Marketing- und Vertriebscontrolling/ Marketing- und Vertriebscontrolling/ Organisatorische Einordnung des MVC

Im Hinblick auf die organisatorische Verankerung des Marketing- und Vertriebscontrollings sind drei Konstellationen denkbar: eine fachliche und disziplinarische Zuordnung entweder zum Marketing- und Vertriebsbereich oder zum zentralen Controlling. Die dritte Variante beinhaltet eine Trennung der Zuständigkeiten in fachliche Führung durch das Controlling und disziplinarische Führung durch den Bereich (Dotted-Line-Prinzip).[1] Unter fachlicher Zuordnung wird nach Horváth die methodische Kompetenz und die Aufgabenwahrnehmung verstanden, wohingegen die disziplinarische Zuordnung die arbeitsvertraglichen Regelungen umfasst.[2] Nachfolgend werden die Vor- und Nachteile der drei Varianten kurz erläutert:


1. Variante: fachliche und disziplinarische Zuordnung zum zentralen Controlling


Fachliche und disziplinarische Verankerung des MVC beim zentralen Controlling

Ein wesentlicher Vorteil dieser Zuordnung zum zentralen Controlling liegt in der Unabhängigkeit des Controllers von den Marketing- und Vertriebsverantwortlichen, was eine kritische Analyse der Marketing- und Vertriebsaktivitäten ermöglicht.[3] Darüber hinaus können Veränderungen in der strategischen Grundausrichtung und neue Konzepte besser unterstützt werden. Folglich lässt sich mit dieser Variante die Durchführung eines einheitlichen Controllingkonzeptes gewährleisten.[4]

Ein Nachteil dieser Variante ist der mangelnde Einblick des Controllers in die Aktivitäten und Entscheidungsprozesse des Marketing und Vertriebs.[5] Durch die Distanz zum Bereich sowie ein fehlender Bezug zum Markt und dessen Entwicklung besteht die Gefahr einer geringen Akzeptanz des Marketing- und Vertriebscontrollers bei der Entscheidungsunterstützung.[6] Denkbar sind auch erschwerte Informationsbeschaffung und Kompetenzüberschneidungen, da die originäre Planung- und Kontrollverantwortung beim Management liegt.[7]


2. Variante: fachliche und disziplinarische Zuordnung zum Marketing und Vertrieb


Fachliche und disziplinarische Verankerung des MVC beim Marketing- und Vertriebsbereich

Der Vorteil der zweiten Variante besteht in der unmittelbaren Fach- und Problemnähe des Controllers zu den Abläufen im Marketing- und Vertriebsbereich.[8] Demzufolge kann er besser auf die Bedürfnisse des Bereiches eingehen und sich schneller mit Informationen über formelle oder informelle Informationskanäle versorgen.[9] Durch eine gute und vertrauliche Zusammenarbeit mit dem Bereich wird der Controller als fachkompetent akzeptiert und zur Entscheidungsunterstützung herangezogen. Er wird also nicht als ein Außenstehender ohne Bezug zu den Besonderheiten der Abteilung, wie in der zuvor beschriebenen Variante, angesehen.[10]

Es bleibt jedoch die Gefahr, dass der Vorgesetzte der Marketing- bzw. Vertriebsabteilung eine unabhängige und neutrale Analyse der Markt- und Kundendaten sowie eine kritische Überprüfung der Prozesse möglicherweise nicht unterstützt.[11] Aufgrund mangelnder Distanz und Objektivität des Controllers zu den Bereichsaktivitäten wird Bereichsegoismus gefördert.[12] Darüber kann es zu einer Verringerung der Berichterstattung und Abstimmung mit dem Zentralcontrolling kommen, was jedoch zur Orientierung an den gesamtunternehmerischen Plänen, Kennzahlensystemen und Steuerungsgrößen erforderlich ist. Seitens des Marketing- und Vertriebscontrollers wird das Controllinggesamtkonzept vernachlässigt, da ein erhöhter Koordinations- und Kommunikationsaufwand notwendig ist, um die Ziele des zentralen Controllings sicher zu stellen.[13]


3. Variante: fachliche Zuordnung zum Controlling und disziplinarische Zuordnung zum Marketing und Vertrieb


Fachliche Verankerung des MVC beim zentralen Controlling und disziplinarische Zuordnung zum Marketing- und Vertriebsbereich (Dotted-Line-Prinzip)

