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Otto Richter: Der Bußprediger Johannes von Capistrano in Dresden und den Nachbarstädten 1452

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Der Bußprediger Johannes von Capistrano in Dresden und den Nachbarstädten 1452. Von Dr. Otto Richter

Die merkwürdige Gestalt des fanatischen Franziskanermönchs Johannes aus Capistrano in den Abruzzen, der im Jahre 1450[WS 1] vom Papst Nikolaus V. zur Ausrottung der Ketzerei nach Deutschland gesandt wurde und mit ungeheurem Erfolge Buße predigend umherzog, ist nach ihrer Bedeutung im allgemeinen bereits mehrfach eingehend gewürdigt worden[1]. Dagegen sind wir über die Zeit und die näheren Umstände seines Auftretens gerade in unserer Gegend sehr ungenügend unterrichtet; seine Anwesenheit in mancher meißnischen Städten, insbesondere auch in Dresden, konnte bisher nur daraufhin behauptet werden, daß diese Städte im Jahre 1462 in eigenen Schreiben[WS 2] an den Papst seine Heiligsprechung befürwortet haben. Die Veröffentlichung einiger neuer urkundlicher Nachrichten über den Durchzug des berühmten Mannes mag deshalb nicht überflüssig erscheinen.

Sobald Johannes von Capistrano sich einer Stadt näherte, pflegte der Rat ihm entgegen zu reiten und ihn feierlich in das [2] am Orte befindliche Franziskanerkloster, wo er seine Wohnung aufschlug, zu geleiten. Von da wurde er wiederum zu jeder seiner Predigten, die er auf öffentlichem Markte hielt, durch Ratsherren abgeholt. Die in lateinischer Sprache gehaltene Predigt übertrug einer seiner Genossen dem Volke nachher ins Deutsche, aber weit mehr als seine feurigen Worte waren die lebhaften Geberden und das Mienenspiel des hageren, hohläugigen Mönches von einer die Massen tief ergreifenden Wirkung. Brettspiele, Würfel, Karten und Luxusgegenstände ließ er sich bringen, um sie in Haufen zu verbrennen; die Frauen forderte er auf, ihre langen Zöpfe, die Zeichen der Hoffart, abzuschneiden, und übergab sie gleichfalls den Flammen. Vielfache polizeiliche Luxusbeschränkungen waren die Folgen seines Eiferns gegen die herrschende Genußsucht; aber die in der folgenden Zeit sehr häufig eintretende Notwendigkeit der Verschärfung der Luxusgesetze beweist, daß seine Predigten trotz der augenblicklichen Begeisterung, die sie erregten, eine nachhaltige Wirkung nicht hatten.

Im Anfange des Jahres 1452 begegnen wir dem eifrigen Bußprediger in Chemnitz, wo er am 16. Februar mit vier Ordensbrüdern zu Pferde und vier anderen zu Wagen seinen Einzug hielt[2]. Von da begab er sich nach Freiberg: laut einer am 4. März dort ausgestellten Urkunde nahm er den Pfarrer der Nikolaikirche nebst allen Geistlichen und Laien seiner Pfarrei in die Brüderschaft und die Gemeinschaft der guten Werke des Franziskanerordens auf[3].

Wenige Tage später war er in Meißen anwesend und redete zu den Volksmassen vom Dache eines Hauses am Markte herab[WS 3]. Bei dem außergewöhnlichen Zusammenflusse von Menschen begann es in der Stadt an Lebensmitteln zu mangeln; Kurfürst Friedrich erließ deshalb unterm 8. März an den Rat zu Dresden Befehl, die dortigen Bäcker anzuhalten, daß sie einen Tag um den andern drei Wagen mit Brot nach Meißen zum Verkaufe [3] brächten[4]. In Dresden selbst richtete man sich auf die baldige Ankunft des Mönches ein und ließ bereits eine gründliche Reinigung des Marktes ausführen[5]. Man wartete vergeblich. Nachdem er am 18. März noch den Rat und die gesamte Bürgerschaft Meißens in die Brüderschaft seines Ordens aufgenommen[6], trat er eine Reise zu den böhmischen Ketzern an. Kurfürst Friedrich gab ihm eine Anzahl Reisige und Trabanten nach Brüx mit, die vierzehn Tage als Bedeckung bei ihm bleiben sollten; an seinen Münzmeister und Wechsler in Freiberg erging am 20. März der Befehl, dem Hauptmanne der Trabanten, Kaspar von Rechenberg, 15 Schock Groschen zur Bestreitung der Kosten des Zuges auszuzahlen[7].

