Autor:innen: Kristina Peters

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Notwendiges Vorwissen: Erforderlich ist die sichere Beherrschung der Diebstahlsdelikte (§§ 242ff.) sowie der Nötigung (§ 240) und des Raubes (§ 249).

A. Systematik und Rechtsgut Bearbeiten

I. Systematik Bearbeiten

Der schwere Raub (§ 250) beinhaltet zwei Qualifikationen: Den schweren Raub (§ 250 I) mit einem Mindestmaß von drei Jahren und den besonders schweren Raub (§ 250 II) mit einem Mindestmaß von fünf Jahren Freiheitsstrafe. § 250 III ermöglicht in minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren.

§ 250 bildet einen Qualifikationstatbestand

  • zum Raub (§ 249),
  • zum räuberischen Diebstahl (§ 252, „ist gleich einem Räuber zu bestrafen“),
  • zur räuberischen Erpressung (§§ 253, 255, „ist gleich einem Räuber zu bestrafen“).

II.  Rechtsgut Bearbeiten

Die Schutzgüter des § 250 sind Leib und Leben.[1]

Es wird unmittelbar an den Unrechtsgehalt des Raubes angeknüpft: Dieser speist sich zu einem erheblichen Teil aus der Sorge, dass die Gewalt eskaliert beziehungsweise die Drohung wahrgemacht wird. Der Raub ist insoweit ein abstraktes Gefährdungsdelikt,[2] siehe → § 44. Im Rahmen des § 250 tritt diese Sorge in den Vordergrund. Es ist umstritten, ob § 250 I Nr. 1b insoweit eine Sonderrolle einnimmt (s.u.).

Häufig finden sich jedoch widersprüchliche Aussagen zum Schutzzweck. Zum Teil wird davon ausgegangen, dass § 250 lediglich die im Vergleich zum Grundtatbestand des Raubes gesteigerte Verletzung der Rechtsgüter Eigentum und Willensfreiheit erfasse.[3] Häufig wird daneben auch auf Leib und Leben abgestellt.[4] Zutreffender Weise handelt es sich jedoch bei Leib und Leben um die alleinigen Schutzgüter des § 250.[5]

Dessen Qualifikationstatbestände bilden ein komplexes Konstrukt abstrakter, konkreter und realisierter Gefährlichkeit. Es beinhaltet[6]

  • einen Verletzungstatbestand: „eine andere Person bei der Tat körperlich schwer mißhandelt“ (§ 250 II Nr. 3a),
  • zwei konkrete Gefährdungstatbestände
    • „eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt (§ 250 I Nr. 1c),
    • „eine andere Person durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt (§ 250 II Nr. 3b StGB),
  • fünf abstrakte Gefährdungstatbestände
    • „eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt (§ 250 I Nr. 1a),
    • „sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden“ (§ 250 I Nr. 1b),
    • „als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds“ (§ 250 I Nr. 2),
    • „bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet“ (§ 250 II Nr. 1),
    • „in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt“ (§ 250 II Nr. 2).

B. Objektiver Tatbestand Bearbeiten

I. Schwerer Raub, § 250 I Bearbeiten

Für den schweren Raub in § 250 I ist ein gegenüber dem Grundtatbestand deutlich erhöhtes Mindestmaß von Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren vorgesehen.

1. Beisichführen einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, § 250 I Nr. 1a Bearbeiten

Die Qualifikation entspricht § 244 I Nr. 1a,[7] siehe → § 38. Insbesondere ist gleichermaßen problematisch, wann ein anderes gefährliches Werkzeug vorliegt; hier stehen sich eine subjektive Zwecklösung, eine objektive Beschaffenheitslösung sowie eine objektive Kombinationslösung gegenüber.[8]

2. Beisichführen eines sonstigen Werkzeugs oder Mittels, § 250 I Nr. 1b Bearbeiten

Die Qualifikation entspricht § 244 I Nr. 1b,[9] siehe → § 38. Sie setzt neben den objektiven Merkmalen subjektiv eine Verwendungsabsicht voraus (überschießende Innentendenz).

