Buchanfang Maßtheorie by Richard4321/ Messbarkeit und Erzeugendensysteme von Sigma-Algebren – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“

Motivation Bearbeiten

In der Maßtheorie hatten wir den Begriff der Länge, Fläche und des Volumens geklärt: sie werden durch Maße auf Sigma-Algebren beschrieben. In der Integrationstheorie wollen wir auf der Basis der Maße einen Integralbegriff herleiten und dessen Eigenschaften untersuchen.

Wo stehen wir Bearbeiten

Wir hatten nachgerechnet, dass die Umkehrabbildung mit Mengenoperationen vertauscht. Seien   Messräume. Wir definierten eine Abbildung   als "messbar", wenn sie alle Mengen aus der Sigma-Algebra   auf Mengen der Sigma-Algebra   abbildete. Jetzt zeigen wir, dass es genügt, die Messbarkeit auf dem Erzeugendensystem zu testen. Das ist entscheidend, da Sigma-Algebren sehr groß sein können und Erzeugendensysteme i.A. gut handhabbar sind. Erst mit dieser Aussage bekommen wir die Messbarkeit in der Praxis zu fassen.

Messbarkeit und Erzeugendensysteme Bearbeiten

Satz (Messbarkeit und Erzeugendensysteme)

  1.   erzeugt eine Sigma-Algebra auf  
     

    ist eine Sigma-Algebra.

  2. Seien   Messräume. Es reicht, die Messbarkeit auf einem Erzeugendensystem zu überprüfen: Wird   von   erzeugt, d.h.  , so gilt
     

Beweis (Messbarkeit und Erzeugendensysteme)

1.:

a) Zeige:  . Da   folgt mit der Eigenschaft von  , dass

 

Mit der Definition von   ergibt sich  .

b) Zeige: Komplemente sind in  . Sei  , d.h.

 

Da   auch Komplemente enthält und da   mit dem Komplement vertauscht, folgt

 

Das ist die Definition von  .

c): Zeige: Abzählbare Vereinigungen sind in  . Seien  , d.h.

 

Da   wieder Vereinigungen enthält und da   mit den Vereinigungen vertauscht, folgt

 

Das ist die Definition von  

2.:

" ": Sei   im Erzeugendensystem  . Damit liegt es in der erzeugten Sigma-Algebra  . Mit der Voraussetzung

 

gilt

 

" ": Nach Voraussetzung gilt

 

Nach Definition sind somit alle   in  

 

Da   eine Sigma-Algebra ist, die nun   enthält, und   die kleinste Sigma-Algebra ist, die   enthält, folgt

 

Das bedeutet aber

 

Stetige Funktionen sind Borel-messbar Bearbeiten

Satz (Stetige Abbildungen sind Borel-messbar)

Jede stetige Funktion   ist  -messbar.

Beweis (Stetige Abbildungen sind Borel-messbar)

:

Da die offenen Mengen ein Erzeugendensystem für   sind

 

genügt es mit dem letzten Satz zu zeigen:

Ist   offen, so ist auch   offen.

Das ist gleichwertig zur Definition der Stetigkeit.


Aufgabe 1 Bearbeiten

Aufgabe

a) Sei   und   ein Erzeugendensystem. Dann gilt

 

b) Sei   die Indikatorfunktion auf  , d.h.   für   sonst. Welche Sigma-Algebra wird von   auf   erzeugt?

Beweis

a) Wir zeigen die Inklusion " ", zeige dazu   ist eine Sigma-Algebra: Wähle abzählbar viele Elemente aus dem Mengensystem au  . Dann gibt es nach Definition der Umkehrabbildung   mit

 

Da   eine Sigma-Algebra ist, gilt   und damit mit der Eigenschaft der Umkehrabbildung, mit Mengenoperationen zu vertausche,

 

Wegen   gilt   und damit ist auch die kleinste Sigma-Algebra, die   enthält in der rechten Sigma-Algebra

 

Wir zeigen die Inklusion " " Zeige, das folgende Mengensystem ist eine Sigma-Algebra

 

Da die   in   liegt und da  , gilt

 

Seien  , d.h.  . Da die rechte Seite eine Sigma-Algebra ist, gilt

 

Dann gilt nach Definition von  

 

Für   gilt   und somit  , insgesamt also

 

b) Für alle   gilt

 

Somit ist die erzeugte Sigma-Algebra  .

