilfe des Poldreiecks analog der Umwandlung vom Horizontsystem ins feste Äquatorsystem überlassen wir wie angekündigt Ihnen als Leser):
Umwandlung von Äquatorkoordinaten in Ekliptikkoordinaten: Umwandlung von Ekliptikkoordinaten in Äquatorkoordinaten:
ε ist die Schiefe der Ekliptik, also der Winkel zwischen der Ekliptik und dem Himmelsäquator. Die Standardepochen sowie der Typ der Koordinaten muss jeweils übereinstimmen: sind z.B. α und δ auf die Standardepoche J2000.0 bezogen, dann müssen es auch λ, β und ε sein. Die mittlere Schiefe der Ekliptik hat für die Standardepoche J2000.0 den Wert ε = 23° 26' 21.406"[1]. Werden jedoch scheinbare Koordinaten verwendet, dann ist auch die wahre Schiefe der Ekliptik für die Umwandlung zu benutzen.
Rotierendes Äquatorsystem und galaktisches System
BearbeitenDie Koordinaten des galaktischen Pols und des Ursprungs der Längenzählung wurde von der IAU per Definition festgelegt, die Koordinaten α1950 = 12h 49m = 192{,}25° und δ1950 = +27 24' des galaktischen Nordpols sind also genaue, nicht ungefähre Werte. Bevor Äquatorkoordinaten ins galaktische System umgewandelt werden können, müssen sie auf die Standardepoche B1950.0 umgewandelt werden. Umgekehrt stehen Koordinaten nach der Umwandlung vom galaktischen System ins Äquatorsystem in der Standardepoche B1950.0 zur Verfügung und müssen nach Bedarf in die gewünschte Standardepoche umgewandelt werden.
Umwandlung vom rotierenden Äquatorsystem zur Standardepoche B1950.0 ins galaktische System: Umwandlung vom galaktischen System ins rotierende Äquatorsystem zur Standardepoche B1950.0
Beispiel 1
BearbeitenAufgabe: Ein Beobachter sieht den Stern Wega im Zenit. Berechne Azimut und Zenitdistanz des Sterns Altair.
Daten (in Grad):
Wega:
Altair:
Damit man Wega im Zenit sehen kann, muss die geogr. Breite des Beobachters der Deklination von Wega entsprechen und die Rektaszension von Wega kulminieren. Es gilt daher:
sowie
Die kluminierende Rektaszension entspricht der Sternzeit
Der Stundenwinkel von Altair berechnet sich:
Wir haben zusammengefasst für Altair also die festen Äquatorkoordinaten
Umrechnen in Horizontale Koordinaten:
Zenitabstand zA von Altair:
und damit
bzw.
Azimut AA von Altair:
Mit Zähler:
und Nenner:
gilt:
Ergebnis:
Der Stern Altair hat einen Azimut von 326,9° und eine Zenitdistanz von 34,2°
Beispiel 2
BearbeitenDer Hauptstern des Sternbildes Jungfrau ist Spica, α Vir, HD 116658, SAO 157923 hat die Koordinaten α2000 = 13h 25m 11.601s = 201.298338°, δ2000 = –11° 9' 40.64" (α1950 = 13h 22m 33.301s = 200.638754°, δ1950 = –10° 54' 3.36"). Berechnen Sie die mittleren Koordinaten dieses Sterns in den übrigen Koordinatensystemen für den Ort Wildspitz (LV03-Koordinaten 686490/215460/1580) am 5. April 2007 um 22:45 h MESZ. Lassen Sie die Eigenbewegung (noch) unberücksichtigt.
Lösung:
Es ist UT = 22:45h – 2h = 20.75h, somit JD = 2454196.364583. Für die geografischen Koordinaten finden wir λ = 8° 34' 39.52", ϕ = +47° 5' 4.2", H = 1628 m. Mit diesen Daten finden wir für die mittlere Ortssternzeit zum Zeitpunkt 22:45h MEZ θ = 10h 14m 23.7s. Aus einem Jahrbuch entnehmen wir für die Schiefe der Ekliptik ε = 23° 26' 27.4". Damit sind alle Parameter bereit, um die Umwandlungen vornehmen zu können:
Umwandlung vom rotierenden ins feste Äquatorsystem ergibt:
- δ = –11° 9' 40.64; τ = 20.82003h = 20h 49m 12.1s = 312.30042°
Umwandlung vom festen Äquatorsystem ins Horizontsystem ergibt:
- h = 17.84295° = 17° 50' 35", z = 72° 9' 25", A = 310° 21' 21"
Umwandlung vom rotierenden Äquatorsystem ins Ekliptiksystem ergibt:
- β = –2.05375° = –2° 4' 47", λ = 203.84147° = 203° 50' 29"
Spica hat eine so geringe ekliptikale Breite, dass sie immer wieder vom Mond und gelegentlich – wenn auch sehr selten – auch von Planeten bedeckt wird.