Wie § 244 I Nr. 1b soll die Qualifikation zwei Gruppen von Gegenständen erfassen:

  •  Gruppe 1: Gegenstände, die im Falle der Realisierung der beabsichtigen Verwendung tatsächlich gefährlich sind,[10] ohne dass es sich um eine Waffe oder anderes gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 I Nr. 1a handelt („sonst ein Werkzeug oder Mittel“),
  •  Gruppe 2: Gegenstände, die auch im Falle ihres beabsichtigten Einsatzes völlig ungefährlich sind, sofern von ihnen nicht schon nach dem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich keine Gefahr ausgeht.[11]

Gegenstände unterfallen der Gruppe 1, wenn sie gefährlich sind, aber nicht schon § 250 I Nr. 1a greift. Der Gegenstand ist mithin „an sich“ ungefährlich und daher weder Waffe noch sonstiges gefährliches Werkzeug. Erst infolge der Verwendungsabsicht wird er gefährlich.

Beispiel: Das Opfer wird mit einem Seidenstrumpf gewürgt, mit einem Stuhl geschlagen, mit Tüchern geknebelt.

Gegenstände der Gruppe 2 sind hingegen auch im Falle der beabsichtigten Verwendung ungefährlich.

Beispiel: Handschellen, Seile, Klebeband, sofern jeweils keine gefährliche Verwendungsart (z.B. Würgen, s.o.) geplant ist.

Zum Teil sind die Gegenstände der zweiten Gruppe für sich genommen völlig ungeeignet, als Nötigungsmittel eingesetzt zu werden. Sie sollen die Wegnahme mithilfe einer Täuschung ermöglichen. Diese Scheinwaffen werden nach der herrschenden Meinung ebenfalls von § 250 I Nr. 1b erfasst.[12] Zur Begründung wird insbesondere auf den entsprechenden gesetzgeberischen Willen[13] sowie die Situation des Opfers verwiesen, welches die Täuschung nicht durchschaue und die Drohung daher ernstnehme.[14]

Beispiel: Dem Opfer wird eine Spielzeugpistole in den Rücken gedrückt, die es für eine echte Waffe hält.

Allerdings lässt sich die Einbeziehung solcher Gegenstände, die auch bei der konkreten Art der geplanten Verwendung völlig ungefährlich sind, teleologisch nicht rechtfertigen. Wieso sollte die Drohung, jemanden zu erschießen, wenn er oder sie sich der Wegnahme widersetzt, „nur“ gemäß § 249 I mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bestraft werden, während auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren zu erkennen ist, wenn zur Bekräftigung der Drohung eine Spielzeugpistole eingesetzt wird? Das Opfer wird hier nicht derart gefährdet, dass dies die erhebliche Steigerung des Strafmaßes rechtfertigen würde. Die Qualifikation wird daher vielfach als teleologisch verfehlt kritisiert.[15]

Deshalb erscheint es vorzugswürdig, den Tatbestand restriktiver auszulegen. Nach diesem Verständnis werden allein Mittel und Werkzeuge erfasst, deren beabsichtigte Anwendung objektiv Gefahren für Leib und Leben hervorrufen kann.[16] Diese Auffassung, die auch im Rahmen des § 244 vertreten wird, würde das Strafmaß von drei Jahren angemessener erscheinen lassen und die Gefährlichkeit des Tatbestands dem Gefährdungsmaß der übrigen Tatbestände des § 250 Absatz 1 annähern.[17] Dagegen spricht freilich, dass schon die Gesetzesmaterialien Spielzeug- und Kinderpistolen als Anwendungsbeispiele des § 250 I Nr. 1b genannt haben. Doch ist fraglich, ob derartige konkrete Auslegungsvorgaben die Rechtsanwendung zwingend binden.[18]

3. Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung, § 250 I Nr. 1c Bearbeiten

Die „schwere Gesundheitsschädigung“ setzt einen Erfolg im Sinne des § 226 I oder einen solchen von vergleichbarer Schwere voraus.[19] Insoweit muss eine konkrete Gefahr vorliegen.[20] Diese muss sich auf eine „andere Person“ beziehen. Erfasst sind neben dem Raubopfer auch unbeteiligte Dritte, nach herrschender Meinung jedoch keine Beteiligte (Täter:innen oder Teilnehmer:innen).[21]

Schließlich muss diese Gefahr „durch die Tat“ hervorgerufen werden. Eine Gefährdung bloß „bei Gelegenheit“ reicht nicht aus. Vielmehr muss die Gefahr durch eine finale Nötigungshandlung – also etwa einen entsprechend gefährlichen Einsatz von Gewalt – hervorgerufen werden.[22] Die Wegnahmehandlung – beispielsweise die Wegnahme eines lebensnotwendigen Medikaments – reicht insoweit nicht aus,[23] da die spezifische Gefährlichkeit des Raubes für Leib und Leben in der Nötigungshandlung wurzelt.

