Meisterhaft – Musterhaft Georg Bötticher/ Tapetenmuster für den europäischen Markt/ 1873 Weltausstellung in Wien

1873 Weltausstellung in Wien

In Bötticher regt sich ein Freiheitsdrang, der ihn beispielsweise auch nie eine Stelle im Museum oder in einer Kunstgewerbeschule hatte annehmen lassen. Mit dem Termin der Weltausstellung löste Georg Bötticher sein Arbeitsverhältnis zur Engelhard’schen Firma in Mannheim. Er blieb ihr aber als freier Mitarbeiter noch lange Jahre verbunden.

Die Weltausstellung vom 1. Mai bis 31. Oktober 1873 in Wien fand unter denkbar schwierigen Umständen statt. Vor dem Hintergrund des Börsenkrachs und dem Ausbruch einer Cholera-Epidemie, kamen dennoch 7 Millionen Messebesucher.

Bötticher reist für drei Wochen nach Wien. Unter den 53 000 Ausstellern waren die der Tapetenbranche exzellent vertreten. Kunsthandwerk und Kunstgewerbe sah man sozusagen als Indikatoren für die geschmackliche Reife einer Nation an.

Der Pariser Fabrikant Paul Balin hatte die Stoffmuster auf Papier weiter perfektioniert. Er fügte dem Papier Seide ein, schuf Samtstoffe mit Gold- und Silbereffekten, fast noch schöner als die Lyoner echten Gewebe. Er war darin erklärtermaßen konkurrenzlos.

Bötticher traf viele Kollegen. Und er staunte nicht schlecht, als er unter den Mustern bei Balin seine eigenen, in Atelier Martin entworfenen wieder erkannte, die in den neuen Materialien natürlich anders wirkten. Er sprach Balin an, zollte Bewunderung und fragte, wie er zu seinen Mustern gekommen sei. Balin leugnete empört die Herkunft der Muster vom Atelier Martin. In Wien waren gleichwohl nur wenige deutsche Firmen vertreten, unter Ihnen Herting Einbeck b. Hannover, Hochstätter Darmstadt, Hitschold Darmstadt, Stolberg Hannover, Rommel Berlin, Jost Offenbach.

Von Wien reiste Bötticher nach Jena, seiner Geburtsstadt, wohin seine Mutter vor kurzem von Dresden aus gezogen war. Wieder richtete er sich gleich ein Atelier ein. Er erhielt schon bald erneut erste Aufträge der führenden Tapetenfirmen wie z. B. Engelhard Mannheim, Schütz Wurzen, Zuber Rixheim, noch dazu kamen große Bestellungen trotz seiner hohen Preise, über die sich Heinrich Engelhard ein wenig mokierte.