In Aufgabe 2 c) des letzten Kapitels war   und   die davon erzeugte Sigma-Algebra, deshalb passte es genau mit der Messbarkeit.

Rechnen mit Unendlich Bearbeiten

Wir benötigen Funktionen, die auch den Wert   annehmen, um Grenzwerte von Funktionenfolgen betrachten zu können. Dafür müssen wir Rechenregeln für   vereinbaren.

Definition (Rechenregeln mit  )

Die Null ist bei der Multiplikation stärker als Unendlich

 

Durch Null zu dividieren, ist dagegen nicht definiert:   existiert nicht (es könnte je nach Annäherung an Null plus oder minus Unendlich sein.)

Unendlich kann man addieren und minus Unendlich kann man addieren

 

Nicht definiert ist dagegen (was sollte der Wert sein?)

 

Plus und minus Unendlich kann man multiplizieren

 

Nicht definiert sind

 

Die Borelsche Sigma-Algebra um Unendlich erweitert Bearbeiten

Bisher haben wir   nicht als Funktionswerte verwendet, daher erweitern wir   einfach zu

 

Unsere Borelsche Sigma-Algebra   kann auch noch mit den Werten   nicht umgehen. Wir erweitern sie also zu   gemäß

Satz

Sei

 

Dann ist

 

eine Sigma-Algebra.

Beweis

:

a)

Da   in   liegt, folgt

 

b)

Sei  . Das Komplement in   (!) ist einfach

 

Da   in der Sigma-Algebra   liegt, ist auch  . Es folgt

 

d.h.  :

c)

Seien  . Da   eine Sigma-Algebra ist, ist die Vereinigung der   in  

 

Die Vereinigung der   ist automatisch in

 

Es folgt

 

Erzeugendensysteme für Bearbeiten

Wir wollen die Messbarkeit bequem über Erzeugendensysteme zeigen. Nun benötigen wir ein gut handhabbares Erzeugendensystem für  .

Satz

  wird von

 

erzeugt, wobei

 

Beweis

:

Wir zeigen beide Inklusionen:

" ": Da   von den offenen Mengen erzeugt wird, gilt  . Da   eine Sigma-Algebra enthält sie auch abzählbare Schnitte offener Mengen, d.h.

 

Damit folgt

 

Da   eine Sigma-Algebra ist, die somit   enthält, und da   die kleinste Sigma-Algebra ist, die   enthält, folgt

 

" " Wegen

 

ist das Erzeugendensystem von   in  . Da   eine Sigma-Algebra ist, ist auch

 

Da wir   als abzählbare Schnitte von Elementen des Erzeugendensystems schreiben können

 

gilt

 

Insgesamt folgt

 

Mit diesem Satz zeigen wir, dass es für die Messbarkeit genügt, die Mengen   zu betrachten,

Numerische Funktionen Bearbeiten

Satz

Eine Funktion   heißt numerische Funktion. Sie ist  -messbar genau dann wenn

 

Beweis

Wir haben gezeigt, dass es genügt, die Messbarkeit auf einem Erzeugendensystem zu überprüfen. Wegen

 

und da   von   erzeugt wird, folgt die Behauptung.


Satz

Es gilt für  

 

Damit war die Wahl von   zum Überprüfen der Messbarkeit von   künstlich. Mit einem anderen Erzeugendensystem hätte man auch die anderen Möglichkeiten wählen können.

Beweis

:

Wir führen den Beweis durch Ringschluss, d.h. wir zeigen

 

a) Gelte  . Aus diesen lässt sich   durch abzählbare Vereinigung konstruieren, die somit wieder in   ist

 

b) Gelte  . Aus diesen lässt sich   durch Komplementbildung konstruieren, die somit wieder in   ist

 

c) Gelte  . Aus diesen lässt sich   durch abzählbare Vereinigung konstruieren, die somit wieder in   ist

 

d) Gelte  . Aus diesen lässt sich   durch Komplementbildung konstruieren, die somit wieder in   ist

 

Damit ist der Ringschluss gezeigt.