4. Bandentat, § 250 Abs. 1 Nr. 2 Bearbeiten

Die Bandentat wird üblicherweise ebenso wie im Rahmen des § 244 Abs. 1 Nr. 2 verstanden; insoweit bestehen die entsprechenden Probleme,[24] siehe → § 38.

Als „Raub oder Diebstahl“, zu deren „fortgesetzter Begehung“ sich die Bande verbunden haben muss, kommen neben § 242 und § 249 auch die sonstigen „räuberischen“ Taten in den §§ 252, 255 und 316a in Betracht.[25]

II.  Besonders schwerer Raub, § 250 II Bearbeiten

Für den besonders schweren Raub in § 250 II ist ein nochmals erhöhtes Mindestmaß von Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren vorgesehen.

1. Verwenden einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, § 250 II Nr. 1 Bearbeiten

Zum Waffenbegriff siehe § 244, → § 38.

Die Qualifikation des § 250 II Nr. 1 stellt den wohl wichtigsten, gleichzeitig aber auch schwierigsten Anwendungsfall des § 250 dar. Der Anwendungsbereich des Verwendens einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs bei der Tat ist bis heute weitgehend kasuistisch geprägt und lässt ein ausgearbeitetes theoretisches Fundament vermissen.[26] Grundsätzlich gilt: Mit dem Verwenden wird eine Steigerung mit Blick auf § 250 I Nr. 1 in den Blick genommen. § 250 I Nr. 1 und II Nr. 1 beinhalten wesentliche Zwischenschritte in Richtung eines Einsatzes einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeuges zur Verletzung des Opfers – dem Verletzungserfolg, dessen Eintritt § 250 StGB letztlich im Blick hat.[27]

2. Einheitlicher Werkzeugbegriff des § 250? Bearbeiten

Problematisch ist, ob der Begriff des anderen gefährlichen Werkzeugs in Absatz 2 ebenso wie in § 250 I Nr. 1a Alt. 2 und § 244 I Nr. 1a Alt. 2 zu verstehen ist.

Der Wortlaut und die Systematik des § 250 legen ein solches Verständnis nahe.[28] Hiernach besitzt § 250 insgesamt einen einheitlichen Werkzeugbegriff. Dann ist das Verständnis zugrunde zu legen, das im Rahmen des Meinungsstreits der §§ 244 I Nr. 1a Alt. 2, 250 I Nr. 1a Alt. 2 für vorzugswürdig erachtet wurde.

Die Rechtsprechung verfolgt jedoch eine andere Linie: Sie legt § 250 II Nr. 1 Alt. 2 einen anderen Werkzeugbegriff zugrunde als § 250 I Nr. 1a Alt. 2. Hiernach liegt ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 II Nr. 1 Alt. 2 vor, wenn der Gegenstand nach der Art seiner konkreten Verwendung geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen.

Es wird also auf das Verständnis im Rahmen des § 224 I Nr. 2 zurückgegriffen. Damit werden insbesondere auch neutrale Alltagsgegenstände erfasst, die bestimmungswidrig eingesetzt werden.

Beispiel: Ein Stuhl, der als Schlagwerkzeug eingesetzt wird.

Klausurtaktik

Aus diesem Grund ist § 250 II Nr. 1 auch dann zu prüfen, wenn § 250 I Nr. 1a verneint wurde. Dies gilt insbesondere für neutrale Alltagsgegenstände, die bestimmungswidrig eingesetzt werden.

Mit Blick auf Wortlaut und Systematik kann man diese Rechtsprechung durchaus kritisieren. Doch ist zu beachten, dass das Verwenden, welches § 250 II Nr. 1 anders als §§ 244 I Nr. 1a, 250 I Nr. 1a voraussetzt, die Situation – und den verwendeten Gegenstand – qualitativ verändert.[29] Nach einem solchen Verständnis sind diese Gegenstände nur im Moment ihres Einsatzes gegen einen Menschen gefährlich, im Übrigen nicht.[30] Der tatsächliche Einsatz eines Gegenstands erweitert nach der Rechtsprechung den Werkzeugbegriff – die handelnde Person akquiriert, mit anderen Worten, gefährliche Werkzeuge. Ein Stuhl, der dem Opfer auf den Kopf geschlagen wird, ist in diesem Moment ein gefährliches Werkzeug – er wird es jedoch erst durch die (gefährliche) Zweckentfremdung und bleibt es nur für deren Dauer. Nach diesem Verständnis haben Personen die Fähigkeit, neutrale Gegenstände gefährlich zu machen; ihre Handlungen verändern die Qualität der von ihnen vorgefundenen Gegenstände. In der Folge wohnt diesen Situationen im Falle des Verwendens eine besondere Gefährlichkeit inne, die den übrigen erfassten Fällen – den Waffen und bereits unabhängig von der Verwendung gefährlichen Werkzeugen – vergleichbar ist.