Umwandlung vom rotierenden Äquatorsystem in das galaktische System ergibt:
- b = 50.84483° = 50° 50' 41", x = 346.88663°; l = 316.11337° = 316° 6' 48"
Die Ekliptik am Horizont
BearbeitenZwischen der Ekliptik und dem Horizont gibt es wie immer zwischen zwei Grosskreisen zwei Schnittpunkte. An einem gegebenen Ort und zu gegebener Zeit, dh. die Grössen geografische Breite ϕ, lokale Sternzeit θ und Schiefe der Ekliptik ε sind bekannt, haben diese beiden Punkte die ekliptikale Länge λ
Die beiden Grosskreise schliessen am Horizont den Winkel I ein, der sich wie folgt berechnen lässt:
Im Laufe eines Tages variiert θ zwischen 0 und 24h bzw. 0 und 2π. Falls θ = +π/2 ist, erhält cos I den kleinstmöglichen Wert. Falls θ = 3π/2 ist, erhält cos I den grösstmöglichen Wert. Daraus folgt für Orte auf der Nordhalbkugel
Verwechseln Sie I nicht mit dem Winkel, unter die Sonne oder ein anderer Himmelskörper über den Horizont steigt. Dies ist gleich dem Winkel, den der entsprechende Deklinationskreis – ein Breitenkreis – mit dem Horizont bildet. I wird benötigt, wenn man abschätzen will, um wieviel ein Objekt auf der Ekliptik am folgenden Tag später auf- oder untergeht.
Allgemeines zu Koordinatentransformationen
BearbeitenKoordinatentransformation können im allgemeinen Fall aus einer Verschiebung des Ursprungs (Translation), einer Drehung (Rotation), einer Skalierung oder einer Scherung bestehen. Scherungen – dh. Überführung in ein Koordinatensystem mit nicht mehr rechtwinkligen Achsen – spielen in der klassischen Physik – die für Amateure relevant ist – praktisch keine Rolle. Neuskalierungen passieren immer dann, wenn man den Massstab ändert, z.B. von AE auf km oder ly bzw. pc. In der Praxis des Amateurs sind es vor allem die Translation und die Rotation, die eine Rolle spielen:
- Eine Translation muss immer dann erfolgen, wenn der Ursprung von altem und neuem Koordinatensystem nicht übereinstimmen. Dies ist z.B. der Fall beim Wechsel von geozentrischen ekliptikalen Koordinaten zu heliozentrischen ekliptikalen Koordinaten oder beim Wechsel vom geozentrischen (bzw. baryzentrischen) festen Äquatorsystem zum topozentrischen festen Äquatorsystem.
- Eine Rotation spielt in fast allen besprochenen Koordinatentransformationen eine Rolle: Horizontsystem und festes Äquatorsystem haben als gemeinsame Achse jene Achse, die vom Beobachter zum Westpunkt am Horizont weist. Werden die erste und dritte Achse um den Winkel 90° – ϕ um die gemeinsame Achse gedreht, so wird das eine System ins andere überführt. Bei Ekliptik- und rotierendem Äquatorsystem ist es eine Drehung um den Winkel ε um die gemeinsame erste Achse, die zum Frühlingspunkt weist.
Translationen lassen sich besonders einfach mit Hilfe von Vektoren beschreiben. Hat ein Objekt in einem ersten Koordinatensystem den Ortsvektor , in einem zweiten Koordinatensystem dagegen , und hat der Ursprung des zweiten Koordinatensystems im ersten den Ortsvektor , dann gilt die Beziehung
Beispiel:
Zu einem bestimmten Zeitpunkt hat Mars die heliozentrischen ekliptikalen Koordinaten λ = 271° 09' 19.5", β = –1° 13' 49.5", r = 1.452 4326 AE; zum gleichen Zeitpunkt hat die Sonne die geozentrischen Koordinaten X⊙ = +0.783 7432; Y⊙ = +0.632 4494; Z⊙ = –0.000 0007. Wie lauten die geozentrischen ekliptikalen kartesischen Koordinaten des Mars? Mit der aktuellen Schiefe der Ekliptik ε = 23° 26' 36.146" sollen anschliessend noch die geozentrischen Koordinaten im rotierenden Äquatorsystem berechnet werden.