In der dritten Variante wird das Marketing- und Vertriebscontrolling disziplinarisch dem Marketing- und Vertriebsmanagement und fachlich dem zentralen Controlling zugeordnet. Sie stellt eine Kompromisslösung dar und vereint die Vorteile der zuvor beschriebenen Varianten.[14] Hinter diesem sogenannten "Dotted-Line-Prinzip" verbirgt sich eine Kooperation zwischen dem Marketing- und Vertriebscontrolling und dem zentralen Controlling auf der einen Seite und dem Marketing- und Vertriebsmanagement auf der anderen Seite. Dadurch wird eine durchgängige Kongruenz der Unternehmensziele und die gegenseitige Unterstützung dieser Funktionsbereiche gewährleistet.[15] Laut einer Studie von Weber aus dem Jahr 2001 ist diese organisatorische Variante in 79% der deutschen Unternehmen zu finden.[16]

Neben den genannten Vorteilen der ersten und zweiten Variante werden bei dieser organisatorischen Zuordnung die Koordinationsbeziehungen innerhalb des Bereiches forciert.[17] Somit kann der Marketing- und Vertriebscontroller die gesamtzielbezogene Steuerung koordinierend unterstützen. Er wird am Entscheidungsprozess beteiligt und kann frühzeitig Soll-/Ist Abweichungen erkennen sowie in Entscheidungen über Gegensteuerungsmaßnahmen und deren Folgen eingebunden werden.[18] Ferner kann der Marketing- und Vertriebscontroller bei dieser Variante die Bereichserfordernisse mit den Forderungen des zentralen Controllings leichter in Einklang bringen.[19]

Diese Form wirft jedoch auch organisatorische und strukturelle Probleme auf, da der Controller in diesem Fall zwei Bereichen unterstellt ist. Dissonanzen, Interessenskonflikte und Abstimmungsprobleme zwischen dem zentralen Controlling und dem Bereich, die auf Kosten des Bereichscontrollers ausgetragen werden, können die Folge sein und zu einer unzureichenden Qualität des Marketing- und Vertriebscontrollings führen.[20] Zur Verwirklichung der Koordinationsaufgaben sind dem Marketing- und Vertriebscontroller daher abgegrenzte funktionale Kompetenzen einzuräumen.[21]


Für die Wahl der organisatorischen Einordnung des Bereichscontrollers spielen Merkmale wie die Unternehmensgröße, die Komplexität des Produktprogramms und der Marktbeziehungen sowie die bestehende organisatorische Verankerung des Marketing- und Vertriebsbereiches eine entscheidende Rolle. Diese Aspekte sowie die dargestellten Vor- und Nachteile der einzelnen Varianten sind daher bei der Eingliederung zu berücksichtigen. Letzten Endes ist also die organisatorische Verankerung des Marketing- und Vertriebscontrollers nicht nur ein Ausfluss der Unternehmensphilosophie sondern auch von der jeweiligen Unternehmenssituation abhängig.[22]




  1. Vgl. Gleich, R./ Temmel, P., 2007, S. 18; Homburg, C./ Krohmer, H., 2003, S. 1030.
  2. Vgl. Horváth, P., 1998, S. 813.
  3. Vgl. Perlitz, M. u.a., 2007, S. 429.
  4. Vgl. Horváth, P., 2002, S. 844.
  5. Vgl. Horváth, P./ Reichmann, T., 2003, S. 477.
  6. Vgl. Horváth, P., 2002, S. 844.
  7. Vgl. Perlitz, M. u.a., 2007, S. 428.
  8. Vgl. Horváth, P./ Reichmann, T., 2003, S. 477.
  9. Vgl. Perlitz, M. u.a., 2007, S. 429.
  10. Vgl. Horváth, P., 2002, S. 844.
  11. Vgl. Dehr, G., 2003, S. 739.
  12. Vgl. Küpper, H.-U./ Weber, J., 1995, S. 88; Perlitz, M. u.a., 2007, S. 428.
  13. Vgl. Horváth, P., 2002, S. 844; Horváth, P./ Reichmann, T., 2003, S. 477.
  14. Vgl. Horváth, P., 2002, S. 844.
  15. Vgl. Reinecke, S./ Janz, S., 2006, S. 928.
  16. Vgl. Esser, J./ Müller, M., 2007, S. 44.
  17. Vgl. Perlitz, M. u.a., 2007, S. 429.
  18. Vgl. Dehr, G., 2003, S. 739.
  19. Vgl. Horváth, P., 2002, S. 844.
  20. Vgl. Küpper, H.-U./ Weber, J., 1995, S. 88.
  21. Vgl. Horváth, P./ Reichmann, T., 2003, S. 477.
  22. Vgl. Perlitz, M. u.a., 2007, S. 427.