b)   Verwenden bei der Tat Bearbeiten

§ 250 II Nr. 1 setzt voraus, dass eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug tatsächlich eingesetzt wird, um Gewalt anzuwenden oder zu drohen.[31] Erforderlich ist damit ein gegenüber dem Grundtatbestand qualifizierter Einsatz von Nötigungsmitteln. Damit sind die Nötigungsmittel gegenüber § 240 I doppelt qualifiziert[32].

Weiterführendes Wissen

Der Streit um die Beendigungslösung (s.u.) ist insoweit unerheblich: Sowohl nach Auffassung der Rechtsprechung als auch des herrschenden Schrifttums muss das Verwenden im Sinne des § 250 II Nr. 1 Teil einer Nötigungshandlung, von Zueignungsabsicht getragen und final geprägt sein (ausführlich Peters, ZStW 134 (2022), 149 (156 f.)).

Weil § 250 II Nr. 1 StGB nach übereinstimmender Auffassung nicht erst das Verwenden zur Anwendung von Gewalt, sondern bereits ein Verwenden zur Drohung erfasst[33], stellt sich die Frage, inwieweit das Tatmittel tatsächlich eingesetzt werden muss.

Beispiel: A droht B damit, diese zu erschießen, wenn sie sich nicht ruhig verhält.

Hier wird zweifellos mit dem Verwenden einer Waffe gedroht. Doch reicht dies schon für ein Verwenden im Rahmen des § 250 II Nr. 1 – oder muss die Waffe darüber hinaus tatsächlich mitgeführt, durch das Opfer wahrgenommen oder sogar etwas mit ihr getan werden? Dies betrifft die Frage danach, inwieweit dem Verwendungsbegriff eine tatsächliche Komponente innewohnt.

Beispiel: A sucht im Haus des B nach Wertgegenständen und hat ein Messer dabei. Als B erwacht, ruft sie ihm zu, dass sie ein Messer habe, um ihm zu verstehen zu geben, dass sie dieses im Zweifel gegen ihn einsetzen werde. B versteht die Drohung entsprechend, kann aber aufgrund der Dunkelheit das Messer nicht sehen (BGH BeckRS 2020, 10603).

Diese Frage war lange umstritten. Nach Auffassung der Rechtsprechung ist – parallel zu § 250 I Nr. 1a StGB – erforderlich, dass das gefährliche Werkzeug zum Zeitpunkt des Verwendens tatsächlich verfügbar ist. Nicht erforderlich ist, dass das Opfer dieses sinnlich wahrnimmt, wobei insoweit in der Vergangenheit einige gerichtliche Entscheidungen für Unsicherheit gesorgt haben.[34]

Beispiel: Im o.g. Beispiel bejahte der BGH § 250 II Nr. 1, obwohl das Opfer das Messer nicht sah, spürte oder sonst sinnlich wahrnahm, und stellte entscheidend darauf ab, dass das Werkzeug tatsächlich verfügbar war (BGH BeckRS 2020, 10603, ausführliche Würdigung bei Peters, ZStW 134 (2022), 149 (175 f.)).

Demgegenüber verlangen einzelne Vertreter des Schrifttums, dass das Opfer das gefährliche Werkzeug wahrnehmen müsse.[35] Diese Auffassung beruht jedoch zumindest in Teilen auf einem Missverständnis hinsichtlich der Auffassung der Rechtsprechung.[36]

Eine Auffassung, wonach das Tatmittel bei der Drohung bereits in gefährlicher Art und Weise eingesetzt werden muss,[37] konnte sich bislang nicht durchsetzen.

Beispiel: A droht B und hält ihm dabei ein Messer dicht vor das Gesicht.

Insgesamt sind die Anforderungen an ein Verwenden bislang noch nicht ausreichend konkretisiert worden, sodass das Tatbestandsmerkmal weiterhin gewisse Unschärfen aufweist.