Zuerst berechnen wir aus den heliozentrischen Polarkoordinaten des Mars seine rechtwinkligen heliozentrischen Koordinaten. Es ist XM = r ∙ cos λ ∙ cos β = +0.029 2808, YM = r ∙ sin λ ∙ cos β = –1.451 8025, ZM = r ∙ sin β = –0.031 1883. Zur Kontrolle: r ist tatsächlich 1.452 4326 (berechnet aus [X, Y, Z]). Das heliozentrische System ist das erste, das geozentrische das zweite System. Gegeben ist in diesem Fall mit den geozentrischen Sonnenkoordinaten also nicht , sondern . Dann ist mit den gegebenen Grössen:
Wie weiter oben ausgeführt, lassen sich daraus die geozentrischen ekliptikalen Koordinaten berechnen: ekliptikale Länge λ' = 314° 46' 40.28", ekliptikale Breite β' = –1° 32' 52.03". Im weiteren ergibt sich für den geozentrischen Abstand des Mars Δ = 1.154 6948. Mit dem gegebenen Wert der Schiefe der Ekliptik findet man für die Rektaszension α = 21h 10m 52s, für die Deklination δ = –17° 53' 01".
Nachweis:
- ↑ IAU XXV GA 2006
Parallaxe
BearbeitenDie tägliche Parallaxe eines Himmelskörpers macht sich in Änderungen der äquatorialen, ekliptikalen und Horizontkoordinaten bemerkbar. Im folgenden werden Formeln gegeben, um diese Änderungen zu berechnen. Ausgangspunkt sind jeweils geozentrische Koordinaten, gesucht sind die Korrekturen, die an den geozentrischen Werten angebracht werden müssen, um topozentrische Koordinaten zu bekommen. Im folgenden bezeichnet π die Äquatorial-Horizontalparallaxe des betrachteten Himmelskörpers, und ρ∙sin ϕ' bzw. ρ∙cos ϕ' die Ausdrücke, die das Geoid beschreiben. Erinnern Sie sich daran, dass die Äquatorial-Horizontalparallaxe eines Objektes O im Sonnensystem wie folgt berechnet werden kann:
- Sind α und δ die geozentrische Rektaszension bzw. Deklination, τ der geozentrische Stundenwinkel, dann gilt:
- Es ist dann α' = α + Δα die topozentrische Rektaszension. Die topozentrische Deklination δ' kann man direkt berechnen. Es ist im Gegensatz zur Rektaszension nicht notwendig, zuerst ihre Änderung Δδ zu berechnen:
- Statt die Koordinaten im rotierenden Äquatorsystem zu berechnen, kann man direkt den topozentrischen Stundenwinkel τ' und die Deklination δ' berechnen. Dazu ermittelt man zuerst vier Hilfsgrössen:
- Mit diesen Hilfsgrössen berechnet man direkt den topozentrischen Stundenwinkel und die Deklination:
- Die bisher angegebenen Formeln sind streng gültig und daher zwingend für Objekte im erdnahen Raum anzuwenden. Dies gilt ganz speziell für die Berechnung der täglichen Parallaxe des Mondes. Für Himmelskörper im Sonnensystem kann man auch mit den folgenden Näherungsformeln rechnen. Ist die Horizontalparallaxe in Bogensekunden gegeben, dann sind es auch die Korrekturen Δα bzw. Δδ. Will man die Korrektur in Rektaszension stattdessen in Zeitsekunden wissen, so ist das Ergebnis noch durch 15 zu dividieren:
- Um die Parallaxe an den geozentrischen, ekliptikalen Koordinaten anzubringen, benutzt man die folgenden Formeln. Zuerst führt man die drei Hilfsgrössen N, C und S ein und berechnet dann damit direkt die topozentrische ekliptikale Länge λ', die topozentrische ekliptikale Breite β' sowie den topozentrischen scheinbaren Radius s' des Objektes:
- Die Parallaxe kann auch direkt an den Horizontkoordinaten angebracht werden. Benötigt man eine hohe Genauigkeit (z.B. beim Mond), dann ist zu empfehlen, die Korrektur an den ekliptikalen oder äquatorialen Koordinaten anzubringen und anschliessend in die Horizontkoordinaten zu transformieren. Ist keine hohe Genauigkeit gefordert, dann kann man wie folgt vorgehen: die Parallaxenkorrektur im Azimut kann man weglassen, da sie immer sehr klein ist. Hätte die Erde eine exakte Kugelform, dann wäre sie streng Null. Die Höhe h wird durch die Parallaxe verkleinert. Bezeichnet ρ den Abstand des Beobachters vom Erdmittelpunkt in Einheiten des Erdradius R⊕ (meist genügt ρ = 1), so gilt genähert:
Übungen
- Für die Beobachtung einer Sternbedeckung durch den Mond wählt man einen Beobachtungsplatz im Erzgebirge südöstlich von Chemnitz. Er hat die Koordinaten λ = +50° 35' 01" E; φ = +13° 12' 44" N; H = 764 m. Zum Zeitpunkt der Beobachtung hat der Mond die geozentrischen Ephemeriden α = 23h 30m 21.1s, δ = –4° 48' 33". Sein scheinbarer Halbmesser beträgt zu diesem Zeitpunkt s = 16' 14", der Stundenwinkel τ = 19h 30m 30s = 292.6250000°. Berechnen Sie daraus die topozentrischen Mondephemeriden für den Zeitpunkt der Beobachtung. Rechnen Sie mit allen drei vorgestellten Algorithmen und vergleichen Sie die Resultate.
- Gleicher Beobachtungsstandort wie in der vorherigen Aufgabe. Doch dieses Mal soll der Mars beobachtet werden. Seine geozentrischen Ephemeriden sind α = 4h 48m 06.1s, δ = 24°11'01", τ = 4h 45m 30s = 71.3750000° und seine Horizontalparallaxe betrug zum Zeitpunkt der Beobachtung π = 5.9". Berechnen Sie daraus die topozentrischen Marsephemeriden für den Zeitpunkt der Beobachtung. Rechnen Sie mit allen drei vorgestellten Algorithmen und vergleichen Sie die Resultate.
Positionswinkel
BearbeitenIn der Doppelsternastronomie, für die Beobachtung und Vermessung von Planetenphänomen oder bei der Angabe der Bewegungsrichtung von Asteroiden, Kometen und Meteore, sind die bisher betrachteten Koordinatensysteme nicht sehr nützlich. In solchen Fällen wählt man für eine Ortsbestimmung einen anderen Weg: Zunächst bestimmt man einen eindeutigen Punkt, der als Zentrum dient. Dies kann die Mitte der Planeten- oder Mondscheibe sein, bei Doppelsternen die hellere der beiden Komponenten, oder allgemein ein heller Referenzstern. Durch diesen Punkt legt man eine eindeutige Richtung fest, um sich zu orientieren. In der Regel wird die Richtung nach Norden (am Himmel des Beobachters, nicht auf dem Objekt) gewählt. Die Position eines Phänomens wird nun durch zwei Grössen angegeben: die Länge des Abstandsvektors vom Zentrum zu diesem Punkt, meist in Bogensekunden oder Bogenminuten angegeben, und dem Winkel, den der Abstandsvektor mit der festgelegten Nullrichtung bildet. Dieser Winkel heisst Positionswinkel, wird von Norden über Osten und Süden nach Westen gemessen (also im Gegenuhrzeigersinn) und kann Werte zwischen 0 und 360° annehmen.
Beispiel:
Alcor (80 UMa), das „Reiterlein“ ist ein Stern der Helligkeit 4m und bildet mit Mizar (ζ UMa oder 79 UM), dem mittleren Stern der Deichsel im Grossen Wagen, ein Doppelsternsystem. Ob sie „nur“ ein optisches oder ein physisches Doppelsternsystem bilden, ist umstritten. Bezüglich des helleren Hauptsterns Mizar (Helligkeit 2.2m) hat Alcor folgende Koordinaten: Abstand 11.8' (708.5"), Positionswinkel 71°. Mizar ist selber ein echter Doppelstern. Sein Begleiter Mizar B mit der Helligkeit 3.9m befindet sich 14.3" vom Hauptstern entfernt beim Positionswinkel 153°. Während Mizar und Alcor von blossem Auge als zwei Sterne unterschieden werden können, ist die Auflösung von Mizar A und B eine Aufgabe für Teleskope.
