Monotoniekriterium: Zusammenhang zwischen Monotonie und Ableitung einer Funktion – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“

Monotoniekriterium Bearbeiten

Das Monotoniekriterium für die Ableitung wird bereits in der Schule behandelt. Ist die Ableitungsfunktion   einer differenzierbaren Funktion   auf einem Intervall   nicht-negativ beziehungsweise nicht-positiv, so ist   auf   monoton steigend beziehungsweise monoton fallend. Ist   sogar echt positiv beziehungsweise echt negativ auf  , so ist   dort streng monoton steigend beziehungsweise fallend. Im ersten Fall gilt auch die Umkehrung der Aussage. Sprich: Steigt eine differenzierbare Funktion auf   monoton, so ist   und eine auf   fallende und ableitbare Funktion besitzt eine negative Ableitung.

Satz (Monotoniekriterium für differenzierbare Funktionen)

Sei   stetig und auf   differenzierbar. Dann gilt

  1.   auf       monoton steigend auf  
  2.   auf       monoton fallend auf  
  3.   auf       streng monoton steigend auf  
  4.   auf       streng monoton fallend auf  

Beweis Bearbeiten

Die Hinrichtungen des Satzes folgen allesamt aus dem Mittelwertsatz. Die Rückrichtungen der ersten beiden Aussagen folgen aus der Differenzierbarkeit der Funktion:

Beweis (Monotoniekriterium für differenzierbare Funktionen)

Wir zeigen zunächst die Hinrichtungen und danach die Rückrichtungen der Aussagen.

Hinrichtung 1: Aus   auf   folgt, dass   monoton steigend auf   ist.

Gelte   für alle   und seien   mit  . Wir müssen   zeigen. Nach Voraussetzung ist   auf   stetig und auf   differenzierbar. Nach dem Mittelwertsatz gibt es ein   mit

 

Nach Voraussetzung ist  , und somit  . Wegen   folgt daraus für den Zähler  . Dies ist äquivalent zu  , d.h.   ist monoton steigend.

Hinrichtung 2: Aus   auf   folgt, dass   monoton fallend auf   ist.

Gelte   für alle   und seien   mit  . Wir müssen nun   zeigen. Nach Voraussetzung ist   auf   stetig und auf   differenzierbar. Nach dem Mittelwertsatz gibt es ein   mit

 

Nun ist  , und somit  . Wegen   folgt daraus  . Dies ist äquivalent zu  , d.h.   ist monoton fallend.

Hinrichtung 3:   auf   impliziert   streng monoton steigend auf  

Zeigen wir zur Abwechslung diese Aussage mittels Kontraposition. Sei also   nicht streng monoton steigend. Dann gibt es   mit   und  . Wir müssen zeigen, dass es ein   mit   gibt. Nun ist   stetig auf   und differenzierbar auf  . Nach dem Mittelwertsatz gibt es daher ein   mit

 

Wegen   ist der Zähler des Quotienten nicht-positiv, und wegen   ist der Nenner positiv. Damit ist der gesamte Bruch nicht-positiv, und daher  .

Hinrichtung 4:   auf   impliziert   streng monoton fallend auf  

Wieder benutzen wir Kontraposition. Sei also   nicht streng monoton fallend. Dann gibt es   mit   und  . Nun müssen wir zeigen, dass es ein   mit   gibt. Da   wieder stetig auf   und differenzierbar auf   ist, gibt es nach dem Mittelwertsatz ein   mit

 

Wegen   ist der Zähler nicht-negativ, und wegen   ist der Nenner positiv. Damit ist der gesamte Bruch nicht-negativ, und damit  .

Nun wenden wir uns den beiden Rückrichtungen zu:

Rückrichtung 1:   monoton steigend auf   implizert   auf  

Seien   mit  . Wegen der Monotonie gilt dann  . Sind weiter   mit  , dann gilt für den Differenzenquotienten

 

Ist nämlich  , so ist  . Zähler und Nenner des Differenzenquotienten sind damit nicht-negativ, und damit auch der gesamte Quotient. Analog sind im Fall   und   Zähler und Nenner nicht-positiv. Damit ist der gesamte Bruch wieder nicht-negativ. Nun bilden wir den Differentialquotienten, mit dem Grenzübergang  . Dieser existiert, da   auf   differenzierbar ist. Weiter bleibt die Ungleichung wegen der Monotonieregel für Grenzwerte erhalten. Damit haben wir

 

Da   und   beliebig waren, folgt die Behauptung   auf  .