2.    Bandentat mit Beisichführen einer Waffe, § 250 II Nr. 2 Bearbeiten

Wird bei der Bandentat im Sinne des § 250 I Nr. 2 eine Waffe mitgeführt, wird das Strafmaß über § 250 II Nr. 2 nochmals angehoben.[38]

3.    Körperlich schwere Misshandlung, § 250 II Nr. 3a Bearbeiten

Eine körperlich schwere Misshandlung setzt eine schwere Beeinträchtigung der körperlichen Integrität mit erheblichen Folgen für die Gesundheit oder erheblichen Schmerzen voraus.[39] Nicht erforderlich ist, dass der Tatbestand der schweren Körperverletzung (§ 226) erfüllt wird.[40]

Beispiel: Zahlreiche heftige und mit Schmerzen verbundene Schläge (BGH NStZ-RR 2007, 175).

Die körperlich schwere Misshandlung muss durch den Einsatz der Nötigungsmittel erfolgen.[41] Das „bei der Tat“ des § 250 II Nr. 3a ist mithin ebenso wie im Rahmen des § 250 II Nr. 1 sowie gleichermaßen wie das „durch die Tat“ in § 250 I Nr. 1c und § 250 II Nr. 3b zu verstehen.[42]

4.    Gefahr des Todes, § 250 II Nr. 3b Bearbeiten

§ 250 II Nr. 3b setzt die konkrete Gefahr des Todes voraus; es handelt sich wie bei § 250 I Nr. 1c um ein konkretes Gefährdungsdelikt.[43]

III.  Verwirklichung zwischen Vollendung und Beendigung Bearbeiten

Ebenso wie im Rahmen des § 244 ist umstritten, ob die Qualifikationsgründe auch noch in der Phase zwischen Vollendung und Beendigung verwirklicht werden können,[44] siehe → § 38. Während die Rechtsprechung davon ausgeht, dass die Qualifikationen auch in der sogenannten Beendigungsphase noch verwirklicht werden können, sofern eine Beutesicherungsabsicht gegeben ist (sog. Beendigungslösung), beschränkt ein Großteil des Schrifttums den Anwendungsbereich auf die Phase bis zur Vollendung der Wegnahme (sog. Vollendungslösung).

IV. Teilrücktritt Bearbeiten

Umstritten ist, ob von den qualifizierenden Tatbeständen des § 250 zurückgetreten werden kann, ohne dass ein Rücktritt vom Grunddelikt erfolgt (sog. Teilrücktritt). Die Problematik entspricht § 244, siehe → § 38.

Beispiel: A will B ausrauben und führt hierzu zunächst eine Pistole mit sich. Als ihn plötzlich ein „ekliges Gefühl“ durchfährt, wirft er die Waffe jedoch fort, um seinen Tatplan ohne ihre Hilfe zu verwirklichen. Der Plan misslingt jedoch. Der BGH verneinte hier einen Teilrücktritt mit der Begründung, dass ein Beisichführen zu irgendeinem Zeitpunkt genüge und es keinen Teilrücktritt von qualifizierenden Tatbestandsmerkmalen gebe. Die Gegenansicht spricht sich für eine teleologische Reduktion aus (BGH NStZ 1984, 216; Wessels/Hillenkamp/Schuhr, Strafrecht Besonderer Teil 2, 44. Aufl. (2021), Rn. 387 mwN). Dogmatisch sauberer ist die strenge Linie des BGH.

C.  Subjektiver Tatbestand Bearbeiten

Erforderlich ist Vorsatz hinsichtlich aller Merkmale des objektiven Tatbestands.

Klausurtaktik

Es genügt nicht, lediglich pauschal „Wissen und Wollen“ zu bejahen. Stattdessen müssen nacheinander sämtliche Qualifikationen durchgeprüft werden, die im objektiven Tatbestand bejaht wurden, und ein entsprechender Vorsatz dargelegt werden. Wurde etwa der objektive Tatbestand des § 250 I Nr. 1a und Nr. 1c bejaht, so ist darzulegen, dass die betroffene Person 1) um das Vorhandensein der Waffe oder des anderen gefährlichen Werkzeuges wusste und 2) die konkrete Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung erkannte.

Sofern § 250 I Nr. 1b bejaht wurde, darf zudem dessen überschießende Innentendenz nicht vergessen werden: Erforderlich ist, dass das Werkzeug oder Mittel mitgeführt wird, „um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden“. Erforderlich ist also eine entsprechende Verwendungsabsicht.