Ebenso wird die Mitte des beleuchteten Teils eines Planetenscheibchens, die Lage der Hörner des zu- oder abnehmenden Mondes oder die Position eines Sonnenflecks auf der Sonnenscheibe durch den Positionswinkel bestimmt. Im Falle des Sonnenflecks oder eines Details auf einem Planetenscheibchen kommt noch der Abstand vom Zentrum der Scheibe hinzu.
Haben die beiden Objekte die äquatorialen Koordinaten [α1, δ1] bzw. [α2, δ2], dann lässt sich der Positionswinkel P über folgende Beziehung berechnen:
Der Abstand der beiden Objekte voneinander lässt sich wie folgt berechnen:
Wenn allerdings der Abstand ψ allzu klein wird, dann ist es besser, die Aufgabe mit Mitteln der ebenen Geometrie zu lösen: der Abstand ist dann die Hypotenuse in einem rechtwinkligen Dreieck, dessen Katheten (δ2 – δ1) und (α2 – α1)∙cos δ betragen, wo δ der Mittelwert von δ1 und δ2 beträgt. Mit dem Korrekturfaktor cos δ wird berücksichtigt, dass die Meridiane gegen den Pol hin zusammen laufen, also ihr Abstand – gemessen auf einem Breitenkreis – immer kleiner wird. Positionswinkel und Abstand berechnen sich dann zu:
Übungen
- Berechnen und verifizieren Sie Abstand und Positionswinkel für Mizar und Alcor mit beiden vorgestellten Verfahren: α1 = 13h 23m 55.5s; δ1 = 54° 55' 31“ (Mizar); α2 = 13h 25m 13.5s; δ2 = 54° 59' 17“ (Alcor).
- Berechnen Sie den Abstand und den Positionswinkel für den Doppelstern α1 Librae (HD 130 819; 5.3m) α1 = 14h50m 41.206s; δ1 = –15° 59' 50.32“; α2 Librae Zuben Elgenubi (HD 130 841, 2.75m) α2 = 14h 50m 52.713s ; δ2 = –16° 02' 30.42“
- Die Verbindungslinie der „Hörner“ des Mondes hat den Positionswinkel 115°, die Mitte des beleuchteten Mondrandes 205°. Der Bruchteil des Monddurchmessers, der beleuchtet ist, beträgt 0.4 = 40%. Skizzieren Sie die Situation. Um was für eine Mondphase handelt es sich?
- Ein Sonnenfleck habe Positionswinkel 240° und Abstand 10' 42" vom Sonnenzentrum. Die Rotationsachse der Sonne habe den Positionswinkel +15°. Skizzieren Sie den Anblick sowie die ungefähre Bahn des Sonnenflecks infolge der Sonnenrotation im umkehrenden Fernrohr.
Kataloge
BearbeitenEs gibt viele Sternkataloge, die meisten findet man auch im Internet. Die Dateien sind auf Universitäts-, Instituts- oder NASA-Servern gelagert und wurden auch in diesem Umfeld erstellt. Wer sich den einen oder anderen Katalog herunter laden will, sollte darum folgende Punkte beachten: das Format der Dateien entspricht nicht in jedem Fall dem bei PC gewohnten Format. Für gewisse Kataloge sind mittlerweilen Versionen im PC-Format verfügbar, aber das ist nicht immer der Fall. Jedenfalls sind in den meisten Fällen die Originalkataloge in einem Binärformat gespeichert und müssen zuerst durch ein spezielles Leseprogramm „extrahiert“ werden. Jedoch sind die verfügbaren Beispielprogramme in der Regel in Fortran geschrieben, damit für Amateure nur in den seltensten Fällen direkt nutzbar. Sie sollten die ReadMe- und Infodateien sorgfältig lesen.
Kataloge und Sternkarten beziehen sich immer auf eine Standardepoche. Neuere Kataloge oder neue Versionen älterer Kataloge verwenden in der Regel die Standardepoche J2000.0, denn seit 1984 empfiehlt die IAU, diese Standardepoche zu verwenden. Bei älteren Katalogen können aber durchaus noch ältere Standardepochen – meist B1950.0 – angewendet werden. In diesem Fall sind die Sternpositionen zwingend zu korrigieren. Die dafür vorgesehenen Korrekturen in Präzession und Nutation werden in einem späteren Kapitel behandelt.