Nach seiner Rückkehr aus Böhmen finden wir Capistrano in Erfurt wieder, wo er am 28. August 1452 seinen Einzug hielt. [4] Nachdem er dort am Sonntage (nach?) Matthiä (10. September?) zum letzten Male gepredigt[8], zog er über Weimar nach Leipzig. Hier traf er am 20. Oktober ein und wirkte vier Wochen lang mit dem größten Erfolge. Gegen 70 Universitätsverwandte ließen sich bewegen, der Welt zu entsagen und in seinen Orden einzutreten; die Mönche des Franziskaner- und des Dominikanerklosters kehrten zur Strenge ihrer Regel zurück. Der Rat erließ am 22. Dezember ein Verbot gegen die dem Bußprediger verhaßten spitzen Schuhe und untersagte den Bäckern die Veranstaltung eines Tanzes und gemeinen Bieres[9]. Von Leipzig im November aufbrechend berührte Capistrano weiter die Städte Grimma (wohin Kurfürst Friedrich ihm den Prediger der Dresdner Frauenkirche mit einem Briefe entgegensandte)[10], Oschatz[11] und Großenhain. An letzteren Ort schickte der Rat zu Dresden seinen Stadtrichter, der Erkundigung einziehen sollte, wie der dortige Rat den verehrten Mann aufgenommen habe[12]. Inzwischen hatte man in Dresden schon in der ersten Dezemberwoche mit den Vorbereitungen für seine Herkunft begonnen, eine Rednerbühne für ihn und Bänke für die zuhörenden Schüler und Priester auf dem Markte erbaut und ihm im Barfüßerkloster, wo er Wohnung nehmen sollte, ein Büchergestell hergerichtet[13]. Der Tag seiner Ankunft in Dresden [5] läßt sich nicht genau feststellen, er fällt jedenfalls in die zweite Hälfte des Dezember. In Bezug auf die nähern Umstände seines Aufenthalts ist aus den Rechnungen zu ersehen, daß zwei Ratsherren, Johannes Weißensee und Johannes Fredinger, damit beauftragt waren, für seine und seiner Begleiter Bedürfnisse Sorge zu tragen; zu diesen Bedürfnissen gehörte auch welscher Wein, den man von Freiberg holen lassen mußte. Die Summe von 12 Schock und 12 Groschen, welche die Stadt für die Verpflegung ihrer Gäste innerhalb der kurzen Zeit von etwa einer Woche aufzuwenden hatte, muß auffällig hoch erscheinen, wenn nicht etwa anzunehmen ist, daß die frühere Zahl von acht Begleitern des Capistrano sich erheblich vermehrt hatte; diese Annahme wird auch dadurch gestützt, daß zur Weiterbeförderung der Mönche mehrere Wagen erforderlich waren[14]. Der Aufbruch von Dresden erfolgte am 27. Dezember 1452; das nächste Reiseziel war Kamenz, wohin der Dresdner Ratsherr Wenzel Goldschmied mit städtischen Wagen und Pferden den frommen Vater geleitete und wo dieser alsdann vier Tage lang predigte [15]. Von dort ist er wahrscheinlich nach Bautzen und Görlitz weitergereist. [6]

Anmerkungen

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Vgl. besonders G. Voigt, Johannes von Capistrano, ein Heiliger des 15. Jahrhunderts, in v. Sybels Historischer Zeitschrift 10 (München 1863), S. 19 ff.
Scriptores rer. Germanicar., ed. Mencke, III (Lipsiae 1730), S. 158.
Codex dipl. Sax. reg. II, 12 (Leipzig 1882), S. 199. Vgl. dazu Möller, theatrum Freib. chron. (Freybergk 1653), S. 99.
Der Befehl lautet: „Friderich von gots gnaden herczog zcu Sachsen etc. Lieben getruwen. Es ist der wirdig und innige vater her Johans de Capistrano alher gein Missen komen, dem dann vyl lute gevolgit und sich siner lere getrost haben, deßhalben im notdurft gebrichet. Dorumb begern wir mit ganczem flisse, das ir bie uch mit den beckern bestellet, das sie uff morne mit dryen waynen anheben und ye aber den andern tag dieselben waine mit brote alher gein Missen furen und vorkoufen lasen. Das nicht vorhaldet, daran tut ir uns wol czu dancke. Geben zcu Missen am mittwochen nach reminiscere anno etc. L secundo. – Dem rate zcu Dresdenn unsern liben getruwen.“ (Original im Ratsarchiv zu Dresden.)
„Dominica oculi mei [12. März]: Primo 44 gr. 4 hllr. czwelff gesellin den marckt zcu schuffiln unde den mistledirn, etliche 3½ tag, etliche 3 tage, etliche 2 tage, sicut pater devotus Johannes de Capestrano debuit venisse et non venit“. (Bauamtsrechnung von 1452 im Ratsarchiv zu Dresden.)
Codex dipl. Sax. reg. II, 4, S. 70.

Literatur

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Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Topographie Dresdens und seiner Umgebung. Viertes Heft. Dresden, in Kommission bei Carl Tittmann. 1883.

I. Der Bußprediger Johannes von Capistrano in Dresden und den Nachbarstädten 1452. Von Dr. O. Richter S. 1 – 5