Beweise für lineare Abbildungen führen – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“

Wir werden hier eine Beweisstruktur angeben, die zeigt, wie du immer die Linearität einer Abbildung zeigen kannst.

Allgemeine Vorgehensweise Bearbeiten

Wiederholung: Definition der linearen Abbildung Bearbeiten

Wir erinnern uns daran, dass eine lineare Abbildung (oder auch Homomorphismus) eine strukturerhaltende Abbildung von einem  -Vektorraum   in einen  -Vektorraum   ist. Das bedeutet, für die Abbildung   müssen folgende zwei Bedingungen gelten:

  1.   muss additiv sein, d.h. für   gilt:  
  2.   muss homogen sein, d.h. für   gilt:  

Bei einer linearen Abbildung ist es also egal, ob wir zuerst die Addition bzw. Skalarmultiplikation im Vektorraum   durchführen und dann die Summe in den Vektorraum   abbilden, oder zuerst die Vektoren   in den Vektorraum   abbilden und dort die Addition bzw. Skalarmultiplikation mit den Bildern der Abbildung durchführen.

Beweisstrukur für eine lineare Abbildung Bearbeiten

Der Beweis, dass eine Abbildung linear ist, kann nach folgender Struktur durchgeführt werden. Zunächst gehen wir davon aus, dass eine Abbildung   zwischen Vektorräumen gegeben ist. Das heißt,   und   sind  -Vektorräume und   ist wohldefiniert. Dann ist für die Linearität von   zu zeigen:

  1. Additivität:  
  2. Homogenität:  

Aufgabe (Einführendes Beispiel)

Wir betrachten folgende Abbildung

 

und zeigen, dass diese linear ist.

Beweis (Einführendes Beispiel)

Zunächst sind   und   Vektorräume über dem Körper  . Außerdem ist die Abbildung   wohldefiniert.

Beweisschritt: Additivität nachweisen

Seien  .

 

Damit haben wir die Additivität von   nachgewiesen.

Beweisschritt: Homogenität nachweisen

Seien   und  . Dann gilt

 

Damit haben wir die Homogenität von   nachgewiesen.

Die Nullabbildung Bearbeiten

Die Nullabbildung ist diejenige Abbildung, die alles auf die Null abbildet. Im Beispiel der Nullabbildung von   nach   sieht diese Abbildung folgendermaßen aus:

 

Aufgabe (Nullabbildung ist linear)

Zeige, die Abbildung   ist linear.

Beweis (Nullabbildung ist linear)

Wir wissen bereits, dass   und   beide  -Vektorräume sind und dass die Nullabbildung wohldefiniert ist.

Beweisschritt: Additivität

Für alle   gilt

 

Beweisschritt: Homogenität

Für alle   gilt

 

Damit ist die Nullabbildung linear.

Ein Beispiel im Bearbeiten

Wir betrachten ein Beispiel für eine lineare Abbildung von   nach  :

Aufgabe (Linearität von  )

Sei   gegeben mit

 

Zeige, dass die Abbildung   linear ist.

Lösung (Linearität von  )

  ist ein  -Vektorraum. Außerdem ist die Abbildung wohldefiniert.

Beweisschritt: Additivität

Seien   und   beliebige Vektoren aus der Ebene  . Dann gilt:

 


Beweisschritt: Homogenität

Sei   und  , dann gilt:

 

Damit ist die Abbildung linear.


Eine lineare Abbildung im Folgenvektorraum Bearbeiten

Als nächstes betrachten wir den Raum aller Folgen reeller Zahlen. Dieser ist nicht endlich-dimensional, denn es gibt nicht endlich viele Folgen, die diesen Folgenraum erzeugen. Er ist aber ein Vektorraum, wie wir im Kapitel über Folgenräume gezeigt haben.

Aufgabe (Folgenvektorraum)

Sei   der  -Vektorraum aller Folgen reeller Zahlen. Zeige, dass die Abbildung

 

linear ist.

Wie kommt man auf den Beweis? (Folgenvektorraum)

Um Linearität zu zeigen, sind zwei Eigenschaften zu prüfen:

  1.   ist additiv:   für alle  
  2.   ist homogen:   für alle   und  

Die Vektoren   und   sind Folgen reeller Zahlen, d.h. sie sind von der Form   und   mit   für alle  .

Lösung (Folgenvektorraum)

Beweisschritt: Additivität

Seien   und  . Dann gilt

 

Daraus folgt, dass   additiv ist.

Beweisschritt: Homogenität

Sei   und  . Dann gilt

 

Also ist   homogen.

Somit wurde nachgewiesen, dass   eine  -lineare Abbildung ist.

Abstraktes Beispiel Bearbeiten

Wir beschäftigen uns in diesem Kapitel mit etwas abstrakteren Vektoren. Seien   beliebige Mengen;   ein Körper und   ein  -Vektorraum. Wir betrachten nun die Menge aller Abbildungen der Menge   in den Vektorraum   und bezeichnen diese Menge mit  . Weiterhin betrachten wir auch die Menge aller Abbildungen der Menge   in den Vektorraum   und bezeichnen diese Menge mit  . Die Addition zweier Abbildungen definieren wir für   durch

 

Die skalare Multiplikation definieren wir für   durch

 

Analog definieren wir die Addition und die skalare Multiplikation für  .

Aufgabe (Die Menge   ist ein Vektorraum über  )

Zeige, dass   ein  -Vektorraum ist.

Wie kommt man auf den Beweis? (Die Menge   ist ein Vektorraum über  )

Überprüfe einfach die Vektorraumaxiome.

Wir zeigen nun, dass die Präkomposition mit einer Abbildung   eine lineare Abbildung von   nach   ist.

Aufgabe (Die Präkomposition mit einer Abbildung ist linear.)

Sei   ein Vektorraum, seien   Mengen und sei   bzw.   der Vektorraum der Abbildungen von   bzw.   nach  . Sei   beliebig, aber fest. Wir betrachten die Abbildung

 

Zeige, dass   linear ist.

Es ist wichtig, dass du dich genau an die Definitionen hältst. Mache dir klar, dass   eine Abbildung ist, die jeder Abbildung von   nach   eine Abbildung von   nach   zuordnet. Diese Abbildungen, die Elemente von   bzw.   sind, müssen selbst aber nicht linear sein, da auf den Mengen   und   keine Vektorraumstruktur vorhanden ist.

Zusammenfassung des Beweises (Die Präkomposition mit einer Abbildung ist linear.)

Um die Linearität von   zu beweisen, müssen wir wieder die zwei Eigenschaften prüfen:

  1.   ist additiv:   für alle  
  2.   ist homogen:   für alle   und  

Bei beiden Punkten ist also eine Gleichheit von Abbildungen   zu zeigen. Dazu werten wir die Abbildungen an jedem Element   aus.

Lösung (Die Präkomposition mit einer Abbildung ist linear.)

Seien  .

Beweisschritt: Additivität

Für alle   gilt

 

Damit haben wir   gezeigt, das heißt   ist additiv.

Seien   und  .

Beweisschritt: Homogenität

Für alle   gilt

 

Damit haben wir   gezeigt, was bedeutet   ist homogen.

Die Additivität und Homogenität von   bedeutet aber, dass   eine lineare Abbildung ist.