Rückrichtung 2:   monoton fallend auf   impliziert   auf  

Seien wieder   mit  . Wegen der Monotonie gilt nun  . Weiter seien wieder   mit  , dann gilt für den Differenzenquotienten

 

Ist nämlich  , so ist  , und damit ist der gesamte Quotient nicht-positiv. Analog auch im Fall   und  . Durch Bildung des Differentialquotienten erhalten wir nun

 

Da   und   wieder beliebig waren, folgt   auf  .

Beispiele zum Monotoniekriterium Bearbeiten

Quadratische und kubische Funktionen Bearbeiten

Beispiel (Monotonie der quadratischen und kubischen Potenzfunktion)

 
Graphen der Funktionen   und  
 
Graphen der Funktionen   und  

Für die quadratische Potenzfunktion   gilt

 

Daher ist   nach dem Monotoniekriterium auf   streng monoton fallend und auf   streng monoton steigend.

Für die kubische Potenzfunktion   gilt

 

Somit ist   nach dem Monotoniekriterium auf   monoton steigend und auf jeweils auf   und   streng monoton steigend. Man kann sogar zeigen, dass die kubische Funktion   auf ganz   streng monoton steigend ist.

Dass die Funktion   mit   streng monoton steigend ist, obwohl „nur“   und nicht  gilt, hängt damit zusammen, dass die Ableitung in nur einem einzigen Punkt verschwindet. Ein interessantes (notwendiges und hinreichendes) Kriterium hierzu behandeln wir in der Übungsaufgabe am Ende des Abschnitts.

Verständnisfrage: Warum ist   auf   streng monoton steigend?

Wir müssen zeigen: Aus   mit   folgt  . Für die Fälle   und   haben wir dies schon mit dem Monotoniekriterium gezeigt. Wir müssen also nur noch den Fall   betrachten. Hier gilt mit den Anordnungsaxiomen:

 

Also ist   auf   streng monoton steigend.

Warnung

An dem Beispiel   haben wir gesehen, dass die Rückrichtung der Monotonieaussage „  impliziert strenge Monotonie“ nicht gilt. Das heißt, dass aus der Tatsache, dass   streng monoton steigt, im Allgemeinen nicht   folgt. Am Beispiel der Funktion   kann man ebenso sehen, dass die Rückrichtung von der Aussage „  impliziert streng monotones Fallen“ nicht gilt.

Exponential- und Logarithmusfunktion Bearbeiten

Beispiel (Monotonie der Exponential- und Logarithmusfunktion)

Für die Exponentialfunktion   gilt für alle  :

 

Daher ist   nach dem Monotoniekriterium auf ganz   streng monoton steigend. Für die (natürliche) Logarithmusfunktion   gilt für alle  :

 

Somit ist   auf   ebenfalls streng monoton steigend.

Verständnisfrage: Wie ist das Monotonieverhalten der auf   erweiterten Logarithmusfunktion  ?

Es gilt

 

Oben haben wir   für   gezeigt. Also ist   auf   ebenfalls streng monoton steigend. Für   ist hingegen  . Daher ist   auf   streng monoton fallend.

Trigonometrische Funktionen Bearbeiten

Beispiel (Monotonieverhalten der Sinusfunktion)

Für die Sinus-Funktion   gilt

 

Daher ist   für alle   auf den Intervallen   streng monoton steigend und auf den Intervallen   streng monoton fallend.

Verständnisfrage: Wie lauten die Monotonieintervalle der Kosinus-Funktion  ?

Hier gilt  .

Daher ist   für alle   auf den Intervallen   streng monoton steigend und auf den Intervallen   streng monoton fallend.