Die Kataloge enthalten in der Regel auch eine Angabe über die Eigenbewegung eines Sterns. Diese erfolgt auf einem Grosskreis an der Himmelskugel. Aus praktischen Gründen wird sie in Katalogen aber in eine Eigenbewegungskomponente μα in Richtung der Rektaszension und in eine Komponente μδ in Richtung der Deklination aufgespalten. Ist t0 die Epoche des Katalogs und t der Zeitpunkt, zu dem man die Sternposition benötigt, so kann man die Eigenbewegung in den beiden Komponenten als konstant ansehen, wenn der Unterschied zwischen t0 und t nicht mehr als einige Jahrzehnte umfasst. Andernfalls muss man berücksichtigen, dass infolge der Präzession die Komponenten sich im Laufe der Zeit ändern. Die zugehörigen Formeln werden im Kapitel über Präzession vorgestellt. Kann man diesen Effekt aber vernachlässigen, dann berechnen sich die Korrekturen Δα bzw. Δδ infolge der Eigenbewegung zwischen t>0 und t wie folgt:
Klären Sie sorgfältig ab, in welchen Einheiten μα bzw. μδ im Katalog geführt werden. Der Bright Star Catalogue führt z.B. die Eigenbewegung sowohl in Rektaszension wie auch in Deklination in arcsec/y, also Bogensekunden pro Jahr. Der SAO-Katalog dagegen führt die Eigenbewegung in Rektaszension in Zeitsekunden pro Jahr, in Deklination in Bogensekunden pro Jahr auf. Die Unsicherheit wird oft in Millibogensekunden pro Jahr (mas/a oder mas/y: milli-arcseconds per annum bzw. per year) angegeben.
Beispiel:
BSC Bright Star Catalogue; Mizar ζ (79) UMa HR 5054 SAO 28 737 μα = 0.122 arcsec/y, μδ = –0.02 arcsec/y; Alcor 80 UMa HR 5062 SAO 28 51 μα = 0.118 arcsec/y, μδ = –0.016 arcsec/y.
Für die Zwecke des (rechnenden) Amateurs sind die folgenden Kataloge von Bedeutung:
BS/BSC/YBS Bright Star Catalogue (Yale University Observatory), 5th revised edition (1991); enthält alle 9096 Sterne heller als 6.5m und liefert für sie eine Fülle von Basisinformationen, inkl. Rektaszension und Deklination zu den Epochen B1900.0 und J2000.0 sowie die Eigenbewegungskomponenten in den beiden Koordinatenrichtungen zur Standardepoche J2000.0. Abkürzung der Nummer: HR nnnn, steht für Harvard Revised Photometry Catalogue, dem Vorgänger des BSC.
SAO Star Catalogue (Smithsonian Astrophysical Observatory, Washington D. C.; 1984), enthält 258 996 Sterne heller als 9m (ziemlich komplett); Rektaszension und Deklination zur Epoche J2000.0 sowie die Eigenbewegungskomponenten in den beiden Koordinatenrichtungen zur Standardepoche J2000.0.
HD Henry Draper Catalogue, ursprünglich am Harvard College Observatory erstellt, listete 225 300 Sterne bis etwa zur Helligkeit 9m auf. Zwei Ergänzungen („Extensions“) erweiterten den Katalog auf insgesamt 359 083 Sterne. HD-Nummern werden gerne zitiert, wenn ein griechischer Buchstabe (System Bayer) oder eine Sternbild-Nummer (System Flamsteed) fehlen.
FK5 (Fundamentalkatalog 5) listet in Part I 1535 Sterne auf, in Part II weitere 3117 Sterne, insgesamt also 4652 Sterne, die gleichmässig über den ganzen Himmel verteilt sind. Ihre Positionen sind besonders genau vermessen und legen ein Fundamentalsystem für Koordinatenangaben fest. Gegenwärtig wird der FK5 durch den FK6 ersetzt, der 878 besonders genaue Sternörter und 3272 Ergänzungen, insgesamt also 4150 Sterne umfasst. Beide Kataloge werden vom ARI Astronomischen Rechen-Institut in Heidelberg herausgegeben,
BD Bonner Durchmusterung führt 325 037 Sterne bis zur Helligkeit 9.5m, vom Himmelsnordpol bis zur Deklination –2°, ergänzt um die südliche Durchmusterung (weitere 133 659 Sterne) für alle von Bonn aus gerade noch sichtbaren Sterne. Katalognummern haben folgende Gestalt: BD+55 1598 (Mizar), BD+55 1603 (Alcor), BD–8 1063 (Rigel β Ori), also zuerst die Deklination und dann eine fortlaufende Nummer. Die Bonner Durchmusterung wurde durch die Córdoba Durchmusterung CD (Córdoba in Argentinien; 580 000 Sterne) und die Cape (Town) Photographic Durchmusterung CPD (450 000 Sterne) ergänzt, um auch den südlichen Himmel abzudecken. Herausgegeben von der Universität Bonn.
