Anmerkung: In diesem Abschnitt werden Zeichen des Internationalen Phonetischen Alphabets benutzt, man erkennt sie an den eckigen Klammern.

Manuskript aus dem frühen Mittelalter

Dieses Kapitel handelt von den Lauten der armenischen Sprache und der schriftliche Umsetzung dieser Laute. Die armenische Sprache besitzt sehr viele Konsonanten (Mitlaute), von denen es einige im Deutschen nicht gibt, während die Vokale (Selbstlaute) entweder bekannt sind oder der Unterschied nur fein ist. Einige Dialekte des Armenischen besitzen Ejektive, was für indogermanische Sprachen untypisch ist und vermutlich auf den Einfluss der Umgebungssprachen zurückzuführen ist. Sie sind hier nicht weiter erwähnt.

Vokale (vokalische Approximanten)

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Ein Approximant (Näherungsslaut) ist ein nach seiner Artikulationsart benannter Laut. Zu den Approximanten gehören alle Vokale und diejenigen Konsonanten, die mit pulmonisch-egressiver oder pharyngaler Luft gebildet werden und im Ansatzrohr keinen Verschluss oder eine Enge mit „Reibung“ (Geräuschentwicklung, Luftverwirbelungen) überwinden müssen [1].

Im Armenischen gibt es sechs Vokale. Anders als im Deutschen gibt es bei Vokalen am Wortanfang nie Knacklaute. Die armenischen Schrift gibt die Aussprache der Vokale sehr genau wieder. Anders als im Deutschen, wo zum Beispiel die vier e in reden [ʀedən] und Retter [ʀɛtʰɐ̯] vier verschiedene Laute wiedergeben, kann man sich im Armenischen mit Ausnahme ganz weniger Ausnahmen auf eine einheitliche Aussprache verlassen. Im Armenischen sind alle Vokale ungerundet (mit Ausnahme des Schwas, das weder gerundet noch ungerundet ausgesprochen werden kann), während im Deutschen sowohl gerundete als auch gerundete Vokale vorkommen. „Rundung“ heißt hierbei, dass die Lippen leicht gespitzt werden. Der Klangunterschied bei der Aussprache des deutschen [o] statt des armenischen [ɤ] und des deutschen [u] statt des armenischen [ɯ] ist allerdings eher fein.

  vorne fast
vorne
zentral fast
hinten
hinten
ung. ger. ung. ger. ung. ger. ung. ger. ung. ger.
geschlossen i               ɯ  
fast geschlossen                    
halbgeschlossen                 ɤ  
mittel         ə        
halboffen ɛ                  
fast offen                    
offen a                  

Anmerkung zur Tabelle: Die Abkürzung „ger.“ steht für gerundet, „unger.“ für ungerundet, siehe auch den Wikipedia-Artikel zum Thema [2]

Ungerundeter offener Vorderzungenvokal ([a])

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Der Vokal [a] wird wie in Dach ausgesprochen und wird auf armenisch ա (klein) bzw. Ա (groß) geschrieben. Beispiele: նա (na) - er/sie/es, jener/jene/jenes; սա (sa) – das (hier), dies (hier); դաս (das) – Unterricht, Lektion

Ungerundeter halboffener Vorderzungenvokal ([ɛ])

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Der Vokal [ɛ] wird wie in Stelle oder Gänse oder auch das französische è und nicht wie in reden ausgesprochen (dieser Vokal wird im Internationalen Phonetischen Alphabet als [e] wiedergegeben). Er wird auf armenisch durch է (klein) bzw. Է (groß) wiedergegeben. Der Buchstabe ե (klein) bzw. Ե (groß) wird am Wortanfang wie [jɛ] ausgesprochen, im Wort einfach als [ɛ]. Beispiele: է (ē) – ist, եւ (ew) – und, սեւ (sew) – schwarz,

Außerdem taucht der Laut [ɛ] auch noch in der Ligatur և (e͡w, am Wortanfang [jɛv], sonst [ɛv]) auf, die aus den Teilen ե (e) ւ (w) zusammengesetzt ist. Man kann also auch schreiben: և, սև