Klausurtaktik

Die Verwendungsabsicht kann auch schon im objektiven Tatbestand mitgeprüft werden.

D. Konkurrenzen Bearbeiten

Innerhalb des § 250

  •  schließen sich Absatz 1 Nr. 1a und 1b gegenseitig aus,
  •  treten die Qualifikationstatbestände des Absatzes 1 gegenüber denjenigen des Absatz 2 zurück,
  •  tritt der Versuch des Absatz 2 Nr. 1 gegenüber der Vollendung des Absatz 1 Nr. 1a zurück,
  • stehen die Qualifikationstatbestände im Übrigen in Tateinheit.[45]

Tateinheit ist möglich

  • zwischen der schweren Körperverletzung und der Körperverletzung mit Todesfolge (§§ 226, 227) und § 250 I Nr. 1c oder II Nr. 3b.[46]

Verdrängt werden

  • § 250 II Nr. 3b durch den Raub mit Todesfolge (§ 251),[47]
  •  die fahrlässige Körperverletzung (§ 229) durch § 250 I Nr. 1c und II Nr. 3b,[48]
  •  die einfache Körperverletzung (§ 223) durch § 250 II Nr. 3a,[49]
  •  die gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 I Nr. 5 durch § 250 II Nr. 3b.[50]

E. Aufbauschema Bearbeiten

Wie bei allen Qualifikationen kann entweder zunächst der Grundtatbestand und dann die Qualifikation geprüft werden oder es können beide Tatbestände gemeinsam geprüft werden. Beides ist zulässig, wobei der gemeinsame Aufbau freilich wertvolle Zeit sparen kann. Andererseits gilt: Je komplexer der Aufbau wird – insbesondere, wenn auch noch § 251 hinzukommt oder beispielsweise ein Versuch geprüft wird –, desto eher kann es sich anbieten, getrennt zu prüfen, um den Überblick zu bewahren.[51]


I.     Getrennter Aufbau

A. Strafbarkeit gemäß § 249 I

Grunddelikt können daneben § 252 oder §§ 253, 255 sein.

B. Strafbarkeit gemäß §§ 249 I, 250

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand der Qualifikation

a) § 250 I Nr. 1a

2. Subjektiver Tatbestand der Qualifikation

Vorsatz bezüglich

a)    § 250 I Nr. 1a

ggf. Verwendungsabsicht im Rahmen des. § 250 I Nr. 1b

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld


II.  Gemeinsamer Aufbau


Strafbarkeit gemäß §§ 249 I, 250

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a) Objektiver Tatbestand des Grunddelikts, § 249 I

b) Objektiver Tatbestand der Qualifikation, § 250

(1) § 250 I Nr. 1a

2. Subjektiver Tatbestand

a) Subjektiver Tatbestand des Grunddelikts, § 249 I

b)    Vorsatz bzgl. der Qualifikation

§ 250 I Nr. 1a

ggf. Verwendungsabsicht im Rahmen des. § 250 I Nr. 1b

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld

Weiterführende Studienliteratur Bearbeiten

Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, 25. Auflage (2023), § 8.

Wessels/Hillenkamp/Schuhr, Strafrecht Besonderer Teil 2, 46. Aufl. (2023), Rn. 382 f.