Messier Catalogue, der bekannte Katalog von 110 nichtstellaren Objekten, den Charles Messier (1730 – 1817) von 1771 bis 1784 veröffentlichte.
(R)NGC (Revised New General Catalgue of Nebulae and Clusters of Stars), der Nachfolger des NGC und der beiden Ergänzungen IC I und IC II (Index Catalogue), enthält 7840 Objekte, darunter die Messier-Objekte.
Von den historischen Sternkatalogen sei der Sternkatalog Uranometria erwähnt, den 1603 der deutsche Jurist und Astronom Johann Bayer (1572 – 1625) veröffentlichte. Auf ihn geht der Brauch zurück, Sterne innerhalb eines Sternbildes mit griechischen Buchstaben zu bezeichnen. Als zweiter sei der Sternkatalog Historia coelestis Britannica (2800 Sterne) erwähnt, den 1712 der englische Astronom John Flamsteed (1646 – 1719) veröffentlichte. Abweichend von Bayer verwendete er zur Identifikation von Sternen in einem Sternbild Nummern. Beide Kennzeichnungssysteme sind bis heute im Gebrauch.
Die beiden wichtigsten Server, die im Internet astronomische Daten – wozu gerade die verschiedenen Sternkataloge gehören – zur Verfügung stellen, sind das CDS Centre de Données Astronomiques de Strasbourg und das ADC Astronomical Data Center (NASA). Spezielle Kataloge werden auch von anderen Servern zur Verfügung gestellt – eine gezielte Suche mit einer Suchmaschine führt meist relativ schnell zum Erfolg, wenn man weiss, wonach man suchen muss.
Übungen
- Der Doppelstern 61 Cyg gehört zu den Sternen mit einer grossen Eigenbewegung. Im Bright Star Catalog BSC wird seine Eigenbewegung bezogen auf die Epoche J2000 mit μα = 4.136"/a und μδ = 3.203"/a angegeben. Wenn seine Koordinaten zur Epoche J2000 α = 21h 06m 54.6s und δ = 38° 44' 45" betragen, zur Epoche B1900 dagegen α = 21h 02m 24.8s und δ = 38° 15' 10": wie viel vom Unterschied ist auf die Eigenbewegung zurückzuführen?
- Albireo oder β1 Cyg gehört zu den Sternen mit kleiner Eigenbewegung: μα = +0.002"/a und μδ = –0.002"/a lauten die Werte für die Epoche J2000 des BSC. Wenn die Koordinaten zur Epoche J2000 α = 19h 30m 43.3s und δ = 27° 57' 35" bzw. zur Epoche B1900 α = 19h 26m 41.3s und δ = 27° 44' 58" betragen: wie gross ist hier der Anteil der Eigenbewegung an der Veränderung?
Positionsbestimmung
BearbeitenDie Grundaufgabe der Positionsbestimmung ist so alt wie die Entdeckerlust des Menschen oder die Seefahrt auf dem Meer: durch Beobachtung von Himmelskörpern (Sonne, Mond, Sterne) soll in einer unbekannten Umgebung die eigene Position bestimmt werden. Heute kann man die Aufgabe noch etwas verfeinern: aus astronomischen Beobachtungen sollen die geografischen Koordinaten Länge λ und Breite φ berechnet werden.
Es gibt zwei grundsätzlich verschiedene Vorgehensweisen. Beim ersten Verfahren werden Länge und Breite aus separaten Beobachtungen voneinander unabhängig bestimmt. Beim zweiten Verfahren werden beide Grössen aus den gleichen Messungen ermittelt.