Ungerundeter geschlossener Vorderzungenvokal ([i])

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Der Vokal [i] wird wie im Deutschen ausgesprochen. Man schreibt ihn auf armenisch ի (klein) bzw. Ի (groß). Beispiele: մի (mi) – ein/eine/eines//einige, հիմա (hima) – jetzt, իմանալ (imanal) – wissen, գինի (gini) - Wein

Schwa (mittlerer Zentralvokal, [ə])

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Das Schwa ([ə]) wird auf armenisch ը (klein) bzw. Ը (groß) geschrieben. Dieser Buchstabe wird wie in Rübe ausgesprochen. Beispiele: ինը (ině) – neun

Ungerundeter geschlossener Hinterzungenvokal ([ɯ])

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Der Laut [ɯ], der sich im Armenischen aus dem Diphthong [ow] entwickelt hat, wird als ու (klein, ow) bzw. Ու (groß, Ow) geschrieben. Er ist dem [u] im Deutschen sehr ähnlich Beispiele: դու (dow) – du, ում (owm) – wessen, ու (ow) – und

Halbgeschlossener hinterer Vokal ([ɤ])

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Anmerkung: In diesem Abschnitt kommen in den Beispielen einige Buchstaben vor, deren Aussprache noch nicht genau erläutert wurde, dies wird später nachgeholt.

Der Selbstlaut [ɤ] wird im Armenischen nur wenig anders ausgesprochen als das [o] im Deutschen, die Lippen sind etwas weniger gespitzt als im Deutschen, ihre Haltung ist eher wie beim [a]. Das armenische o ist in Bezug auf die Schreibung der komplizierteste Buchstabe: er wird normalerweise als ո (klein) bzw. Ո (groß) geschrieben, in seltenen Fällen auch als օ (klein) bzw. Օ (groß).

1. Das armenische ո (transliteriert als o) wird im ganz normal ausgesprochen, am Wortanfang aber wie wo ([vɤ]). Der Sinn dieser Regelung ist, dass das [v] bei der Aussprache zusammengesetzte Wörter ausfällt, z.B. որդի (ordi, [vɤɹ'tʰi] (Sohn)), aber քեռորդի (k‘eṙordi, [kʰerɤɹ'tʰi] (Sohn des Onkels mütterlicherseits)). Beispiele: տոմս (toms, [tɤms]) – Ausweis, Fahrausweis, Eintrittskarte; բոլոր (bolor, [bɤ'lɤɹ]) – alle, սովորել (sovorel, [sɤvɤ'ɹɛl]) - lernen, studieren; խոտ (xot, [xɤt]) – Gras, Heu

  • Die einzige Ausnahme bilden zwei sehr wichtige Wörter, die wer bedeuten: ով (ov, Einzahl) und ովքեր (ovk‘er, Mehrzahl), die als [ɤv] bzw. [ɤv'kʰɛɹ] gelesen werden.

2. Im 13. Jahrhundert wurde der Buchstabe օ (transliteriert als ō) hinzugefügt, um ausländische, d.h. vor allem griechische, Wörter richtig wiederzugeben. Beispiele: Օլիմպիա (O̅limpia, [ɤlim'pia]) – Olympia, օպերա (ōpera, [ɤpɛ'ɹa]) – Oper

  • Ebenfalls im Mittelalter ersetzte der neue Buchstabe օ (ō) auch die Buchstabenkombination աւ (aw) dann, wenn auf sie ein Konsonant folgt, um sich der veränderten Aussprache [o] anzupassen. Beispiele: օր (ōr, [ɤɹ], früher աւր) – Tag, օրինակ (orinak, [ɤɹi'nak]) - Beispiel
    • In zusammengesetzten Wörtern kann der Buchstabe օ (ō) auch innerhalb des Wortes auftauchen. Beispiel: այսօր (aysōr, [ajsɤɹ]) – heute (von այս օր – dieser Tag)

Abschlussbeispiel: Բոլորը որոշել են սովորել օտար լեզուներ: (Bolorě orošel en sovorel ōtar lesowner.) – Alle haben beschlossen, Fremdsprachen zu lernen.