Beispiel (Monotonieverhalten des Tangens)

Für die Tangens-Funktion   gilt für alle  

 

Damit ist   für alle   auf den Intervallen   streng monoton steigend.

Verständnisfrage: Wie ist das Monotonieverhalten der Kotangens-Funktion  ?

Hier ist für alle  

 

Also ist   für alle   auf den Intervallen   streng monoton fallend.

Übungsaufgaben Bearbeiten

Monotonieintervalle und Nachweis einer Nullstelle Bearbeiten

Aufgabe (Monotonieintervalle und Nachweis einer Nullstelle)

Untersuche die Monotonieintervalle der Polynomfunktion

 

Zeige außerdem, dass   genau eine Nullstelle besitzt.

Lösung (Monotonieintervalle und Nachweis einer Nullstelle)

 
Graph der Funktion  

Monotonieintervalle:

És gilt:   ist auf ganz   differenzierbar, mit

 

Damit ist

 

Nach dem Monotoniekriterium ist   auf   und auf   streng monoton steigend. Weiter gilt

 

Nach dem Monotoniekriterium ist   auf   streng monoton fallend.

  besitzt genau eine Nullstelle:

Für   gilt die folgende Wertetabelle

 

Auf Grund der zuvor untersuchten Monotonieeigenschaften und der Stetigkeit von   können wir damit ablesen:

  • Auf   ist   streng monoton steigend. Wegen   gilt   für alle  .
  • Auf   ist   dann streng monoton fallend. Also gilt auch   für alle  .
  • Anschließend steigt   auf   wieder streng monoton. Wegen   und  , muss es nach dem Zwischenwertsatz ein   geben mit  . Wegen der strengen Monotonie kann   in   keine weiteren Nullstellen haben.

Notwendiges und hinreichendes Kriterium für strenge Monotonie Bearbeiten

Aufgabe (Notwendiges und hinreichendes Kriterium für strenge Monotonie)

Beweise: Eine stetige Funktion  , die auf   differenzierbar ist, ist genau dann streng monoton steigend, wenn gilt

  1.   für alle  
  2. Die Nullstellenmenge von   enthält kein offenes Intervall.

Als Anwendung: Zeige, dass die Funktion   auf ganz   streng monoton wächst.

Beweis (Notwendiges und hinreichendes Kriterium für strenge Monotonie)

Aus dem Monotoniekriterium wissen wir bereits, dass   genau dann monoton steigend ist, wenn  . Wir müssen also nur noch zeigen, dass   genau dann streng monoton steigt, wenn die zweite Bedingung zusätzlich erfüllt ist.

Hinrichtung:   streng monoton steigend   Nullstellenmenge von   enthält kein offenes Intervall

Wir führen eine Kontraposition durch. Sprich, wir zeigen: Wenn die Nullstellenmenge von   ein offenes Intervall enthält, ist   nicht streng monoton steigend- Angenommen es gibt   mit   für alle  . Nach dem Mittelwertsatz gibt es ein   mit

 

Also ist  . Gilt nun  , so gilt, da   monoton steigend ist

 

Also ist   für alle  . Also ist   nicht streng monoton steigend.

Rückrichtung: Nullstellenmenge von   enthällt kein offenes Intervall     streng monoton steigend

Wir führen einen Beweis durch Kontraposition. Wir müssen zeigen: Wenn   monoton, aber nicht streng monoton steigend ist, dann enthält die Nullstellenmenge von   ein offenes Intervall. Angenommen es gibt   mit   mit  . Wegen der Monotonie von   gilt

 

Also ist   für alle  . Das heißt   ist konstant auf  . Daher gilt für alle  :

 

Also enthält die Nullstellenmenge von   ein offenes Intervall.

Anwendungsaufgabe:   ist streng monoton steigend

  ist für alle   differenzierbar mit

 

Denn   für alle  . Damit ist   monoton steigend. Weiter gilt

 

Also enthällt die Nullstellenmenge von   nur isolierte Punkte, und damit kein offenes Intervall. Daher ist   auf   streng monoton steigend.