  1. Ausführlich Peters, GA 2022, 78.
  2. Ausführlich Peters, GA 2022, 78 (79 f.).
  3. BGH NJW 1975, 2214 (2215); allgemein auf eine nicht näher spezifizierte „gesteigerte Gefährlichkeit“ stellen Sander, in: MüKo-StGB, Bd. IV, 4. Aufl. (2021), § 250 Rn. 1, und Wittig, in: BeckOK-StGB, 58. Ed. (2023), § 250 Rn. 1 ab.
  4. Kudlich, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, 5. Aufl. (2021), § 250 Rn. 2; Mitsch, BT 2, 3. Aufl. (2015), S. 491, für einen vorrangigen Personenschutz jedenfalls im Rahmen des  § 250 I Nr. 1a, 1c, II Nr. 1–3 Vogel/Buchard, in: LK-StGB, Bd. 13, 13. Aufl. (2022), § 250 Rn. 3; in diese Richtung wohl auch Bosch, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 250 Rn. 2 f.; Wittig, in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius (Hrsg.), Handbuch des Strafrechts, Bd. 5, BT II 2020, § 30 Rn. 117 („die meisten Qualifikationstatbestände“).
  5. Ausführlich Peters, GA 2022, 78.
  6. Ausführlich wiederum Peters, GA 2022, 78 (82 f.); zur abweichenden hM bzgl. § 250 I Nr. 1b s.u.
  7. Rengier, BT I, 25. Aufl. (2023), § 8 Rn. 3; Wessels/Hillenkamp/Schuhr, Strafrecht BT 2, 46. Aufl. (2023), Rn. 384, 385.
  8. Rengier, BT I, 25. Aufl. (2023), § 8 Rn. 3, § 4 Rn. 19 ff.
  9. Rengier, BT I, 25. Aufl. (2023), § 8 Rn. 4; Wessels/Hillenkamp/Schuhr, Strafrecht BT 2, 46. Aufl. (2023), Rn. 384, 388.
  10. Fischer, StGB, 70. Aufl. (2023), § 250  Rn. 9, § 244 Rn. 25; Bosch, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 250 Rn. 15, § 244 Rn. 14.
  11. Siehe die Bsp. etwa bei Rengier, BT I, 25. Aufl. (2023), § 8 Rn. 4 ff.
  12. BGH NStZ 2007, 332 Rn. 7; Rengier, BT I, 25. Aufl. (2023), § 8 Rn. 5; s. auch Wittig, in: BeckOK-StGB, 58. Ed. (2023), § 250 Rn. 6; Fischer, StGB 70. Aufl. (2023), § 250 Rn. 10 f.
  13. So schon der Rechtsausschuss, auf dessen Vorschlag die letztlich Realität gewordene heutige Fassung beruht, BT-Drucks. 13/9064, 18; auch der ursprüngliche Entwurf nannte in der Begründung bereits die „Kinderpistole“ als Beispiel, BT-Drucks. 13/8587, 44.
  14. Rengier, BT I, 25. Aufl. (2023), § 8 Rn. 6.
  15. Wessels/Hillenkamp/Schuhr, BT 2, 46. Aufl. (2023), Rn. 389 („systemwidriger Fremdkörper“); Sinn, in: SK-StGB, Bd. V, 9. Aufl. (2019), § 250 Rn. 6; kritisch auch Fischer, StGB, 70. Aufl. (2023), § 250 Rn. 11a f.; Vogel/Burchard; in: LK-StGB, Bd. 13, 13. Aufl. (2022), § 250 Rn. 5, 25; Wittig, in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius (Hrsg.), Handbuch des Strafrechts, Bd. 5, BT II,  (2020), § 30 Rn. 117, 123 f.
  16. So Kindhäuser, in: NK-StGB, 5. Aufl. (2017), § 244 Rn. 30, § 250 Rn. 5; s. auch Hörnle, Jura 1998, 169 (173 f.); aA Wessels/Hillenkamp/Schuhr, BT 2, 46. Aufl. (2023), Rn. 389.
  17. Siehe hierzu auch Peters, GA 2022, 78 (84 f.).
  18. Zu der schwierigen Frage, wie im Prozess der Rechtsanwendung mit expliziten Anwendungsbeispielen der Gesetzesmaterialien umzugehen ist, siehe auch Hörnle, Jura 1998, 169 (174); offengelassen etwa von BGH NStZ 2007, 332 Rn. 7; grundlegend Wischmeyer, JZ 2015, 957.
  19. Rengier, BT I, 25. Aufl. (2023), § 8 Rn. 12; Wessels/Hillenkamp/Schuhr, BT 2, 46. Aufl. (2023), Rn. 393.
  20. Rengier, BT I, 25. Aufl. (2023), § 8 Rn. 12; Wessels/Hillenkamp/Schuhr, BT 2, 46. Aufl. (2023), Rn. 392.