Zunächst das erste Verfahren: die Bestimmung der geografischen Breite beruht darauf, dass der Himmelspol die Höhe über Horizont h = φ bzw. die Zenitdistanz z = 90° – φ hat. Da direkt am Himmelspol kein markantes Himmelsobjekt steht, ist die Bestimmung seiner Höhe oder Zenitdistanz nicht so einfach. Einfacher ist es über die Beobachtung von Sternen im Zenit: damit ein Stern im Zenit kulminiert, muss seine Deklination δ = φ betragen (s. Kapitel Koordinatentransformationen). Hat man einen markanten Stern mit bekannten Koordinaten im rotierenden Äquatorsystem, dann ist die Aufgabe gelöst. Analoges Vorgehen bei der Bestimmung der Länge: wenn ein Stern mit bekannter Rektaszension kulminiert, ist sein Stundenwinkel 0. Es gilt dann, wenn θ0 die Sternzeit um 0h in Greenwich ist, t die Uhrzeit (in UT) der Beobachtung, und wenn w = 1.002 737 909 35 das Verhältnis von Stern- zu Sonnenzeit bezeichnet:
Diese Gleichung kann man nach λ auflösen. Obschon damit die Grundaufgabe gelöst ist, vermag die Lösung in der Praxis nicht zu überzeugen. Helle und damit auffällige, leicht identifizierbare Himmelskörper müssen sich an einem bestimmten Punkt des Himmels aufhalten – ein Erfordernis, das nur ab und zu erfüllt ist.
Wird dagegen von einem hellen, leicht identifizierbaren Stern mit bekannter Rektaszension und Deklination die Höhen h1 und h2 zu zwei verschiedenen Zeiten t1 und t2 (UT) bestimmt, so erhalten wir für jede Höhe eine Gleichung für die Breite als Funktion der Länge. Sie beschreibt je einen Kreis auf der Erdoberfläche. Die beiden Kreise schneiden sich in zwei Punkten, von denen einer der gesuchte, eigene Standort ist. Oft ist klar, um welchen der beiden Schnittpunkte es sich beim eigenen Standort handelt. Um ganz sicher zu gehen und die Rechnung zu vereinfachen, wählt man aber besser drei Zeitpunkte t1, t2 und t3 und misst deren zugehörige Höhen h1, h2 und h3. Es ist dann:
wobei τi (i = 1, 2, 3) auf die vorstehende Weise definiert ist. Subtrahieren wir die zweite von der ersten und die dritte von der zweiten Gleichung, so erhalten wir:
Dividieren wir die erste Gleichung durch die zweite, dann fallen δ und φ völlig aus den Gleichungen heraus. Für die weitere Bearbeitung setzen wir:
Damit erhalten wir:
wo H als Abkürzung für den Quotienten der Sinusdifferenzen eingeführt wurde. Verwenden wir auf der rechten Seite das Additionstheorem für den Cosinus:
und analog für die Differenz im Nenner. Durch Termumformungen erhalten wir daraus:
Damit ist die geografische Länge bekannt. Danach lässt sich die Breite φ aus der ursprünglichen Gleichung bestimmen. Dazu führen wir drei Hilfsgrössenpaare mi und Mi (i = 1,2,3) ein, die die folgenden Bedingungen erfüllen:
Daraus wird:
Eingesetzt in den Ausgangsgleichungen erhalten wir:
Während zur Bestimmung der Länge alle drei Beobachtungswerte nötig sind, genügt für die Bestimmung der Breite grundsätzlich ein einzelner. Es empfiehlt sich, dennoch für alle drei Messungen die Breite zu berechnen. Im allgemeinen wird man drei verschiedene Werte erhalten. Sie sollten im Rahmen der Beobachtungsgenauigkeit übereinstimmen. Tun sie das nicht, ist das ein Hinweis auf einen Fehler in der Rechenprozedur. Eine Fehlerquelle könnte sein, dass für die Winkelfunktionen nicht die richtige Einheit gewählt wurde: Sternzeit und Rektaszension sind in Zeiteinheiten gegeben, die übrigen Winkel in Grad. Je nach Software muss für die Berechnung der Winkelfunktionen von Grad ins Bogenmass umgerechnet werden.
Die vorgestellte Prozedur eignet sich gut für eine astronomische Ortsbestimmung, wenn es etwa darum geht, die Koordinaten eines mobilen Beobachtungsstandortes zu ermitteln. Sie eignet sich aber nicht für die Navigation auf dem Wasser: in der Zwischenzeit zwischen den einzelnen Messungen verändert das Boot infolge seiner Fahrt die Koordinaten!