Konsonantische Approximanten

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Stimmhafter palataler Approximant ([j])

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Im Neuarmenischen gibt es nur den einen Halbvokal [j], der dem deutschen j entspricht: յ (klein) Յ (groß).

Stimmhafter palataler Approximant ([l])

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Im Armenischen gibt es einen Laterallaut, [l]. Er entspricht dem deutschen l. Man schreibt ihn als լ (klein) bzw. Լ (groß).

Stimmhafter alveolarer Approximant ([ɹ])

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Die richtige Aussprache der armenischen Variante des Lautes [ɹ] bereitet deutschen Muttersprachlern Probleme. Dieser Laut ähnelt dem englischen r, tendiert aber etwas in Richtung [l] und insbesondere am Wortende oder vor Konsonanten [ʒ] (dieses Zeichen meint den Laut in Garage oder pleasure). Man schreibt ihn als ր (klein) bzw. Ր (groß).

Verschlusslaute

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Verschlusslaute
Labial Dental Velar
stimmhaft բ (b, [b]) դ (d, [d]) գ (g, [g])
stimmlos պ (p, [p]) տ (t, [t]) կ (k, [k])
stimmlos aspiriert փ [p‘, [pʰ]) թ (p‘, [tʰ]) ք (k‘, [kʰ])

Verschlusslaute (Plosive) sind im Armenischen dreistufig (stimmhaft, stimmlos und stimmlos aspiriert). Hochdeutsche Muttersprachler nehmen nur zweistufige wahr (stimmhaft und stimmlos aspiriert) und brauchen etwas Zeit, um die Unterschiede erst bewusst wahrzunehmen und dann auch selbst auszusprechen. Vereinfacht gesagt sprachen Deutsche beim p, t und k immer ein h mit, während sie das bei b, d und g nicht tun. Im Alt- und Ostarmenischen gibt es zusätzlich noch eine unbehauchte Variante (also ohne h) von p, t und k. Dies entspricht der unbehauchten Aussprache von pizza (italienisch), coleur (französisch) oder там (russisch). Beim Transliterieren wird die Aspiration durch das Hinzufügen des Zeichens ‘ ausgedrückt.

Bei einer Reihe von Wörtern hat sich die Aussprache der Verschlusslaute über die Zeit verändert, während die Schreibung unverändert geblieben ist (meistens nicht am Wortanfang sondern in der Mitte oder im Auslaut). Dies wird bei der erstmaligen Erwähnung eines Wortes vermerkt. Beispiele: օդ (ōd, [otʰ]) – Luft, շաբաթ (šabat‘, [ʃapʰatʰ]) – Sonntag/Sonnabend (Sabbat), կարդալ (kardal, [kaɹtal]), երբ (erb, [jɛɹpʰ]) – wer (bezügliches Fürwort/Relativpronom), սուգ (sowg, [sukʰ]) – Trauer

Reibelaute

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Reibelaute
Labial Dental Postalveolar Uvular Glottal
stimmhaft վ (v, [v]) զ (z, [z]) ժ (ž, [ʒ])
stimmlos ֆ (f, [f]) ս (s, [s]) շ (š, [ʃ]) խ (x, [x]) հ (h, [h])

Die armenischen Reibelaute (Frikative) bereiten Deutschen keine Schwierigkeiten. Wichtig ist nur: der Buchstabe խ (klein) bzw. Խ (groß) gibt den so genannten Ach-Laut ([x]) wieder (wie in Bach), er wird nie wie der so genannte Ich-Laut [ç] (wie z.B. in Mädchen) ausgesprochen.