  21. Wessels/Hillenkamp/Schuhr, BT 2, 46. Aufl. (2023), Rn. 393; Fischer, StGB 70. Aufl. (2023), § 250 Rn. 13; Maier, in: Matt/Renzikowski, 2. Aufl. (2020), § 250 Rn. 24; Kindhäuser, in: NK-StGB, 6. Aufl. (2023), § 250 Rn. 12; Kudlich, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, 5. Aufl. (2021), § 250 Rn. 14; Bosch, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 250 Rn. 22; Sinn, in: SK-StGB, Bd. V, 9. Aufl. (2019), § 250  Rn. 39; Eisele, BT II, 6. Aufl. (2021), Rn. 355; zu § 251 s. BGH NJW 1992, 2103; für eine Einbeziehung der Tatbeteiligten etwa Wittig, in BeckOK-StGB, 59. Ed. (2023), § 250 Rn. 9.
  22. Siehe etwa Kudlich, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, 5. Aufl. (2021), § 250 Rn. 12, 14; ausführlich Peters, ZStW 134 (2022), 149.
  23. AA Sander, in: MüKo-StGB, Bd. IV, 4. Aufl. (2021), § 250 Rn. 52.
  24. Rengier, BT I, 25. Aufl. (2023), § 8 Rn. 14; Wessels/Hillenkamp/Schuhr, BT 2, 46. Aufl. (2023), Rn. 384, 394.
  25. Rengier, BT I, 25. Aufl. (2023), § 8 Rn. 14.
  26. Grundlegend Peters, ZStW 134 (2022), 149; siehe auch Vogel/Burchard, in: LK-StGB, Bd. 13, 13. Aufl. (2022), § 250 Rn. 43.
  27. Siehe auch BGH BeckRS 2004, 4279; BeckRS 2004, 10264; vgl. auch BGH NJW 2001, 2185 (2186) zu § 177 a.F.; Hannich/Kudlich, NJW 2010, 3475 (3476); für eine Restriktion des Drohens auf Fälle, in denen dieses bereits gefährlich ist, tritt etwa Mitsch, BT 2, 3. Aufl. (2015), S. 531 ein; ausführlich zur Teleologie Peters, GA 2022, 78 (84 f.).
  28. Rengier, BT I, 25. Aufl. (2023), § 8 Rn. 21.
  29. Grundlegend Peters, ZStW 134 (2022), 149.
  30. Siehe auch Rengier, BT I, 25. Aufl. (2023), § 8 Rn. 23: “Widmungsakt“.
  31. Rengier, BT I, 25. Aufl. (2023), § 8 Rn. 17; Wessels/Hillenkamp/Schuhr, BT 2, 46. Aufl. (2023), Rn. 396; dafür, dass auch ein Drohen ausreicht, schon BT-Drs. 13/8587, S. 45.
  32. Peters, ZStW 134 (2022), 149 (175 f.).
  33. So schon BT-Drs. 13/8587, S. 45.
  34. Ausführlich und m.w.N. Peters, ZStW 134 (2022), 149 (175 f.).
  35. Kudlich, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, 5. Aufl. (2021), § 250 Rn. 24; ähnlich Bosch, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 250 Rn. 29; Sinn, in: SK-StGB, Bd. V, 9. Aufl. (2019), § 250 Rn. 53; Bleicher, Waffen, gefährliche Werkzeuge, sonstige Werkzeuge und Mittel in §§ 177, 244, 250 StGB nach dem 6. StRG, 2014, S. 265; Mitsch, BT 2, 3. Aufl. (2015), S. 531; Bosch, JURA 2018, 635; Nestler, JURA 2018, 962.
  36. Peters, ZStW 134 (2022), 149 (175 f.).
  37. Mitsch, BT 2, 3. Aufl. (2015), S. 531; Schroth, NJW 1998, 2861 (2864).
  38. Rengier, BT I, 25. Aufl. (2023), § 8 Rn. 35.
  39. BGH NStZ-RR 2007, 175; Rengier, BT I, 25. Aufl. (2023), § 8 Rn. 36.
  40. BGH NStZ-RR 2007, 175.
  41. Ausführlich Peters ZStW 134 (2022), 149; unscharf BGH BeckRS 2009, 10768, Rn. 8; aA Sander in MüKo-StGB, Bd. IV, 4. Aufl. (2021), § 250 Rn. 52, 65.
  42. Peters ZStW 134 (2022), 149.
  43. Rengier, BT I, 25. Aufl. (2023), § 8 Rn. 37.
  44. Rengier, BT I, 25. Aufl. (2023), § 8 Rn. 41 f., § 4, Rn. 48 f.
  45. Fischer, StGB, 70. Aufl. (2023), § 250 Rn. 30.
  46. Fischer, StGB, 70. Aufl. (2023), § 250 Rn. 30.
  47. Fischer, StGB, 70. Aufl. (2023), § 250 Rn. 30.
  48. Fischer, StGB, 70. Aufl. (2023), § 250 Rn. 30.
  49. Fischer, StGB, 70. Aufl. (2023), § 250 Rn. 30.
  50. Fischer, StGB, 70. Aufl. (2023), § 250 Rn. 30.
  51. Allgemein einen getrennten Aufbau empfehlend Rengier, BT I, 25. Aufl. (2023), § 8 Rn. 2.