Eine Besonderheit ist der Buchstabe ւ (klein, transliteriert als w) bzw. Ւ (groß, W). Im Altarmenischen stand er vermutlich zwischen [v] und [u] oder gab den Halbvokal [w] wieder (wie in englisch water oder italienisch Luigi). Im Neuarmenischen wird er im Allgemeinen als [v] ausgesprochen, in Verbund mit dem Buchstaben ո wird dieser ursprüngliche Dipthong ու heute wie [u] ausgesprochen.

Affrikaten

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Affrikaten
Alveolar Palatal
stimmhaft ձ (j, [d͡z]) ջ (ǰ, [d͡ʒ])
stimmlos ծ (c [t͡s]) ճ (č, [t͡ʃ])
stimmlos aspiriert ց (c‘ [t͡sʰ]) չ (č‘,[t͡ʃʰ])

Das Armenische kennt sechs Affrikaten (Verbindung von jeweils einem Verschluss- und einem homorganen Reibelaut zu einem Phonem). Die Dreistufigkeit bereitet deutschen Muttersprachlern teilweise größere Schwierigkeiten, insbeondere die Aussprache von ծ (c, [t͡s]) und ճ (č, [t͡ʃ]).

Bei einer Reihe von Wörtern hat sich die Aussprache der Verschlusslaute über die Zeit verändert, während die Schreibung unverändert geblieben ist (meistens nicht am Wortanfang sondern in der Mitte oder im Auslaut). Dies wird bei der erstmaligen Erwähnung eines Wortes vermerkt. Beispiel: աղջիկ (ałǰik, [aʀt͡ʃʰik]) – Mädchen

Nasenlaute

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Die armenischen Nasenlaute (Nasale) unterscheiden sich nicht von den deutschen.

  • Das armenische [m] entspricht genau dem deutschen. Die entsprechenden Buchstaben sind մ (klein) bzw. Մ (groß).
  • ն bzw. Ն entsprechen genau wie n bzw. N zwei verschiedenen Lauten: [n] (Rahn, niemand) und [ŋ] (Rang, Klang). Hierdurch entstehen aber für deutsche Muttersprachler keinerlei Schwierigkeiten beim Sprechen, denn sie wählen intuitiv den richtigen Laut aus.

Vibranten

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Im Armenischen gibt es zwei Vibranten. Mit beiden sind deutsche Muttersprachler vertraut.

  • [ʀ] ist die übliche hochdeutsche Aussprache des deutschen r, diese Aussprache findet sich auch im Französischen. Man schreibt es als ղ bzw. Ղ.
  • [r] steht im Internationalen Phonetischen Alphabet für das gerollte r, wie es im deutschen Sprachraum u.a. in Süddeutschland, Österreich, der Schweiz und im Niederdeutschen (Plattdüütsch) gesprochen wird, außerhalb des deutschen Sprachraums trifft es z.B. im Italienischen, Spanischen und Russischen auf. Die entsprechenden armenischen Buchstaben sind ռ bzw. Ռ.

Zusammenfassende Tabelle der Konsonanten

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Die folgende Tabelle enthält alle armenische Konsonaten mit Ausnahme der Affrikaten (und der Ejektive).

  bilabial labiodental dental alveolar postalveolar retroflex palatal velar uvular pharyngal glottal
stl. sth. stl. sth. stl. sth. stl. sth. stl. sth. stl. sth. stl. sth. stl. sth. stl. sth. stl. sth. stl. sth.
Plosive p b         t d             k g            
Nasale   m           n               ŋ            
Vibranten               r                   ʀ        
Taps/Flaps                                            
Frikative     f v     s z ʃ ʒ         x           h  
laterale Frikative                                            
Approximanten               ɹ           j                
laterale Approximanten               l                            

Die Abkürzung stl. steht hier für stimmlos und sth. für stimmhaft. Dunkel hinterlegte Felder bezeichnen physiologisch unmögliche Artikulationen. Beispielsweise ist ein glottaler Nasal unmöglich, weil bei einem Verschluss der Stimmlippen keine Luft durch die Nase ausströmen kann.